Klartext in ARD-TalkLindner mit düsterer Prognose: „Werden an Wohlstand verlieren“

Dort ist Krieg, hier geht es an den Wohlstand: Der ARD-Talk „Hart aber fair“ geriet zu einer weiteren Stunde der bitteren Wahrheit.

von undefined Teleschau

Alles Hoffen auf ein schnelles Ende des Ukraine-Krieges scheint vergebens. Und hierzulande, so fasste „Hart aber fair“- Gastgeber Frank Plasberg die Lage zu Beginn seiner aktuellen Sendung zusammen, „geht es an den Wohlstand“. Unter dem Titel „Der Krieg und die Folgen für uns: Wird Energie unbezahlbar?“ wurde am Montagabend viel über astronomische Heizöl- und Spritpreise und über den richtigen Ansatz staatlicher Soforthilfen debattiert und dabei manche unbequeme Wahrheit ausgesprochen. Es war eine Talkshow, die in etwa so viel Laune machte wie derzeit ein Tankstopp auf der A 9.

„Mein ganzes Leben besteht aus Sparen“, gab Betriebsrätin Susanne Holtkotte, eine Reinigungskraft, ungeschönt zu Protokoll. Die Parameter ihres Alltags sind ohne Frage dieselben wie von Millionen Deutschen: Sie lebt auf dem Land, und weil der ÖPNV bei ihren Arbeitszeiten nicht praktikabel ist, ist sie auf ihren alten Golf angewiesen. „Man darf uns einfach nicht vergessen“, appellierte sie, gewiss im Namen vieler Geringverdiener, an die Politik. Wenn der Liter Super über 2,20 Euro kostet, ist die Kalkulation eines solchen Lebens eben schnell mal auf den Kopf gestellt.

Natürlich widersprach an dieser Stelle keiner der anderen Diskussionsteilnehmer. Zudem stand für alle fest, dass Deutschland möglichst schnell „putinfrei“ werden müsse - offenbar eine Wortkreation, die sich derzeit in Politikerkreisen in Windeseile durchzusetzen scheint. Schnell uneins war man sich jedoch bei den Fragen, wie genau geholfen werden kann - und wem, und wer das alles bezahlen soll.

Christian Lindner: Debatte „typisch deutsch“

„Haben wir überhaupt Geld?“ - Ulrich Reitz, Chefkorrespondent für „Focus Online“, brachte mit seiner Frage das ganze Dilemma auf den Punkt: „Die Politik verwaltet Geld, das nicht ihr selber gehört, sondern den Steuerzahlern“, erklärte er. Ein möglichst passgenauer Ansatz sei daher vonnöten, um „mehreren Millionen“ Haushalten jetzt unter die Arme zu greifen, die jetzt Probleme haben.

„Die schnelle, unbürokratische Lösung, die in der Breite hilft“, soll es hingegen für CDU-Politiker Jens Spahn sein. Die Regierung müsse daher die Stromsteuer und die Mehrwertsteuer auf Energie drastisch senken. Da der Krieg noch lange dauern könne, sei eine Rezession nicht ausgeschlossen - damit nahm der Bundes-Gesundheitsminister der letzten Regierung ein böses Wort in den Mund, das schon lange nicht mehr durch die deutschen Talkshows gegeistert ist.

Christian Lindner wird bei „Hart aber fair“ deutlich

Auch Finanzminister Christian Lindner wurde deutlich: „Wir werden an Wohlstand verlieren, wenn die Energiepreise steigen“, konstatierte der live zugeschaltete FDP-Politiker. Mit Frank Plasberg sprach er über die Vorzüge des von ihm nach wie vor avisierten Tankrabatts, der eben auch der Mittelschicht sowie den ebenfalls auf das Kfz angewiesenen Gewerbetreibenden helfen würde. „Wir sind in einer Krise, in der sich einige fragen, ob sie es schaffen, Ende der Woche den Kühlschrank füllen zu können“, machte er deutlich. Gewerbetreibende, so Lindner weiter, würden ihm schreiben, „dass sie um ihre Existenz fürchten“.

Es gehe um nichts anderes als „Krisenintervention - in diesen Wochen“. Also müsse schnell gehandelt werden, betonte der Finanzminister, der befand, dass die Diskussion um die soziale Unwucht einer solchen Pauschal-Maßnahme „typisch deutsch“ sei. Er verwies auf Schweden, wo jedem Bürger 100 Euro ausgezahlt würden, sowie auf Italien und Frankreich, wo der Benzinpreis kurzerhand gedeckelt worden sei.

Doch der Staat werde „nicht auf Dauer einen Verlust an Wohlstand kompensieren können“, stellte Lindner klar. Man könne „Härten vermeiden“ oder ausbalancieren. Das Gebot sei, sich einen neuen Wohlstand wieder neu zu erarbeiten. Bis dahin, so der Finanzminister, gehe es darum, die missliche Situation abzufedern, „um die Sorgen der Menschen nicht noch stärker zu machen“.

Energie-Krise: Kompromissvorschlag bis Ende der Woche?

Wie heftig derzeit in der Regierungskoalition in diesen Fragen offenbar hinter den Kulissen gerungen wird, wurde an einigen Beiträgen von Thomas Kutschaty deutlich. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD warnte vor der Lösung per Gießkanne. Er sei vom Ansatz seiner Partei überzeugt, der ein „Mobilitätsgeld“ vorsieht, das an die Höhe des Einkommens gekoppelt sei. Arbeitgeber würden dieses direkt auszahlen: Für ein Gehalt von bis zu 2.000 Euro gäbe es demnach einen Bonus von 50 Euro, von bis zu 3.000 Euro 35 Euro, von bis zu 4.000 Euro immerhin noch 20 Euro. Der NRW-Ministerpräsidentenkandidat ließ auf Nachfrage von Frank Plasberg durchblicken, dass man bis Ende der Woche einen Kompromissvorschlag werde vorlegen können - wie auch immer dieser aussieht.

Ein wenig zu kurz kamen bei „Hart aber fair“ am Montag die Einlassungen der Energie-Expertin Claudia Kemfert, die unermüdlich auf „das gesamte Bild“ hinwies: auf die Notwendigkeit, in die erneuerbaren Energien zu investieren und zum Sparen: „Mit einem verkehrsfreien Sonntag und einem Tempolimit“, so die Professorin, könne man ein gutes Stück unabhängiger vom russischen Öl werden.

Also: Heizung runter, aufs Fahrrad umsatteln, wo es geht? - Es wäre sicherlich lohnenswert gewesen, auch über diese eigentlich naheliegenden Dinge intensiver zu diskutieren. Immerhin: Ganz am Ende der Sendung kam Bundes-Wirtschaftsminister Robert Habeck per Einspieler mit dem fraglos praktikabelsten Satz des Abends zu Wort: „Wenn man Putin ein bisschen schaden will, dann spart man Energie.“ (tsch)