40 Jahre auf der BühneMicky Brühl: Deutliche Worte zum Karneval – Sänger kündigt Entschluss an

Micky Brühl sitzt auf seiner Terrasse.

Micky Brühl beim Interview in seinem Garten in Holweide mit seinem geliebten Hund Skipper.

Micky Brühl hat als Ex-Sänger der Paveier und seiner eigenen Band 40 Jahre auf Kölns Bühnen hinter sich. Nun zieht er eine erste Bilanz und kündigt eine wichtige Entscheidung in seiner Karriere an.

von Daniela Decker  (dd)

Seit mittlerweile 40 Jahren hat Micky Brühl (62) das Mikrofon in der Hand. 29 Jahre landete er als Frontmann der Paveier unzählige Hits.

Nach der Trennung gründete er die Micky Brühl Band (MBB). Doch jetzt ist er an einem Punkt angekommen, wo er für sich entschieden hat: „Es reicht mit dem Hamsterrad“.

Micky Brühl: „Ich?!“ wird seine letzte CD sein

Micky Brühl ist ein Urgestein im Kölner Karneval: Seine Karriere begann 1983 als Frontmann der Paveier. 29 Jahre zog man gemeinsam und sehr erfolgreich durch die jecken Säle. Ein Jahr nach der Trennung folgte 2013 die Gründung der Micky Brühl Band („Zo Fooss noh Kölle jonn“). Dann fällte er der Entschluss: „40 Jahre ist ein guter Zeitpunkt – es reicht.“

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Der Sänger startet nun seine Solo-Karriere. EXPRESS.de traf ihn exklusiv in seiner Heimat Holweide und sprach mit ihm über seine 40-jährige Karriere, sein neues Album „Ich?!“ (erscheint am 29. September bei SpektaColonia) und den Brühl-Bühnen-TÜV.

Micky Brühl mit dem Närrischen Oscar.

Weiberfastnacht 2023 wurde Micky Brühl im Express-Zelt mit dem Närrischen Ehren-Oscar ausgezeichnet.

Das neue Doppel-Album, mit 30 Hits aus 40 Jahren, „ist quasi der Soundtrack meines musikalischen Lebens“, lacht Mick Brühl und ergänzt „alles Songs, die mir sehr am Herzen liegen und die mir Glück gebracht haben. Gerade bei ‚Heut brennt mein Iglu‘ darf man nicht vergessen, dass er uns den gemeinsamen Weg geebnet hat. Also nicht nur mir, sondern auch den Paveiern. Ich käme nie auf die Idee, diesen eher einfach gestrickten Song zu verleugnen und nicht mehr zu singen.“

Abgerundet wird das Album von der aktuellen Single „Magdalena“, die mit ihren Ohrwurm-Qualitäten überzeugt. Für Brühl steht bereits fest: „Das wird meine letzte CD sein. Das heißt nicht, dass ich aufhöre. Aber im Zeitalter von Downloads und Streaming verliert die CD immer mehr an Bedeutung.“

Nach seiner Zeit bei den Paveiern und der Micky Brühl Band ist das kölsche Urgestein solo unterwegs und fühlt sich in der kleinen Besetzung mit Christoph Wüllner am Keyboard richtig wohl.

„Ein Entschluss, den ich vielleicht besser direkt nach meinem Weggang bei den Paveiern gemacht hätte. Wenn man aber 29 Jahre als Sänger von einer Band eingerahmt wurde, fällt ein solcher Schritt nicht leicht. Mit dem Bewusstsein von heute, hätte ich MBB nicht gegründet“, gesteht Brühl.

„Wobei Corona viel kaputt gemacht hat. Wer weiß, ob es die Band heute noch geben würde, wenn die Pandemie nicht gewesen wäre.“ Bereits während der Pandemie stand Brühl bei kleinen Veranstaltungen solo auf der Bühne.

