Volker Weininger gehört zu den beliebtesten Büttenrednern im Kölner Karneval. Im Gespräch mit EXPRESS.de spricht der „Sitzungspräsident“ über seine Anfänge, das „Herrengedeck“ und Affinität zur deutschen Sprache.
„Tut schon weh“Kölner Karneval: Das bringt den „Sitzungspräsidenten“ so richtig auf die Palme
Der kann ja ganz klar reden! Volker Weininger (52) kennt man im Karneval als stark angesäuselten, die Worte verschleifenden „Sitzungspräsidenten“. In dieser Rolle ist er ein Star in der Bütt und auf den Kabarettbühnen Deutschlands.
Auch wenn er seine größten Erfolge in Köln feiert, ist Weininger überzeugter Bonner. Auf dem dortigen Marktplatz traf ihn EXPRESS.de und sprach mit einem völlig nüchternen, aber sehr unterhaltsamen Künstler.
Karneval: Der „Sitzungspräsident“ als Kandidat bei „Wer wird Millionär?“
EXPRESS.de: Herr Weininger, fangen wir etwas ungewohnt an: 2007 haben Sie als Kandidat bei „Wer wird Millionär?“ 32.000 Euro gewonnen. Was haben Sie damit gemacht?
Volker Weininger: Mit dem Geld habe ich ganz unspektakuläre Dinge gemacht. Ich habe einen Kredit fürs Auto abbezahlt, außerdem sind meine Frau und ich sind zum ersten Mal im Sommer gemeinsam in Urlaub gefahren. Als Lehrbeauftragter an der Uni hätte ich es mir damals einfach nicht erlauben können, einen Monat nicht zu arbeiten und in Urlaub zu fahren. Den Rest habe ich zur Seite gelegt.
An welcher Frage sind Sie gescheitert?
Weininger: Das werde ich nie vergessen. Wenn man bei „WWM“ wirklich etwas Geld gewinnen will, muss man zocken und ins Risiko gehen. Aber ich war zu vorsichtig. Meine 64.000 Euro-Frage war: Was ist eine Natternzunge? Ich hatte zwar die richtige Vermutung, dass es eine Pflanze ist. Aber da mein Telefon-Joker auch nicht sicher war, habe ich lieber die 32.000 Euro genommen.
Kölner Karneval: So entstand die Kunstfigur des „Sitzungspräsidenten“
Wie kam es zur Karriere als heutiger Star-Redner in der Bütt?
Weininger: Ich wollte eigentlich immer Kabarettist werden. Ich war aber ein Spätstarter, weil ich erst einmal an der Bonner Uni auf Lehramt studiert habe. Ich bin anfangs im Dorfkarneval und bei kleineren Veranstaltungen aufgetreten. 2008 habe ich dann mein erstes Soloprogramm „Bestatten: Weininger“ herausgebracht.
Hatten Sie Vorbilder?
Weininger: Gerhard Polt war immer mein großes Idol. Ich finde seinen Humor unglaublich komisch und faszinierend. Wie er es schafft, den Leuten aufs Maul zu schauen, das ist schon sehr entlarvend.
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Wie ist Ihre Kunstfigur als „Sitzungspräsident“ entstanden?
Weininger: Die Figur gibt es schon seit dem Ende der 1990er Jahre. Das war im Café Hahn in Koblenz, da gab es zu Karneval die „Blaue Bütt“, wo ich 15 Jahre aufgetreten bin. Anfangs spielte das Thema Alkohol und dass ich während der Rede einige Kölsch zische, überhaupt keine Rolle. Das kam erst später dazu. Als ich mich 2012 beim Vorstellabend in Köln präsentiert habe, hatte ich also schon eine fertige Figur im Gepäck. Ich hatte zwar leichte Zweifel, denn der „Vereinspräsident“ ist ja auch eine Parodie auf Vereinsmeierei und jecke Funktionäre. Aber es hat von Anfang an gut funktioniert.
Ist es für Sie in der Figur des angesäuselten Präsidenten leichter, auch zu später Stunde noch den Saal zu kriegen?
