EXPRESS-InterviewOberhose Campino erklärt uns seine Welt
Köln – Deutschlands Oberhose weht wieder! Nach fünf Jahren Pause sind die Düsseldorfer Punkrocker „Die Toten Hosen“ zurück. Neues Album, neue Tour. Im großen EXPRESS-Interview erklärt Frontmann Andreas Frege (54) alias Campino seine ganz persönliche Welt – von der Familie über Ernährung bis hin zum Tod.
Dein Sohn liebt HipHop und fährt Skateboard. Wie sieht es bei dir mit dem Skaten aus?
War nie meins. Rollschuhe und Inlineskates habe ich geliebt. Ich war früher bei einer Straßen-Roll-Hockey-Mannschaft bei mir in der Gegend. Wir haben immer gegen andere Straßen gespielt. In Düsseldorf träumten alle davon, einmal für die DEG spielen zu dürfen. Aber das ist am Geld für die Ausrüstung gescheitert und daran, dass es nur eine Eisfläche für die ganze Stadt gab und wir 20 Kilometer davon entfernt wohnten.
Ihr habt mit eurem früheren Schlagzeuger Wölli und eurem langjährigen Manager Jochen Hülder zwei euch nahestehende Menschen verloren.
Grundsätzlich gehören Leben und Tod immer zusammen. Ich teile nicht das Bedürfnis vieler Menschen, den Tod zu tabuisieren. Er steht immer irgendwie neben einem. Lebenskurven verlaufen ja unterschiedlich: Wir werden nicht alle alt, manch einer wandert schon früh in die Kiste. Aber ich finde, man sollte irgendwie offen damit umgehen. Deshalb spielt der Sensenmann bei uns immer wieder eine Rolle. Aber auch die Sehnsucht, das Leben zu zelebrieren.
Die Hosen haben ein Gemeinschaftsgrab
Im Lied „ICE nach Düsseldorf“ beschäftigt ihr euch auf sehr lustige Art mit dem Tod.
Das muss auch mal sein. Wenn ich einen Wunsch habe, dann den, dass wir keine Jammerlappen werden. Am Schluss muss immer klar sein, dass das Leben ein wahnsinniges Geschenk ist.
Fürchtest du den Tod?
Jetzt gerade nicht. Es kommt immer darauf an: Es gibt Momente, das ist dir alles egal und dann wiederum welche, da klammerst du dich an dein Leben. Es gibt Situationen, da kann man einen unglaublichen Mut entwickeln und in anderen ist man enttäuschend schwach.
Wird man euch in 200 Jahren in einem Atemzug mit den Rolling Stones nennen?
Ach nee, will man auch gar nicht und was hätte man auch davon? Mir reicht es, wenn wir in 200 Jahren eine Lokalgröße sind. Es gibt in der Düsseldorfer Altstadt das „Schneider Wibbel Haus“. Der Schneider Wibbel hat zur Zeit Napoleons gelebt und sich dort lange vor den Franzosen versteckt. So wurde er zur Kultfigur. Es wäre fein, wenn in 200 Jahren, die Düsseldorfer Grundschüler einen alljährlichen Tagesausflug machten, erst zu Schneider Wibbel und dann rüber zum Südfriedhof zu den Toten Hosen (lacht). Wir haben ein Gemeinschaftsgrab gekauft und werden alle einmal dort liegen.
Du hast deine Ernährung im Lauf der Zeit verändert. Bist du Vegetarier?
Nein, aber ich esse kaum Fisch und Fleisch. Wenn es jetzt ein toller Abend ist und die Leute das Fleischessen ganz bewusst zelebrieren, dann will ich nicht der Spielverderber sein, sondern esse mit – und genieße das dann auch. In den vergangenen Monaten bin ich richtiggehend zum Suppen-Fan geworden. Gemüsesuppen, Hammer! Das kommt vielleicht von den vielen Aufenthalten in Asien, wo man ja Suppen schon zum Frühstück isst.
„Laune der Natur“ in Zahlen
Am 5. Mai erscheint mit „Laune der Natur“ das 16. Studioalbum der Toten Hosen. Die Karten für das Veröffentlichungs-Konzert im Kölner „Gloria“ waren innerhalb von 30 Sekunden ausverkauft. Für die vor 35 Jahren gegründete Band könnte es einen neuen Superlativ bedeuten: Die letzte „Krach der Republik“-Tour war die mit Abstand erfolgreichste in der Bandgeschichte. Am 2. Juni startet die neue „Magical Mystery“-Tour 2017.
Die Leute wissen, wofür wir stehen
Auch politisch hat Campino einiges zu sagen. Die Oberhose über...
Der Hosen-Frontmann über...
... den amerikanischen Präsidenten:
„In dieser schnelllebigen Zeit ein politisches Lied zu schreiben, ist wahnsinnig schwierig, weil sich die Ereignisse überstürzen. Das kann schnell unaktuell und platt werden – und dass Donald Trump ein Idiot ist, da sind wir doch eh alle einer Meinung.“
... den Brexit:
„Das hat mir unglaublich wehgetan und mich wirklich enttäuscht. Gott sei Dank hat man wenigstens in Liverpool für den Verbleib gestimmt.“
... Europa:
„Jeder weiß, dass das Europa, wie wir es kennen, als Konstrukt in Gefahr ist. Ich selbst habe mich immer sehr wohl gefühlt als EU-Bürger. Mir macht der Gedanke Spaß, Europäer zu sein. Das hat sicher damit zu tun, dass meine Mutter aus England kommt, dass ich halb Engländer, halb Deutscher bin und mich nirgends zugehörig fühlte. Aber ich konnte mit hundertprozentiger Überzeugung sagen: Europäer, das bin ich.“
... politische Songs:
„Ich glaube, dass die Leute nach all den Jahren wissen, wer wir sind und wofür wir stehen, da braucht es jetzt nicht das zwölfte Anti-Nazi-Lied von den Toten Hosen.“