Fall schlägt hohe WellenADAC-Betriebsrats-Chefin kämpft vor Gericht gegen Kündigung

Eine Frau sitzt zwischen zwei Männern an einem Tisch, hinter ihnen mehrere vollbesetzte Stuhlreihen.

Der Publikumsbereich im Saal des Kölner Amtsgerichts ist voll: Petra Gorisch hatte immer viele Unterstützerinnen und Unterstützer an ihrer Seite. Das Foto zeigt die Betriebsratsvorsitzende am ersten Verhandlungstag (11. April 2024) mit ihrem Vize Rod Hahn (r.) und Anwalt Dirk Winter.

Eine ADAC-Betriebsratsvorsitzende wehrt sich gegen ihre Kündigung. Jetzt gab es vor dem Kölner Arbeitsgericht eine Entscheidung.

von Iris Klingelhöfer  (iri)

Der Zoff um die Kündigung einer ADAC-Betriebsrätin ist in erster Instanz entschieden: Vor dem Kölner Arbeitsgericht wurde am Donnerstag (8. August 2024) der Beschluss verkündet.

Die Geschäftsführung des ADAC-Regionalclubs Nordrhein war vor Gericht gezogen, weil sie die Betriebsratsvorsitzende Petra Gorisch (50) feuern will. Das kann sie jetzt.

Kölner Arbeitsgericht: ADAC-Betriebsrätin verliert Prozess

Denn der ADAC hat vor dem Arbeitsgericht gewonnen. Die Kammer hat „die Zustimmung zur Kündigung ersetzt“, wie es im Juristen-Deutsch heißt.

Der Fall schlägt hohe Wellen. Auch, weil Betriebsräte und -rätinnen einen besonderen Kündigungsschutz genießen. Ihnen kann nur außerordentlich (fristlos) gekündigt werden. Dazu muss auch der Betriebsrat selbst zustimmen.

Bei Petra Gorisch, der an den Prozesstagen zahlreiche Kolleginnen und Kollegen den Rücken stärkten, musste die ADAC-Geschäftsführung diese Zustimmung vor Gericht erkämpfen.

ADAC-Regionalclub Nordrhein zieht wegen 628 Minuten vor Gericht

Nachdem es in der ersten Verhandlung am 11. April zu keiner Entscheidung gekommen war, waren die Vorwürfe gegen die 50-Jährige, die seit mehr als 20 Jahren beim ADAC beschäftigt ist und seit 2015 den Vorsitz des Betriebsrates übernahm, seitens des Arbeitgebers erweitert worden. Im Kern ging es dabei um die Nichtteilnahme an einem Personalgespräch und die Dokumentation von Arbeitszeit in 94 Fällen.

Weil Petra Gorisch auch außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit als Betriebsrätin für hilfe- und ratsuchende Kolleginnen und Kollegen ansprechbar ist, war im Verlauf des Verfahrens unter anderem über ihr Arbeitszeitverhalten gestritten worden.

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Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass die Betriebsratsvorsitzende ihm monatliche Aufzeichnungen zur Überprüfung übersendet habe, die würden aber nicht alle ihre in der elektronischen Zeiterfassung aufgezeichneten Arbeitszeitüberschreitungen abbilden. Das betrifft, was unstreitig ist, insgesamt 628 Minuten, also rund 10,5 Stunden, verteilt auf 94 Tage (17. Juli 2023 bis 31. März 2024).

Nach Auffassung des Arbeitgebers habe es sich dabei um einen – jedenfalls versuchten – Arbeitszeitbetrug gehandelt.

Kölner Arbeitsgericht: So begründet die Kammer ihre Entscheidung

Das Arbeitsgericht Köln hat jetzt entschieden, dass dieses Verhalten der Betriebsratsvorsitzenden einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses darstellt.

In der Begründung heißt es: Dadurch, dass Petra Gorisch in 94 Fällen insgesamt 628 Minuten in ihrer monatlichen Übersicht nicht dokumentiert hat, habe sie den Arbeitgeber über den Umfang von Betriebsratstätigkeit außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit zumindest zu täuschen versucht und dabei billigend die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Freizeitausgleich aufgrund der Plus-Salden im Arbeitszeitkonto herbeigeführt.

Die Rechtslage sei der Betriebsratsvorsitzenden nach den ausführlichen Hinweisen des Arbeitgebers hinreichend bekannt gewesen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

„Die heutige Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln ist an der Stelle zu akzeptieren, dafür gibt es die Möglichkeit, die nächste Instanz anzurufen“, sagte Petra Gorisch im Anschluss gegenüber EXPRESS.de. „Wir werden unsere Aufgabe als Betriebsräte weiterhin ernst nehmen und bedauern, dass die heutige Entscheidung zunächst mal eine Schwächung der Arbeitnehmervertreter darstellt.“