Ein großer Vorteil: „Ich kann durch das Halbplayback sehr flexibel auf die Wünsche des Publikums eingehen“, sagt Brühl. Und auch wirtschaftlich ist es gerade für kleine Vereine eine große Entlastung. Die Meinung der Veranstalter: „Wir haben das gleiche Gesicht, die gleiche Stimme und die gleichen Lieder, aber es kostet nur die Hälfte.“

Die Bühnen im Rheinland sind Micky Brühl bestens bekannt: „Ich habe von ganz klein bis ganz groß alle Säle ausprobiert und festgestellt, dass es solo funktioniert. Ich habe jetzt den Bühnen-TÜV.“ Und dennoch: Bei seinem ersten Solo-Auftritt im Sartory lagen die Nerven blank. „Ich hatte ganz schön weiche Knie, so als würde ich das erste Mal auf eine Bühne gehen. Ich kann gar nicht beschreiben, was es für ein Gefühl war, als die Jecken Zugabe gerufen haben“, gesteht Brühl noch immer gerührt.

Micky Brühl mit seinem Bruder Bubi.

Spontan kommt bei Micky Brühl auch schon mal sein Bruder Bubi mit auf die Bühne.

Es gibt aber auch Formate, wo der Sänger klar sagt: „Da gehöre ich nicht mehr hin.“ Das sind im Karneval spezielle Jugendpartys. „Die wollen lieber junge Bands hören und das ist auch okay. Man sollte aber gerade im Karneval nicht den Fehler machen und denken, das Publikum besteht nur noch aus 16- bis 20-Jährigen. Es gibt auch noch Karnevalsbegeisterte, die ‚Et Meier's Kättche‘ oder ‚Ich han de Musik bestellt‘ kennen. Ich bin absolut dafür, dass für die Party-Liebhaber Formate angeboten werden, darüber hinaus sollte man aber vielleicht ein bisschen kritischer auf die Altersstruktur in den traditionellen Sitzungen schauen.“

Wenn Micky Brühl auf seine 40-jährige Karriere zurückblickt, überkommt ihn Dankbarkeit: „Angefangen als kleiner Autoschlosser, kann ich seit 40 Jahren von der Musik leben. Das ist ein riesengroßes Geschenk und mein Dank geht immer wieder ans Publikum, vor dem ich nie den Respekt verlieren werde.“

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Was die Karnevalsgröße eher traurig stimmt, ist die Tatsache, dass manche jungen kölschen Bands es mit der kölschen Sprache nicht so genau nehmen:

„Es wird da irgendein Kölsch gesungen, was so manchem Ohrenbluten bereitet. Klar, es gibt verschiedene Ansichten, aber wir und auch die Bläck Fööss sind immer gut damit gefahren, wenn wir das Kölsch von Hans Knipp, Reinold Louis oder Wicky Junggeburth gesungen haben. Wenn man ab und zu ein bisschen auf die alten Herren der kölsch Szene hört, ist das bestimmt nicht altmodisch. Gerade in Bezug auf die Erhaltung der kölschen Sprache sollten doch alle an einem Strang ziehen.“

Auf die Frage, ob es in der jetzigen Zeit schwieriger für junge Bands ist, Fuß zu fassen, wird Brühl nachdenklich:

„Ich sag’ immer, auf der Domplatte steht ein Klavier und wenn du das nicht spielen kannst, solltest du die Finger davonlassen. In der Regel hat eine neue Band eine Schonfrist von maximal drei Jahren. Wenn in dieser Zeit kein vom breiten Publikum akzeptierter Song entsteht, kommt man nur ganz schwer aus der Nachwuchsschublade heraus. Das war bei den Paveiern auch nicht anders. Wir wurden von einem Vorstellabend zum nächsten gescheucht und mussten in etlichen Läden umsonst spielen. Ich glaube, da kann ich auch für die Fööss sprechen: Die Arbeitsmoral war damals eine andere. Da wurde über jedes Wort und jeden Satz heiß diskutiert.“

Micky Brühl: „Arbeitsmoral bei den Bands war damals eine andere“

Von der Ausrüstung der jungen Bands hätten die Paveier vor 40 Jahren nur träumen können.

