Bei „Hart aber fair“ wurde am Montag (15. November) über eine mögliche Impfpflicht gegen die vierte Corona-Welle gestritten. Vor allem die Aussagen von Philosophin Svenja Flaßpöhler sorgten für Furore.
„Hart aber fair“ Streit um Impfpflicht eskaliert – Philosophin gerät mit ARD-Moderator Plasberg aneinander
von Jan Voß (jv)
Köln. Die Corona-Zahlen explodieren in Deutschland, die Inzidenz schraubt sich täglich auf neue Negativrekordwerte. Bei „Hart aber fair“ wurde am Montagabend über Gegenmaßnahmen diskutiert. Vor allem die Frage nach einer Impfpflicht stand im Zentrum der ARD-Talkshow mit Moderator Frank Plasberg.
Gäste bei „Hart aber fair“ am Montagabend, 15. November 2021:
- Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD)
- Notärztin Dr. Lisa Federle
- Immunologe Prof. Dr. Carsten Watzl
- Journalist Georg Mascolo
- Philosophin Svenja Flaßpöhler
Die vierte Corona-Welle hat Deutschland fest im Griff. Die Inzidenz-Werte sind höher als jemals zuvor in der Pandemie. Dennoch sind 30 Prozent der deutschen Bevölkerung weiterhin nicht geimpft. Dabei belegen Statistiken drastische Zahlen: Unter den Ungeimpften liegt die Infektionsrate deutlich höher. Und auch die Patienten, die in den Intensivbetten um ihr Leben ringen, sind überdurchschnittlich oft nicht geimpft.
„Hart aber fair“ mit hitziger Debatte um Impfpflicht
Warum führt Deutschland also keine Impfpflicht ein? Diese Frage wurde am Montag bei „Hart aber fair“ hitzig diskutiert. Und es waren Emotionen im Spiel. Das wurde nicht zuletzt bei einer Wortmeldung der Tübinger Notärztin Lisa Federle spürbar. „Ich muss mich da echt zusammenreißen, ich habe da kein Verständnis mehr“, brach es aus Federle heraus.
Seit dem Frühjahr versucht sie unaufhörlich, ihre Patienten von der Corona-Impfung zu überzeugen. Als die Impfzentren schließen sollten, hat Federle sich dann für Pop-up-Impfzentrum eingesetzt, damit es dennoch weitergeht.
„Hart aber fair“: Notärztin übt Kritik an Corona-Politik
Gegenüber der Politik übt sie auch schwere Kritik. Zunächst sei zu viel, dann zu wenig gemacht worden. „Im Frühjahr haben wir eine radikale Politik betrieben, da haben die Politiker einfach nur down gemacht, ohne Rücksicht auf Kinder und Jugendliche oder Altersheime. Jetzt hat die Politik verschlafen, und zwar extrem“, so Federle bei „Hart aber fair“.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil widerspricht. Zwar lobt er den Aktionismus der Stadt Tübingen, er sieht das Kernproblem aber nicht darin, dass die Leute nicht wüssten, wo sie sich impfen lassen können, sondern darin, „dass sie sich nicht impfen lassen wollen“.
„Hart aber fair“: Stephan Weil fordert „Lockdown für Ungeimpfte“
Von einer Impfpflicht will er dennoch die Finger lassen. Vor allem, weil sie schwer umzusetzen sei. „Wie geht das eigentlich, dass man 15 Millionen Menschen zwangsweise impft?“ Stattdessen favorisiert der SPD-Mann eine Art „Lockdown für Ungeimpfte“.
„Wenn wir Einschränkungen verhängen, kommen wir aber langfristig an denselben Punkt. Dann merken die Leute schon, dass sie da nicht mehr reinkommen“, erklärt Stephan Weil bei „Hart aber fair“.
„Hart aber fair“: Philosophin Flaßpöhler heizt Debatte um Impfpflicht ordentlich an
Philosophin Svenja Flaßpöhler ist da völlig anderer Meinung und heizt mit ihren Wortmeldungen der Runde bei „Hart aber fair“ deutlich ein. Es sei „fatal und falsch“, Menschen zu kriminalisieren, „die von ihrem Recht Gebrauch machen, Eingriffe in ihren Körper abzulehnen“, findet Flaßpöhler.
Die Philosophin geht sogar einen Schritt weiter und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Politik. „Die Politik der Bevormundung wird massiv gefahren. Die Politik von oben runter, lässt uns hilflos dastehen. Was vernünftiges, selbstverantwortliches Verhalten ist, wird systematisch abtrainiert.“
Auch gegen die Medien schimpft Flaßpöhler massiv: „Die Ungeimpften, das ist keine dumme Gruppe, die man in einen Topf werfen kann.“ Man dürfe Ungeimpfte nicht als homogene Gruppe uniformierter Menschen darstellen. Die Medien hätten zu einseitig berichtet. „Es gibt doch sehr unterschiedliche Motive, sich nicht impfen zu lassen“, so Flaßpöhler bei „Hart aber fair“.
Philosophin legt sich bei „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg an
Selbst Moderator Frank Plasberg sieht sich von der Argumentation der Philosophin angegriffen und stellt klar, dass er mit seiner Sendung sicher keine „Propaganda fürs Impfen“ betreiben wolle. „Gilt Ihr Plädoyer auch für diese Menschen, weil es absolut ist, Freiheitsrechte zu wahren?“, will er stattdessen von ihr wissen.
Flaßpöhler reagiert empört und sieht sich ihrerseits von Plasberg in die Ecke der Querdenker gestellt. „Sie versuchen mich jetzt in die Ecke der Querdenker zu stellen und das finde ich lächerlich", sagt Flaßpöhler. Woraufhin Plasberg protestiert. Das würde er nie tun.
„Hart aber fair“: Philosophin Flaßpöhler erntet nachdrückliches Kopfschütteln bei Medizinern
Und auch von den Medizinern, die bei „Hart aber fair“ zu Gast waren, bekam Svenja Flaßpöhler schließlich nachdrückliches Kopfschütteln. Die Philosophin versuchte zu argumentieren, dass wir Rauchern ja auch nicht vorwerfen, das Gesundheitssystem zu belasten. „Raucher gefährden nur sich selbst“, Ungeimpfte demnach genau so.
Eine Argumentation, die Immunologe Watzl und Notärztin Federle nicht teilen können. Erst seit dem Rauchverbot in Innenräumen könne man wirklich behaupten, dass Raucher nur ihre eigene Gesundheit gefährden.
Ungeimpfte Personen tragen durch ihre Ablehnung hingegen aktiv dazu bei, dass sich das Coronavirus so stark ausbreiten könne. Und aufgrund der hohen Inzidenzen komme es auch zu mehr schweren Fällen, die auf den Intensivstationen behandelt werden müssen. (jv)