Kunstrasen BonnFans feiern Placebo – klare Ansage ans Publikum und rätselhaftes Konzertende

Brian Molko von der britischen Band Placebo.

Placebo-Sänger und Mastermind Brian Molko bei seinem Konzert in Bonn am 10. August 2023.

Placebo spielten im Rahmen der diesjährigen Kunstrasen-Saison am Rheinufer in Bonn. Dabei präsentierte die Band vor allem Songs vom neuen Album, einige ihrer Hits fehlten im Programm.

von Marcel Schwamborn (msw)

Bevor am Donnerstagabend (10. August 2023) der erste Ton von „Forever Chemicals“ auf dem Bonner Kunstrasen ertönte, gab es für das Publikum erst einmal eine ganze Reihe von Hinweisen. Per Aushang am Gelände in der Rheinaue informierten Placebo, dass sie das Konzert nur im Rahmen der erlaubten Lautstärke spielen dürften. Der klagefreudige Anwohner in Beuel lässt grüßen.

Schließlich ermahnte die Band ihre gut 8000 Fans per Durchsagen auf Englisch und dann auch noch mal auf Deutsch, eine Unsitte der aktuellen Konzerte sein zu lassen: Lasst das Handy in der Tasche, genießt den Augenblick! Die deutliche Ansage trug Früchte. Anfangs war auf der Konzertfläche am Rhein kein Smartphone zu sehen, nur zögerlich trauten sich einige, ein paar Erinnerungsfilme aufzunehmen.

Placebo: Sänger Brian Molko hat Ärger mit der Staatsanwaltschaft

So intensiv der Dialog zwischen der exzentrischen Rockband und den Menschen vor dem Konzert war, so distanziert fiel er danach aus. Bei einem Konzert nahe Turin hatte Sänger Brian Molko (50) vor einigen Wochen noch gegen die ultrarechte Regierungschefin gewettert. „Giorgia Meloni, Stück Sch..., Rassistin, Faschistin“, schrie er auf Italienisch von der Bühne. Nun hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn eingeleitet.

In Bonn hielt sich der Frontmann zurück. „Wir sind Placebo und wir sind keine Band aus England. Wir sind eine Band aus Europa“, sagte der in Brüssel geborene Sänger auf Deutsch mit wunderbarem französischem Akzent.

„Ich habe nicht so viel zu sagen, denn mein Deutsch ist nicht so gut“. In der Tat verzichtete der Künstler mit dem androgynen Erscheinungsbild und dem Oberlippenbärtchen ansonsten auf Interaktion.

Placebo bei ihrem Auftritt beim Kunstrasen in Bonn.

Die passende Lichtshow untermalte das Konzert von Placebo mit einsetzender Dunkelheit perfekt.

Mit seinem langjährigen Bandkollegen Stefan Olsdal (49) und vier Begleitmusikern wühlte er sich lieber durch die fast 30-jährige Bandgeschichte. Der Fokus lag dabei jedoch eindeutig auf dem im März 2022 erschienenen achten Album „Never Let Me Go“. Gleich neun der 19 gespielten Songs sind darauf zu finden. Nach fast zehnjähriger Pause blieb sich das Duo damit musikalisch wie inhaltlich treu.

Mal besingen sie Endzeit-Szenarien („Try Better Next Time“), dann die Gefahren der Sozialen Medien („Surrounded by Spies“) oder Verlustschmerz („Happy Birthday In The Sky“). Molko und Olsdal vergnügen sich weiterhin an einer ganzen Batterie an Gitarren-Effekt-Pedalen und versinken – begleitet von Synthesizer-Teppichen - in ihrem düsteren Indie-Pop.

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Molkos nasale Quengelstimme klang auch an diesem Abend in Bonn klar und durchdringend. Die Lautstärke war auch – trotz aller Befürchtungen – satt, und mit einbrechender Dunkelheit wirkten die Lichteffekte immer besser. Die drei Videoleinwände lieferten absichtlich unscharfe Bilder. Schließlich sollten die Fans genauso wenig wie auf ihre Handys auf Bildschirme starren und stattdessen den Moment leben.

Kunstrasen Bonn: Placebo spielen gleich zwei Cover-Songs als Zugabe

Mit „Too Many Friends“, „Song To Say Goodbye“ und „The Bitter End“ rissen Placebo das anfangs vor allem ehrfürchtig zuhörende Publikum auch richtig mit. Doch dann zog die Band schon wieder den Stecker. Statt bei den Zugaben noch Hits wie „Every You Every Me“, „Special Needs“ oder „Nancy Boy“ zu spielen, wurden lieber zwei Cover-Versionen eingestreut.

„Running Up That Hill“ von Kate Bush gehört schon seit zwei Jahrzehnten zum Repertoire, aber im Doppelpack mit „Shout“ von Tears for Fears, wirkte das Ende nach anderthalb Stunden dann doch etwas rätselhaft. Allerdings: Wer 14 Millionen Tonträger bis heute verkauft hat, von David Bowie gefördert wurde und die Queerness in die Rockmusik gebracht hat, kann sich alles erlauben.