Im ukrainischen Poltawa trifft eine Rakete ein Wohnhaus - und löscht eine ganze Familie aus. Auch in dem von Kiew kontrollierten russischen Gebiet Kursk kommt es zu einem folgenreichen Luftschlag.
Russische InvasionMehr als 20 Tote nach Angriffen in der Ukraine und Russland
Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind durch neue Bomben- und Raketenangriffe mehr als 20 Menschen getötet worden. Nach dem Einschlag einer Rakete in einem Wohnhaus in Poltawa in der Zentralukraine stieg die Zahl der Toten auf mindestens 14. Unter den Toten seien zwei Kinder, teilte der Zivilschutz mit. Dort sei auch eine ganze Familie ausgelöscht worden, sagte der Chef der Präsidialverwaltung in Kiew, Andrij Jermak.
Auch in anderen Teilen des Landes starben Menschen bei russischen Luftschlägen, darunter zwei in Sumy im Nordosten und einer in Charkiw im Osten. Es gab zudem viele Verletzte.
In der von ukrainischen Truppen kontrollierten Stadt Sudscha im russischen Gebiet Kursk starben nach Angaben des Generalstabs in Kiew mindestens vier Menschen, als eine russische Gleitbombe in einem als Notunterkunft genutzten Schulinternat einschlug. Vier weitere Bewohner des russischen Gebiets seien verletzt worden, der Zustand von weiteren 84 Menschen sei befriedigend. Es handelte sich durchweg um russische Zivilisten, darunter viele ältere Menschen, Frauen und Kinder.
Moskau und Kiew geben sich gegenseitig Schuld
Das russische Verteidigungsministerium wies die Darstellung aus Kiew zurück und erklärte, die ukrainischen Streitkräfte hätten vom benachbarten Sumy aus mit Raketen zielgerichtet auf Sudscha geschossen. Das Gebäude sei von einer ukrainischen Rakete getroffen worden. Moskau warf Kiew ein „Kriegsverbrechen“ vor.
Das Ermittlungskomitee in Moskau leitete ein Strafverfahren ein gegen den namentlich genannten Kommandeur der Raketeneinheit in Sumy. Das russische Außenministerium forderte die internationale Gemeinschaft auf, den „Terrorakt“ zu verurteilen. Schuld trügen auch jene Länder, die Raketen an die Ukraine lieferten, sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa.
Die ukrainische Luftwaffe wies die Anschuldigungen zurück und widersprach den Behauptungen Moskaus mit Skizzen der Berechnungen zur Flugbahn des Projektils, das in dem Gebäude eingeschlagen war. Vom Einschlagwinkel her könne es sich daher nur um eine Lenkbombe handeln, die von einem Flugzeug östlich von Sudscha abgeworfen worden sei. „Das Beschießen von Zivilisten mit Bomben ist ein Markenzeichen russischer Verbrecher, selbst wenn es sich bei den Zivilisten um Einheimische, also Russen, handelt“, heißt es in der auf Telegram verbreiteten Erklärung.
Die Angaben der Kriegsparteien sind nicht von unabhängiger Seite überprüfbar.
Die ukrainischen Truppen waren Anfang August im russischen Gebiet Kursk einmarschiert und kontrollieren dort seither Dutzende Ortschaften, darunter Sudscha. Viele Russen konnten nicht rechtzeitig fliehen und sind deshalb weiter in der umkämpften Stadt. Moskaus Militär hat immer wieder die Rückeroberung des Gebiets Kursk angekündigt.
Selenskyj: Russland nimmt auf eigene Zivilisten keine Rücksicht
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj veröffentlichte nach dem Luftschlag gegen das Schulinternat in Sudscha auf der Plattform X ein Video, in dem ein stark beschädigtes Gebäude und Menschen in Notlagen zu sehen sind. Die russische Armee nehme auch auf eigene Zivilisten keine Rücksicht, sagte er. Das Land habe jeden Anstand verloren.
Selenskyj beklagte eine weitere Woche mit diesmal mehr als 1.400 russischen Luftschlägen. „Jeden Tag attackiert Russland die Ukraine mit Drohnen, Raketen und Gleitbomben“, sagte er laut einer in seinem Kanal bei Telegram verbreiteten Mitteilung. Das Land brauche deshalb mehr Flugabwehrsysteme und Raketen mit größerer Reichweite.
Auf einem dazu veröffentlichten Video sind Bilder der vergangenen Tage von Tod und Zerstörung in den ukrainischen Städten zu sehen. Allein in der Altstadt der Hafenmetropole Odessa, die zum Weltkulturerbe der Unesco gehört, nahmen laut Behörden 15 historische Gebäude bei russischen Raketenangriffen Schaden.
Selenskyj fordert Bestrafung von Russlands Helfern
Selenskyj kritisierte in einer Videoansprache erneut, dass durch die Umgehung von Sanktionen Russland weiter seine Raketen, Marschflugkörper und Drohnen mit Bauteilen aus anderen Ländern fertigen könne. Hunderte oder sogar Tausende Komponenten kämen aus EU-Staaten, aus China und sogar aus Amerika, sagte er.
Zugleich forderte er Strafen für jene Staaten, die Russland solche Bauteile lieferten. „Die Verletzung von Sanktionen muss als Komplizenschaft im Krieg behandelt werden, und wer hilft, Leben zu zerstören, muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte er.
Kiews Heereschef beklagt Gewalt gegen Militärangehörige
Indes beklagte der Befehlshaber der Landstreitkräfte, Mychajlo Drapatyj, eine wachsende Gewalt gegen Militärangehörige im Land. „Die Tötung von Militärangehörigen im rückwärtigen Bereich ist eine rote Linie“, teilte der Generalmajor bei Facebook mit. Er reagierte damit auf den gewaltsamen Tod von zwei Militärangehörigen allein am Samstag und forderte die Behörden zu einer harten Reaktion und zur Bestrafung der Täter auf.
In einem Gebäude des Kreiswehrersatzamtes im Gebiet Riwne kam es am Samstag zu einer Explosion, bei der ein Mensch starb und sechs weitere verletzt wurden. Im Gebiet Poltawa wurde laut Behörden am selben Tag ein Soldat einer Einberufungsstelle erschossen.
Die Ukraine wehrt sich seit fast drei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg. (dpa)