„Aber, am Anfang steht nicht die Technik, sondern der Song“, gibt Brühl zu bedenken. Sollte der Nachwuchs selbstkritischer sein? „Wenn eine Band wie Brings, das Stadion vollmacht, machen die was richtig. Es hat immer einen Grund, warum manche Leute ganz oben stehen und andere nicht. Vielleicht liege ich ja falsch, aber wenn ich auf der Bühne stehe, und im Saal bewegt sich nichts, bin ich deprimiert. Klar ist es schwieriger auf einer Herrensitzung zum Schluss zu spielen als auf einer Mädchensitzung und dennoch muss man alles geben.“ Während der Session konnte es im Paveier-Bus schon mal laut werden. Grund dafür: „Wenn ein Auftritt aus unserer Sicht mal nicht so gut gezündet hatte, wurde sich im Bus richtig gezofft. Denn wir hatten schon immer das Ziel, die Säle abzuräumen.“

Eine Entwicklung, die Micky Brühl eher kritisch sieht, sind Cover-Bands, die ohne jeglichen Respekt für kleines Geld durch die Säle ziehen.

„Es gibt wohl kaum eine kölsche Band und da schließe ich die Paveier und mich auf keinen Fall aus, die nicht auch schon mal Cover-Versionen gemacht haben und damit sehr erfolgreich waren. Aber wenn du heute zum Beispiel im Umland einen Auftritt hast, hinter der Bühne wartest und hörst wie die Cover-Bands Hits von den Bläck Fööss, Höhner, Paveier, Brings, Cat Ballou oder Kasalla heraushauen und auch noch stolz über die gute Stimmung sind, kann dir das die Laune verderben. Es gibt heute einfach keine Ehre mehr. Früher ist sogar eine Tanzmusikband hingegangen und hat gefragt, wer ist denn im Programm, dann lassen wir die Songs weg. Heute läufst du mit deinen eigenen Nummern in eine Dublette rein. Das ist eine sehr traurige Entwicklung.“

Paveier zusammen mit Micky Brühl.

Beim Jubiläumskonzert der Paveier zum 40-jährigen Bestehen gratulierte Micky Brühl musikalisch (18. Juni 2023 auf der Pferderennbahn in Weidenpesch).

Wenn man 40 Jahre auf der Bühne steht, gibt es unzählige schöne Erlebnisse. Zu den größten zählt für Micky Brühl sein erster Auftritt mit den Paveiern in der legendären „Lachenden Sporthalle“.

„Bevor es überhaupt so weit war, stellten wir uns andächtig bei Otto Hofner im Büro vor. Doch bevor wir auch nur einen Satz herausbekamen, sagte Otto Hofner: ‚Ich weiß genau, was sie wollen. Sie wollen in die Halle. Jeder will in die Halle.‘“

Der erste Auftritt in der Sporthalle, ein Moment, den Brühl nie vergessen wird: „Wir durften zwei Nummern spielen: ‚Ich nemm d'r Dom mit‘ und ‚Am Rusemondach‘. Zwar gab es schon vereinzelte Zugabe-Rufe, doch unser fragender Blick Richtung Otto Hofner brachte nichts. Sein Kommentar: Es ist genug.“

Micky Brühl: Das erste Mal auf der Bühne der „Lachenden Sporthalle“

Ebenfalls unvergessen: „Als wir Jahre später das erste Mal das Feeling in der Lachenden Kölnarena erleben durften. In dieser riesigen Schüssel vor 10.000 Jecken zu spielen – die Gänsehaut vergisst man nicht. Zugabe ja oder nein war auch kein Thema mehr“, lacht Brühl.

An einen sehr emotionalen Moment erinnert sich Brühl ebenfalls sehr gerne: „Als ich Weiberfastnacht im EXPRESS-Zelt mit dem Närrischen Ehren-Oscar ausgezeichnet wurde. In dem Moment war es um mich geschehen und die Tränen suchten sich ihren Weg.“