Knallhart-KritikDomians Brief an Greta zeigt Mega-Problem unserer Gesellschaft
Köln – In einem offenen Brief im „Kölner Stadt-Anzeiger” hat sich der Kölner Moderator Jürgen Domian an die schwedische Klimaschützerin Greta Thunberg gewandt. Unter anderem sprach er davon, dass über Thunberg kein Mensch sprechen würde, wenn Greta ein 49-jähriger Mann ohne Handicap wäre. Domians Kritik zeigt aber vor allem ein großes Problem der aktuellen Gesellschaft, findet unser Autor. Ein Kommentar.
Die Debatte um den globalen Klimawandel wird extrem emotional geführt. Für diese Feststellung brauchen wir keine Wortmeldung von Jürgen Domian, noch nicht einmal von Greta Thunberg selbst.
Jürgen Domian attackiert Greta Thunberg: Brief ist emotional geschrieben
Um das zu merken, reicht ein simples Vor-Ort-Experiment in der Familie, bei Bekannten oder im Sportverein im Veedel. Einfach das Thema ansprechen, fragen, warum andere in Zeiten der Erderwärmung noch fliegen, Auto fahren oder Fleisch essen. Am besten so, dass es möglichst viele mitbekommen. Und dann warten, was passiert. Es wird emotional, versprochen.
Leider war auch der Brief von Jürgen Domian an Greta (hier lesen Sie mehr) genau das: emotional. Persönlich. Auf Greta fokussiert. Und damit in großen Teilen ziemlich am Thema vorbei. Denn die Art und Weise, wie Domian hier mit Greta umgeht, zeigt ein großes Problem der Gesellschaft: Wir tun uns immer schwerer, sachlich zu diskutieren.
Öffentliche Diffamierungen, persönliche Attacken oder dumme Kommentare sind viel mehr im Trend als die sachliche, zielgerichtete Diskussion über ein Thema – womöglich sogar mit einem Ergebnis, das beide Seiten gut fänden!
Domians Brief zeigt ein Problem: Wir diskutieren nicht mehr sachlich
Gerade in Sachen Klimawandel ist das Problem immer wieder zu beobachten: Wer eine Meinung vertritt, wer etwas ändern will oder einfach nur Dinge anders sieht als der Gegenüber, hat in der Klima-Debatte oft einen schweren Stand. Nicht, weil er von Argumenten überrollt wird, das wäre ja schön. Nein, weil er oft als Lügner, Hysteriker oder Verblendeter abgetan wird. Der Schritt in den persönlichen Bereich ist dann schnell gemacht.
Im konkreten Fall ist es unerträglich, wie Domian komplett vom Klimawandel wegkommt und leichtfertig und dreist Gretas Krankheit in den Fokus stellt. „Kein Mensch spräche über dich”, wenn sie ein 49-jähriger Mann ohne Handicap wäre. Autsch.
Domian gegen Greta Thunberg: Die Krankheit hat mit der Sache nichts zu tun
Denn genau das ist falsch: Wir reden, wir schreiben, wir streiten über Greta. Und zwar nicht, weil sie krank ist. Sondern, weil sie etwas getan hat, eine Bewegung in Gang gesetzt hat, mutig war. Bevor ihre Krankheit (Asperger-Syndrom) überhaupt bekannt war.
Ja, man darf über Greta streiten. Über ihre Art. Und vielleicht auch über ihre familiären (und geschäftlichen) Hintergründe. Aber ihre Krankheit hat mit all dem nichts zu tun.
Wenn Jürgen Domian also selbst so ein „Freund der Natur” und „tiefgrün eingestellt”, ist, wie er selbst sagt, warum ist er dann nicht froh über Greta? Unabhängig von ihrem streitbaren Auftreten hat sie bereits jetzt mehr für die Umwelt erreicht als jede Nation oder Organisation. Nämlich, dass sich – auch auf höchsten Ebenen – mit dem Thema Klimaschutz beschäftigt wird. Das ist eine sachliche Ebene. Domians Brief ist es nicht.
Für die Gesellschaft gilt: Dass die Debatte um den Klimawandel zurück zur Sachlichkeit geführt werden kann, ist unwahrscheinlich. Grundsätzlich sollte das aber der Weg sein, der angesteuert werden muss. Dafür ist jeder Einzelne gefragt.