Nach einem schweren Schicksalsschlag hat für den Kölner Walid Zine (37) ein neues Leben begonnen. Dem gelernten Koch wurden nach einem septischen Multiorganversagen beide Beine und die linke Hand amputiert.
Nach AmputationenKassenpatient im Stich gelassen: So bekommt der Kölner nun Hilfe
von Adnan Akyüz (aa)
Der Kölner Walid Zine hat sich beachtlich zurück ins Leben gekämpft und steht jetzt vor neuen Herausforderungen. Neben großen Zielen und Wünschen fühlt er sich von seiner Krankenversicherung im Stich gelassen.
Bei unserem Besuch in der neuen, barrierefreien Wohnung von Walid Zine in Köln-Bickendorf ist der Kölner gut gelaunt. „Ich bin der GAG unendlich dankbar, dass ich diese tolle Wohnung bekommen habe. Wieder ein möglichst eigenständiges Leben mit Privatsphäre führen zu können, hat mir sehr gefehlt. Auch wenn ich bei fast allen Dingen die Hilfe meiner Pflegeperson benötige, ist es ein gutes Gefühl, in seinen eigenen vier Wänden zu sein“, erzählt er im Gespräch mit EXPRESS.de. Der Kölner hatte eineinhalb Jahre im Nippeser Krankenhaus verbracht.
Köln: GAG und Erzbistum helfen nach schwerem Schicksalsschlag
Auch die Stiftung des Erzbistums Köln hat ihm geholfen. „Von der Stiftung habe ich eine Küche und etwa die Möbel für das Badezimmer sowie einen neuen Kühlschrank bekommen. Dass die Menschen von der Kirche mir in dieser schweren Zeit geholfen haben, werde ich mein Leben lang nicht vergessen“, so der Kölner. Alleine hätte er das mit dem Geld vom Jobcenter nicht geschafft, wie er sagt.
Diese Unterstützung habe er von seiner Krankenversicherung bisher nicht erfahren. Da schlägt sein Gemüt auch um. Mit ernstem Blick erklärt er: „Ich habe vor neun Monaten einen adaptiven Rollstuhl, auf den ich auch einen Anspruch habe, beantragt. Der ist leicht und kann zusammengeklappt werden. Mein jetziger ist 180 Kilo schwer. Das schränkt mich in meiner Mobilität sehr ein. So oft muss ich Termine absagen, wenn ich privat nicht jemanden organisieren kann, der mich fährt, weil Krankentransporte auch nicht übernommen werden.“
Er habe zwar einen zweiten Rollstuhl, der auch leichter ist. „Der ist aber viel zu klein für mich. Aus diesem Rollstuhl bin ich schon mehrmals runtergefallen. Ich muss mich immer an den Sitz klammern, um nicht rauszufallen. Ich habe jedes Mal Angst, dass ich mich verletzte. Das muss doch nicht sein“, erklärt er.
EXPRESS.de fragte bei der Versicherung DAK nach, warum der Antrag von Walid Zine abgelehnt wurde. Eine Sprecherin erklärte: „Dem Antrag von Herrn Zine auf einen adaptiven Rollstuhl haben wir nicht entsprochen, da Herr Zine laut eingeholtem Gutachten des Medizinischen Dienstes den beantragten Rollstuhl nicht selbständig nutzen kann.“
Den Wiederspruch habe die Versicherung an den Medizinischen Dienst gegeben, damit ein Gutachten erstellt werden kann. „Das Gutachten liegt uns trotz mehrfacher Nachfrage leider noch nicht vor. Laut Medizinischem Dienst warte man noch auf eine Antwort der behandelnden Ärztin zu den offenen Fragen“, so die Sprecherin, die in Aussicht stellt: „Selbstverständlich werden wir uns umgehend mit Herrn Zine in Verbindung setzen, sobald uns das Gutachten des Medizinischen Dienstes zur Verfügung gestellt wird.“
Doch es gibt auch gute Nachrichten für Walid. „Ich trainiere weiter mit Beinprothesen und mache gute Fortschritte. Ich hatte total vergessen wie groß ich bin, wenn ich aufrecht stehe. Ich sitze ja die ganze Zeit. Wenn ich mit den Prothesen gehe, ist der Boden viel weiter entfernt. Das hatte ich vorher nie bemerkt“, schildert er. In wenigen Tagen sollen seine Beinprothesen fertig sein: „Ich freue mich darauf, endlich wieder auf den Beinen stehen zu können.“
Kölner bekommt neue Handprothese und macht erste Übungen
Zudem hat Walid von der Kölner Firma Lentes Prothesenwerkstatt probeweise eine Handprothese bekommen, mit der er schon erste Übungen machen konnte. Ein kleines Päckchen Kaffeemilch öffnen und in die Tasse schütten oder einen Becher greifen. Bei den Übungen zeigt er auch, dass er seinen Humor nicht verloren hat, als er den Stinkefinger Richtung Kamera zeigt.
„Ich muss viel üben. Das ist sehr anstrengend, aber es lohnt sich“, sagt er und erklärt wie die Handprothese funktioniert: „An der Prothese sind mehrere Sensoren, die mit unterschiedlichen Stellen meines Stumpfes verbunden sind. Durch eine kleine Regung kann so ich einen Befehl an die Prothese senden. Es ist eine tolle Technik und das Personal dort ist sehr freundlich und kompetent. Alles wird individuell auf die Menschen angepasst. Auch da kann ich mich nur herzlich bedanken.“
Mithilfe der Prothesen fällt ihm auch der Blick nach vorne einfacher. Ihm sei von Behörden empfohlen worden, eine Invalidenrente zu beantragen. Dazu sagt er: „Das habe ich abgelehnt, weil mir das den Weg für eine Ausbildung oder Weiterbildung versperren würde. Ich will auf jeden Fall wieder arbeiten. Als Koch geht das nicht, weil die Küche ein zu hektischer Ort ist. Ich könnte mir aber vorstellen, in der Gastronomie etwas mit „Food Management“ oder Rezeptherstellung zu machen. Zudem spreche ich vier Sprachen fließend. Mit 37 Jahren bin ich noch viel zu jung für die Rente. Ich habe bisher so viel erreicht und will jetzt nicht aufgeben.“