Weininger: Das mag vielleicht für Herrensitzungen stimmen, weil da vielleicht mancher denkt: „Na, schau, jetzt sind wir auf Augenhöhe.“ Aber keine Rednerin und kein Redner tritt im Karneval gern zu später Stunde auf. Gerade am Anfang, als mich noch keiner kannte, war es mir deshalb wichtig, nicht jede Anfrage blind anzunehmen. Wenn man als Unbekannter um Mitternacht nach den Höhnern oder Brings auftreten soll, dann kann das nur in die Hose gehen. Da ist man dann schnell verbrannt.
Karneval: Das Erfolgsrezept des „Herrengedecks“
Ihr zweites Standbein ist das „Herrengedeck“. Was macht den Erfolg aus?
Weininger: Die Chemie stimmt. Wir verstehen uns bestens auf der Bühne. Und es ist halt ein Alleinstellungsmerkmal, dass man mit mir, Martin Schops und J. P. Weber drei Künstler hat, die auch solo erfolgreich sind. Jeder bringt beim Auftritt seine eigenen Sachen, aber das Schönste ist, dass wir vieles auch gemeinsam machen, improvisieren und uns gegenseitig foppen. Wir müssen da oben selbst viel lachen. Kein Auftritt ist wie der andere.
Sieht man sich als Kabarettist, der Sie ja auch sind, in der Pflicht, auf aktuelle Themen wie Ukraine-Krieg, AfD oder Klimawandel einzugehen?
Weininger: Bei mir steht die Politik nicht so im Vordergrund. Was nicht heißt, dass es bei mir nicht auch was zum Nachdenken gibt. Aber das Wichtigste ist für mich, dass ich die Besucherinnen und Besucher zwei Stunden lang unterhalte, in denen sie viele schlechte Nachrichten einfach mal vergessen können.
Sie haben immer wieder Sketche für die Stunksitzung geschrieben. Welcher ist Ihnen der liebste?
Weininger: Besonders mag ich die Nummer mit dem leider in diesem Jahr verstorbenen Hans Kieseier als Brummi-Fahrer auf der Mülheimer Brücke aus dem Jahr 2014. Der hat 22 seiner 23 Dienstjahre auf Kölner Brücken verbracht und hält die Liebesschlösser auf der Hohenzollernbrücke durchaus für wichtig, weil sie das ganze Bauwerk zusammenhalten. Die meiste Resonanz hatte ohne Zweifel die Neujahrsansprache von Angela Merkel 2017, die Anne Rixmann so großartig dargebracht hat.
Der „Sitzungspräsident“: „Das tut beim Lesen schon ein bisschen weh“
Zurück zu Ihrem früheren Job als Lehrbeauftragter für Deutsch. Wo stellen sich Ihnen im täglichen Sprachgebrauch die Nackenhaare hoch?
Weininger: Auf jeden Fall beim sogenannten „Deppen-Apostroph“, mit dem ein Genitiv besonders kenntlich gemacht werden soll. Aber es heißt einfach nicht „Heidi's Backstube“ oder „Wolli's Wodka Wigwam“. Das tut beim Lesen schon ein bisschen weh. Ist eben eine alte Berufskrankheit (lacht).
250 bis 300 Auftritte pro Jahr: Wie verkraften Sie das? Wo tanken Sie Kraft?
Weininger: Ich weiß, dass ich ein sehr privilegiertes Leben führend darf und bin dafür auch sehr dankbar. Aber so viele Auftritte sind schon auch Stress. Nach der Session mache ich zwei Wochen keine Auftritte. Wegfahren geht nicht, weil unser 12-jähriger Sohn in die Schule gehen muss. Ich versuche, so oft wie möglich mit der Familie wegzufahren, eine Woche im Frühjahr und im Herbst, und im Sommer gönnen wir uns einen längeren Urlaub.
Wohin gehts?
Weininger: Wir sind eher anglophil orientiert. Meine Frau kommt ursprünglich aus Kalifornien, und ihre Eltern leben auf Hawaii, auf der Insel Oahu. Deshalb haben wir immer eine gute Entschuldigung dafür, Familienbesuche machen zu müssen. Ansonsten bin ich großer Schweden-Fan, schon seit meiner Kindheit, sicher geprägt durch Astrid Lindgren und ihre Bücher und Filme. Deshalb waren wir auch diesen Sommer wieder zwei Wochen mit Freunden in Småland.