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Albtraum Deutzer KirmesKölner Schaustellerin attackiert Veranstalter – 240.000 Euro tun jetzt weh

Jenny Weber sitzt in einem Autoscooter.

Jenny Weber betreibt den letzten Autoscooter im Kölner Stadtgebiet, aber wie lange geht das noch gut?

Die Gemeinschaft Kölner Schausteller (GKS) hat als Veranstalter die Deutzer Kirmes in diesem Jahr verloren. Jenny Weber konnte deshalb ihren Autoscooter nicht aufbauen – was bedeutet das für die Kölnerin?

von Niklas Brühl (nb)

Über sie gesprochen und geschrieben wurde in den vergangenen Monaten viel – sie selber haben sich weitestgehend zurückgehalten.

Die Schaustellerinnen und Schausteller der GKS, die die Organisation der Deutzer Kirmes an den in Köln geborenen, allerdings mittlerweile in Leverkusen ansässigen Wilfried Hoffmann verloren haben.

Jenny Weber ist Mitglied der GKS, kommt aus dem Kölner Stadtteil Weiß und ihr wurde die Begeisterung des Schaustellerberufs quasi in die Wiege gelegt. Durch den Verlust der Deutzer Kirmes, auf der sie sowohl an Ostern mit ihrem Autoscooter nicht vertreten war, als auch im Herbst nicht vertreten sein wird, hat die zweifache Mutter gehörige Umsatzeinbußen hinnehmen müssen.

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Sie geht gegenüber EXPRESS.de sogar so weit und sagt: „Es könnte sein, dass der letzte Kölner Autoscooter demnächst Geschichte ist.“

Kölner Schaustellerin verliert Platz in Deutz – „Ehrenkodex nicht eingehalten“

Der Großvater von Jenny Weber war Gründungsmitglied der GKS und Vorsitzender des DSB Köln (Deutscher Schausteller Bund). Sie liebt ihren Job, wie sie gegenüber EXPRESS.de sagt: „Wir Schaustellerinnen und Schausteller sind das einfachste Antidepressiva der Welt. Das Gekreische auf der Kirmes, wenn sich zwei Menschen kennenlernen und verlieben oder ein Kind nur einen Lutscher oder ein Eis isst und danach total verschmiert ist – das ist mein persönliches Adrenalin, meine persönliche Lebensaufgabe, den Menschen eine Freude zu machen.“

Jenny Weber und ihr Mann Otti, der Mitglied im Vorstand der GKS ist, betreiben den letzten verbliebenen Autoscooter im Kölner Stadtgebiet.

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Ihren Platz auf der Deutzer Kirmes verlor sie in diesem Jahr an Veranstalter Wilfried Hoffmann, der den Besucherinnen und Besuchern seinen eigenen Autoscooter zur Verfügung stellte: „Es ist die fünfte Veranstaltung, die dieser Mann mir weggeschnappt hat. Und ich verstehe, genauso wie viele weitere GKS-Mitglieder nicht, wieso er das tut. Es gibt in unserer Branche ein ungeschriebenes Gesetz, man könnte es auch Ehrenkodex nennen: Man springt den ansässigen Schaustellerinnen und Schaustellern in ihrer Stadt nicht in die Parade. Genau das macht Wilfried Hoffmann allerdings seit Jahren.“

Wilfried Hoffmann hat familiäre Verbindungen zur GKS-Chefetage, ein Verhältnis bestünde zwischen ihm und den betroffenen Personen jedoch nicht mehr. „Es gibt viele Geschichten, mit denen man diesen Mann an den öffentlichen Pranger stellen könnte, aber das ist nicht meine Art“, sagt Jenny Weber.

Hier lesen: Deutzer Kirmes beendet: Veranstalter zieht Bilanz: „Hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht“

Neben der Deutzer Kirmes, für die Hoffmann in diesem Jahr durch einen Losentscheid den Zuschlag der Stadt erhielt, ist bereits seit einiger Zeit auch der Veranstalter des Inselfestes an der Groov in Porz-Zündorf. „Auch dort habe ich seitdem dann keinen Platz mehr bekommen“, sagt Jenny Weber. Und diese Verluste der wichtigen Standorte sind für die Kölner Schaustellerin mittlerweile nur noch schwer aufzufangen.

