Im Meer bei NeapelMiniwurm mit Glubschaugen stellt Forschende vor Rätsel – was ist sein Geheimnis?

Ein vor der Insel Ponza westlich von Neapel im Tyrrhenischen Meer gefangener Borstenwurm, auch Vielborster (Polychaeta) genannt, aus der Familie der Phyllodocidae (undatiertes Handout).

Ein vor der Insel Ponza westlich von Neapel im Tyrrhenischen Meer gefangener Borstenwurm, auch Vielborster (Polychaeta) genannt, aus der Familie der Phyllodocidae (undatiertes Handout), gibt den Forschern Rätsel auf.

Riesige Augen und ein winzig kleiner Körper – ein Mensch mit solchen Proportionen müsste seine Augen mit der Schubkarre transportieren: Ob die seltsamen Wesen damit nach Beute oder Liebeleien Ausschau halten, ist unklar.

Sie haben extrem große Augen, die Borstenwürmer, die im Mittelmeer westlich von Neapel gefangen wurden. Doch wozu sie diese Sehorgane ganz genau nutzen, ist noch unerforscht.

Doch es gibt eine heiße Spur: Womöglich dienen die Glubschaugen als eine Art Geheimsprache mit Artgenossen. Hätte der Mensch im Verhältnis derart große Augen, müsste er zusätzliche hundert Kilo an mühlsteingroßen Augen mit sich schleppen, erläutert ein schwedisch-dänisches Forschungsteam zu der im Fachjournal „Current Biology“ vorgestellten Studie. Mit seinen roten Riesenaugen könne das primitive Wesen so scharf sehen wie viele Säugetiere.

Wurm mit winzigem Gehirn – aber Sehvermögen wie bei Wirbeltieren

Ein derart hoch entwickeltes Sehvermögen sei bisher nur von Wirbeltieren, Gliederfüßern wie Insekten sowie Kopffüßern wie Kraken bekannt, erläutert das Team. „Sein Sehvermögen ist dem von Mäusen oder Ratten ebenbürtig, obwohl er ein relativ einfacher Organismus mit einem winzigen Gehirn ist“, sagte Anders Garm von der Universität Kopenhagen, einer der drei Studienautoren.

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Die Augen der Borstenwürmer wiegen den Analysen zufolge etwa 20 Mal so viel wie der Rest des Kopfes. Doch warum leistet sich der durchsichtige Meeresbewohner so fehlplatziert wirkende Glubscher?

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Die untersuchten Ringelwürmer der Arten Torrea candida, Vanadis cf. formosa und Naiades cantrainii leben unter anderem entlang der italienischen Insel Ponza westlich von Neapel. Badegäste bekommen die Tiere dennoch selten zu Gesicht: Sie sind nachtaktiv, wie die Forscher schreiben.

„Niemand hat den Wurm je tagsüber gesehen, wir wissen also nicht, wo er sich versteckt“, so Garm. Es sei nicht auszuschließen, dass er seine Augen auch tagsüber nutzt. „Was wir wissen ist, dass seine wichtigsten Aktivitäten wie Nahrungssuche und Paarung nachts stattfinden. Es ist also wahrscheinlich, dass die Augen zu dieser Zeit wichtig sind.“

Nutzen Würmer Geheimsprache für die Paarung?

Den Forschenden zufolge sehen Exemplare aller drei Arten im ultravioletten Bereich (UV), der für das menschliche Auge unsichtbar ist. Womöglich erkennen die Tiere so biolumineszente Signale im nächtlichen Meer. Von Biolumineszenz spricht man, wenn Organismen leuchten, also aus eigener Kraft Licht erzeugen, etwa durch chemische Reaktionen in den Hautzellen.

„Wir haben die Theorie, dass die Würmer selbst biolumineszent sind und über Licht miteinander kommunizieren“, erläuterte Garm. Womöglich handle es sich um eine Art Geheimsprache, die mit der Paarung zusammenhänge. Durch die Verwendung von UV-Licht blieben die Tiere dabei für potenzielle Räuber unsichtbar.

Diese Meereswürmer haben im Vergleich zu ihrer Körpergröße extrem große Augen. Ob die Würmer damit eher nach Beute oder nach möglichen Partnern Ausschau halten, ist aber bisher noch unklar.

Im Vergleich zum Rest des Körpers sind die Augen des Borstenwurms riesig.

„Es könnte auch sein, dass sie nach UV-biolumineszierenden Beutetieren Ausschau halten“, so Garm. „Wie auch immer, es ist wirklich spannend, denn UV-Biolumineszenz wurde bisher bei noch keinem anderen Tier beobachtet.“ Die Hoffnung sei groß, mit den Borstenwürmern ein erstes Beispiel präsentieren zu können.

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Erforscht werde aktuell zudem, wie Tiere mit so einfachen Gehirnen all jene Informationen verarbeiten können, die so große Augen wahrscheinlich sammeln. Womöglich gebe es im Nervensystem der Borstenwürmer besondere Wege der Informationsverarbeitung.

Auch evolutionsgeschichtlich seien die Augen interessant: Sie seien zwar einfach gebaut, besäßen aber fortschrittliche Funktionen und hätten sich in einer relativ kurzen evolutionären Zeitspanne von nur wenigen Millionen Jahren entwickelt. Das bedeute, dass die Entwicklung selbst eines hochentwickelten Sehvermögens in relativ kurzer Zeit möglich sei. (dpa)