Brust raus, Po raus, die Beine wirken durch die hohen Absätze noch länger, wenn „Kate“ an der Stange im Frankfurter Striptease-Club wirbelt. Doch abseits des Rotlichts schätzt sie Ruhe. Auch wenn sie „mit ganzem Herzen Stripperin“ ist.
Im Rotlicht-MilieuStripperin erzählt: „So bin ich da reingerutscht“
Wenn Kate mit ihrer Bulldogge „Thor“ durch den Schlosspark von Worms spaziert, genießt die 32-jährige die Ruhe, das Grün, den Alltag in der pfälzische Heimat.
Wenn sie sich über die hessische Landesgrenze auf den Weg zur Arbeit macht, ist es ein Wechsel in eine ganz andere Welt: Im Frankfurter Bahnhofsviertel tanzt die gelernte Kosmetikerin im Striptease-Klub „Pure Platinum“ an der Stange, verkörpert für die Besucher Fantasie oder Traumbilder, bis sie sich in den frühen Morgenstunden wieder auf den Weg ins beschauliche Heimatstädtchen macht. „Kate“ ist der Künstlername der zierlichen Blondine, die ihr Privatleben und ihren richtigen Namen aus den Medien heraushalten will.
Stripperin „Kate“ arbeitet im Frankfurter Bahnhofsviertel
Es ist ein täglicher Spagat zwischen zwei komplett unterschiedlichen Welten, doch Kate braucht beides – den Glitzertanga, den Funkel-BH, die hochhackigen Schuhe und die Lichter des Rotlichtviertels wie die Ruhe und Beschaulichkeit ihres „anderen“ Lebens.
Seit acht Jahren lässt sie auf der Bühne die Hüllen fallen – es war ein Ausbruch aus einem doch recht bürgerlichen Leben. „Ich habe ganz normal meine Ausbildung gemacht und gearbeitet“, sagt sie. Ein Job in der Couch-Abteilung eines Möbelhauses sei auch dabei gewesen – nicht besonders prickelig für eine junge Frau, die in ihrer Freizeit durchaus eine „kleine Partymaus“ gewesen sei und gerne im Mittelpunkt stand.
Der erste Kontakt mit dem Rotlicht-Milieu kam über einen Ex-Freund zustande, der ihr erzählte, dass ein FKK-Club eine Hausdame suchte. „Und so bin ich da reingerutscht.“ Im Nachhinein klingt es locker, aber Kate erinnert sich: „Am ersten Tag bin ich in Tränen ausgebrochen.“ Sie habe halt doch so einiges mitgekriegt, was sie nicht so gut fand. „Und dann bekam ich mein erstes Gehalt und habe gedacht: So viel habe ich noch nie verdient.“
Die Erste, die von dem neuen Job erfuhr, war ihre Mutter. „Ich kläre Wichtiges immer vorher mit meiner Mutter ab, weil meine Mutter halt für mich sehr, sehr wichtig ist“, stellt die Tänzerin klar. „Wenn meine Mutter nicht das Einverständnis dazu gibt, dann mache ich das auch nicht.“
Bei ihren Geschwistern und dem Vater sei sie mit Offenbarungen über die neue Arbeitswelt zurückhaltender gewesen. Im Rahmen einer Fernsehdokumentation sei das Geheimnis dann gelüftet worden. „Die haben da schon ein bisschen knabbern müssen“, räumt sie ein. Aber mittlerweile habe sich die Familie mit ihrem Job arrangiert. „Jede Familie braucht einen Paradiesvogel“, ist Kate überzeugt. „Ich bin wirklich sehr stolz auf meine Familie, dass sie da so tiefenentspannt drauf reagiert.“
Nach knapp zwei Jahren als Hausdame im FKK-Club habe sie sich neu orientieren wollen. Für Kate war klar: Sie wollte „im Rotlicht bleiben, aber nicht vor der Theke arbeiten und Prostituierte werden“. Sie beschloss, ihr Lieblingshobby Tanz zum Beruf zu machen – und stellte sich schließlich in dem Frankfurter Club vor, in dem sie auch heute noch arbeitet.
Nicht alle Kolleginnen gingen so offen mit der Arbeit im Rotlichtmilieu um, erzählt sie. „Gerade Studentinnen oder Mädels, die in der Ausbildung sind, die machen den Job und die Eltern oder die Freunde wissen das gar nicht. Wenn da zufällig irgendwelche Bekannten in den Club kommen, kriegen die direkt Panikausbrüche.“
Kate selber kann sich im Moment keinen Wechsel weg von der Arbeit im Rotlichtviertel vorstellen: „Ich war jetzt so viele Jahre mein eigener Chef. Ich komme mit den „normalen“ Chefs nicht mehr klar, ich komme mit normalen Arbeitszeiten nicht mehr klar, und mit einem normalen Gehalt komme ich auch nicht mehr klar.“
Bahnhofsviertel Frankfurt voller Junkies
Gleichzeitig brauche sie die Ruhe, die Nähe zu Familie und Freunden fernab der Dauer-Action in Frankfurt. „Irgendwann hat man es auch satt, dass man da die ganzen Junkies sieht, und dann bin ich wirklich sehr froh drum, dass ich auch in Worms bin“, meint Kate zu den Schattenseiten des Bahnhofsviertels. Sie legt Wert auf einen gesunden Lebensstil – keine Drogen, kaum Alkohol. Mancher Club-Türsteher reagiert überrascht, wie wohlerzogen-bürgerlich sie doch sei.
Nach den langen Lockdown-Monaten während der Corona-Pandemie hat es sich für Kate gut angefühlt, als sie endlich wieder auf der Bühne stehen konnte. Mittlerweile aber hätten Inflation und höhere Preise auch ihre Auswirkungen im Club. „Man merkt schon, dass die Leute sich zweimal überlegen, gebe ich dafür jetzt Geld aus oder nicht?“
Jubel, Applaus – das brauche sie. „Wenn eine Stripperin wirklich vom ganzen Herzen eine Stripperin ist, dann will die auch einen guten Job machen und will halt auch, dass die Leute einen schönen Abend haben“, sagt sie über Auftritte im Club oder bei Junggesellenabschieden. Sie weiß – in dieser Branche ist die Altersgrenze früher erreicht als in anderen Berufen.
Noch aber lebt sie im Jetzt: „Ich weiß nicht, ob man sich wirklich noch heutzutage Gedanken machen kann, was man in der Zukunft machen will, weil im Moment alles so ungewiss ist wegen des Krieges und all der Krisen.“ Vorerst geht er weiter, der Spagat zwischen den beiden Welten in Worms und Frankfurt. (dpa)