Das extreme Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat mehr als 180 Menschen in den Tod gerissen. Tausende haben ihre vier Wände verloren. Ein Jahr später gedenken auch Bundespräsident und Bundeskanzler der Flutopfer.
FlutkatastropheWiederholung nicht ausgeschlossen: Steinmeier warnt auf Jahrestag vor Klimawandel
In Trauer vereint haben die Menschen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen am ersten Jahrestag der Hochwasserkatastrophe der insgesamt mehr als 180 Flutopfer gedacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte am Donnerstag (14. Juli 2022) zunächst das im Juli 2021 schwer getroffene Ahrtal.
Er betonte mit Blick auf die Überschwemmungen: „Der Klimawandel hat uns erreicht.“ Das zeigten auch wieder diese Tage mit brennenden Wäldern und sinkendem Grundwasserspiegel. In vielen Regionen drohe nach den Jahren 2018 bis 2020 „ein vierter Dürresommer“, sagte Steinmeier.
In Begleitung der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sprach er im teilzerstörten Winzerdorf Altenahr mit Betroffenen, Helfern und Helferinnen sowie Kommunalpolitikern und -politikerinnen. Anschließend wollte Steinmeier in Euskirchen in Nordrhein-Westfalen an einem Gedenkgottesdienst für die dortigen Flutopfer teilnehmen.
Steinmeier warnt ein Jahr nach Flut: „Der Klimawandel hat uns erreicht“
Bei dem Hochwasser nach extremem Starkregen am 14. und 15. Juli 2021 waren mindestens 135 Menschen im nördlichen Rheinland-Pfalz getötet worden – 134 im Ahrtal und ein Mann in der Eifel. Zwei Menschen werden noch vermisst. In Rheinland-Pfalz war neben dem Ahrtal und vielen Gebieten der Eifel etwa auch der Ortskern von Trier-Ehrang betroffen; dort schädigte das Hochwasser der Kyll viele Häuser. In Nordrhein-Westfalen starben bei der Flut 49 Menschen.
Als Konsequenz aus den Geschehnissen muss es nach Auffassung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen „Neustart im Bevölkerungsschutz“ geben. Faeser sagte in Euskirchen bei Bonn, man habe aus der Katastrophe gelernt. Der Schutz der Bevölkerung bekomme jetzt endlich die Priorität, die er schon lange hätte haben sollen.
„Wir haben uns in Deutschland viel zu lange in Sicherheit gewogen“, sagte Faeser. „Wir müssen uns deshalb sehr viel besser gegen die Folgen des Klimawandels wappnen.“ Eine Wiederholung einer solchen Flutkatastrophe sei leider nicht ausgeschlossen: „Extremwetterlagen werden zunehmen.“
Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler, mahnte an, Deutschland müsse krisenfester werden – mit einer besseren Organisation und Warnung sowie sensibilisierten Bürgerinnen und Bürgern. „Wir müssen uns besser vorbereiten“, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“. Die Krisenvorsorge müsse auch bei jedem Einzelnen optimiert werden – alle Menschen müssten sich fragen: „Was können wir dazu tun?“
Hendrik Wüst betroffen – Wiederaufbau wird noch Jahre dauern
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bezeichnete die Flutkatastrophe als „Einschnitt in der Geschichte unseres Landes“. Die Bilder hätten sich in die Erinnerung eingebrannt. „Wir müssen uns besser auf solche Großschadensereignisse vorbereiten“, forderte Wüst laut einer Mitteilung. Es gelte, beim Klimaschutz voranzukommen.
Nach Einschätzung der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) – einer Behörde in Rheinland-Pfalz – wird der Wiederaufbau nach der Flut in dem Bundesland noch Jahre dauern. „Ich kann sehr gut nachempfinden, dass vielen der Wiederaufbau nicht schnell genug geht. Wir tun unser Möglichstes, um die Prozesse in unserem Verantwortungsbereich so gut zu strukturieren, wie nur möglich“, sagte ADD-Präsident Thomas Linnertz. Als Mittelbehörde zwischen Land und Kommunen unterstützt die ADD beim Wiederaufbau der Infrastruktur.
Zur zentralen Gedenkveranstaltung des Ahrtals in Bad Neuenahr-Ahrweiler am Abend (17.30 Uhr) wurde Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als Gast ohne Redebeitrag erwartet. Im Kurpark der stark flutgeschädigten Kreisstadt konnten sich beim öffentlichen Gedenken bis zu 2000 Menschen versammeln. Die Erinnerung an die Opfer sollte der Landesregierung zufolge verbunden werden mit einem „sichtbaren Signal für den Zusammenhalt und den gemeinsamen Aufbruch“.
Auch Deutschlands westlicher Nachbar Belgien erinnerte an die Flut. König Philippe und Königin Mathilde trafen in der wallonischen Stadt Limburg auf geschädigte Geschäftsleute, Vertreter der Rettungsdienste und der Behörden, wie die Nachrichtenagentur Belga berichtete. In der Stadt war demzufolge vor einem Jahr jedes dritte Haus überschwemmt. Insgesamt starben bei Unwettern im Juli 2021 in Belgien 39 Menschen. (dpa/gr)