Kölner Schaustellerin fehlt die Hälfte des Jahresumsatzes

Denn erst im vergangenen Jahr schaffte sich Jenny Weber 24 neue Fahrzeuge für ihren Autoscooter an – 240.000 Euro hat die Flotte der neuesten Generation gekostet. „Damals habe ich natürlich noch nicht geahnt, dass wir unseren Platz in Deutz verlieren. Dann wäre das auch kein Problem gewesen. Allerdings geht mir durch den Verlust der beiden Veranstaltungen in Deutz mein halber Jahresumsatz flöten – und dann wird es irgendwann eng.“

Die Vergabe der Deutzer Kirmes für die kommenden fünf Jahre wird im Laufe des Jahres von der Stadt ausgeschrieben. Für Jenny Weber wäre es ein Horrorszenario, wenn die Kirmes in den Händen vom neuen Veranstalter bleibt: „Das wäre für mich, meine Familie und unseren Betrieb der Super-GAU. Und für viele weitere Kölner Schaustellerfamilien ebenfalls. Ich habe Existenzängste, habe schlaflose Nächte und vor kurzem am Essenstisch gesagt, dass wir den Autoscooter vielleicht verkaufen müssen. Die geschockte Stille am Tisch war kaum auszuhalten.“

Wilfried Hoffmann hatte im Vorfeld den Slogan vertreten, dass die Deutzer Kirmes unter seiner Leitung eine „Kirmes von Kölnern, für Kölner“ werde. Gegenüber EXPRESS.de betonte er auch, dass sich auch alle GKS-Mitglieder für einen Platz bewerben könnten.

Tatsächlich waren auf der Deutzer Kirmes im Frühjahr 2024 nur elf von 73 Betrieben aus Köln stammend, davon waren es zehn GKS-Mitglieder. Im Vergleich dazu: 2023 unter der Leitung der GKS standen 29 Kölner Betriebe auf der Deutzer Kirmes, 55 GKS-Mitglieder insgesamt.

„Die Deutzer Kirmes gehört den Kölner Schaustellerinnen und Schaustellern. Man setzt sich nicht einfach in gemachte Nester und ich verstehe auch wirklich nicht, warum Wilfried Hoffmann sich das antut“, sagt Jenny Weber gegenüber EXPRESS.de.

Kölner Schausteller: „Branche in Köln wird ausbluten“

Von einem Mitarbeiter der Verwaltung sei nach dem Losentscheid in Richtung der GKS der Satz gefallen: „Stellen Sie sich das vor wie ein Fußballspiel – Sie haben jetzt eben mal verloren.“ Eine Aussage, die Jenny Weber auch heute noch sauer macht: „Wenn der FC ein Spiel verliert, darf auf einmal Bayer Leverkusen im Rhein-Energie-Stadion spielen? Da würde ich aber gerne mal sehen, wie die FC-Fans dann auf diesen lapidaren Satz reagieren.“

Im Schnitt bespielt Jenny Weber mit ihrem Autoscooter jährlich 25 Veranstaltungen. In Köln, in Neuss, in Düsseldorf, in Oberhausen – in diesem Jahr werden es wohl nur um die 20 sein: „Das macht sich natürlich beim Umsatz bemerkbar, allein aufgrund des Verlustes der Deutzer Kirmes. Und wenn ich in anderen Städten stehe, dann nie, um einer ansässigen Kollegin oder einem ansässigen Kollegen den Platz wegzunehmen. Das ist für mich eine Ehrensache.“

Über das Pfingstwochenende wird sie mit ihrem Autoscooter die Menschen in Grefrath bespaßen und ihrer großen Leidenschaft und Profession nachgehen. Dass sie im Herbst doch noch auf der Kirmes in Deutz zu sehen sein wird, schließe sie aus, wie sie gegenüber EXPRESS.de sagt.

Und dann blickt sie bereits mit großer Sorge auf die Ausschreibung der kommenden fünf Jahre: „Die GKS hat die Deutzer Kirmes zu dem gemacht, was sie heute ist. Falls wir sie komplett verlieren, wird die Kölner Schaustellerbranche wohl langsam ausbluten.“