Bluttat im „No Name“Prozess in Köln neu aufgerollt – Opfer (†29) flehte: „Nicht schießen!“

Zwei Bestatter tragen eine Leiche weg.

November 2015: Bestatter holen die Leiche des Erschossenen (†29) aus der Kölner Kneipe „No Name“ ab.

Nach der Bluttat im „No Name“ in Nippes im Jahr 2015 stehen erneut zwei Männer vor Gericht. Der Prozess gegen sie muss neu aufgerollt werden.

von Iris Klingelhöfer  (iri)

Neun Jahre Knast wegen Beihilfe zum Mord, fünfeinhalb wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge: Die beiden Männer (35, 38), die am Montag (15. Juli 2024) den Gerichtssaal betreten, wurden Ende 2020 nach den tödlichen Schüssen in der Nippeser Kneipe „No Name“ schuldig gesprochen.

Doch der Bundesgerichtshof kippte die Urteile, nachdem beide Verurteilten Revision eingelegt hatten. Jetzt wird neu verhandelt. Beide sind auf freiem Fuß. Einzig einer der Nebenkläger, der wegen anderer Sache hinter Gittern sitzt, wird von Wärtern in den Saal gebracht.

Bluttat in Kölner Kneipe „No Name“: Opfer flehte um Gnade

Die Bluttat im „No Name“ Ende 2015 hatte für Entsetzen gesorgt. Der Überfall mit einem Toten und drei Schwerverletzten galt als Vergeltung für einen Einbruch in einen Treffpunkt der Hells Angels, bei dem drei Spielautomaten geknackt und mehrere Tausend Euro erbeutet worden waren.

Für 5000 Euro Belohnung wurden die mutmaßlichen Einbrecher verpfiffen. Nach einem „Tipp“, dass sie sich am 20. November 2015 im „No Name“ aufhalten sollten, betraten mehrere bewaffnete Hells Angels-Rocker die Kneipe und eröffneten das Feuer.

Ein Anwalt steht im Gericht neben seinem sitzenden Mandanten.

Revisionsprozess nach Bluttat im „No Name“ in Köln ist am Montag (15. Juli 2024) gestartet:einer der Angeklagten (38) mit seinem Verteidiger Claus Eßer.

Es spielten sich dramatische Szenen ab. So wurden zwei Männer, die sich auf den Boden legen mussten, von mehreren Kugeln getroffen. Sie überlebten schwerst verletzt. Ein 29-Jähriger, der vor einem Spielautomaten auf einem Barhocker saß, soll sich die Hände vor das Gesicht gehalten und gefleht haben „Nicht schießen!“. Kurz darauf fiel er tödlich getroffen zu Boden.

Mutmaßlicher Haupttäter flüchtete nach Kölner Tat in die Türkei

Laut der ursprünglichen Anklage gilt der ehemalige Kölner Rockerboss (36) als Schütze. Er flüchtete jedoch nach der Bluttat in die Türkei. Dort wurde er 2021 festgenommen, wieder freigelassen, dann wieder festgenommen. Bis heute wurde er nicht nach Deutschland ausgeliefert. Stattdessen soll er nach seiner letzten Festnahme Anfang 2024 erneut gegen Meldeauflagen von der Haft verschont worden sein, wie EXPRESS.de am Freitag (12. Juli 2024) erfuhr.

Dafür standen drei mutmaßliche Komplizen vor dem Kölner Landgericht und wurden Ende 2020 verurteilt. Während einer seine Strafe (zwölf Jahre Haft) akzeptierte, legten die beiden anderen erfolgreich Beschwerde gegen ihrer Urteile beim Bundesgerichtshof ein. So hatte zum Beispiel der jüngere Angeklagte bestritten, in die mutmaßlichen Mordpläne eingeweiht gewesen zu sein.

Während die anderen in die Gaststätte gestürmt sein sollen, war er im Eingangsbereich stehen geblieben und soll einen Zeugen bedroht haben, damit die anderen ungehindert zuschlagen konnten. Dabei sei er aber lediglich von einer „Abreibung“ ausgegangen.

Revision erfolgreich: Neuer Prozess in Köln mit weiteren Vorwürfen

Jetzt der Auftakt zum Revisionsprozess. Dabei muss sich der 35-Jährige neben den Vorwürfen im „No Name“-Fall auch wegen gewerbsmäßigen Diebstahls verantworten. So soll er sich als Heizungsableser ausgegeben und Rentnerinnen übers Ohr gehauen haben.

Unter anderem soll er dabei die Wohnung einer 90-Jährigen durchsucht und 24.000 Euro aus ihrem Schlafzimmerschrank gestohlen haben. Das Geld hatte die alte Dame für den Fall gespart, dass sie pflegebedürftig wird.

Einer der Angeklagten (35) unterhält sich am Montag (15. Juli 2024) im Gerichtssaal mit Anwalt Frank Hatlé.

Einer der Angeklagten (35) unterhält sich am Montag (15. Juli 2024) im Gerichtssaal mit Anwalt Frank Hatlé.

Dem 38-Jährigen hingegen wird unter anderem auch Bedrohung vorgeworfen. Er soll einen Mann gezwungen haben, sich bis auf die Unterhose auszuziehen. Dann soll er ihn mehrfach ins Gesicht getreten und 10.000 Euro gefordert haben. Mit Hinweis auf einen nahen Friedhof soll er gedroht haben: „Sonst kann dich deine Frau da besuchen.“

Über seinen Verteidiger ließ er beim Prozessauftakt erklären, dass er sich schweigend verteidigen werde. Der 35-jährige Mitangeklagte will Angaben machen. „Aber nicht heute“, so sein Anwalt.

In dem Prozess treten Opfer sowie Angehörige des Erschossenen als Nebenkläger auf. Insgesamt sind 25 Verhandlungstage bis zum 25. Oktober angesetzt.