„Cobra 11“-ProduzentKay Niessen: Ich bringe das große Kino nach Köln
Köln – Mit „Collide“ (Hauptrollen: Nicholas Hoult, Anthony Hopkins, Ben Kingsley) ist der amerikanischste und zugleich kölscheste Actionfilm aller Zeiten entstanden.
Zum Köln-Gespräch trafen wir einen der wichtigsten Macher des hauptsächlich in Köln gedrehten Streifens.
Kay Niessen (39), geboren in Köln, aufgewachsen in Euskirchen, nach BWL-Studium zurück in Köln (Ehrenfeld), wo er sich für eine Karriere in der Filmbranche entschied. Heute ist Niessen Top-Produzent bei „action concept“ (Hürth).
Es gibt diesen berühmten Satz junger Leute: Wollten Sie als Jugendlicher auch „mal irgendwas mit Medien machen?“
Niessen: 1996 fing ich als Praktikant beim Fernsehen an. Es war die Serie „Mordsfilme“ bei Sat1 mit Mariele Millowitsch, produziert von „Colonia Media“. Ich werde nie die Filmtitel vergessen: „Der Mörder meiner Mutter“, „Schwanger in den Tod“ und „Nur eine Hure“.
Sie als ermittelnde Staatsanwältin, gut besetzt. Ich habe Kaffee gekocht, Brötchen geschmiert, ich habe wirklich ganz, ganz unten angefangen – und habe die Straße abgesperrt zwischendurch, in Marienburg auf der Pferdmengesstraße.
Und einmal rief Willy Millowitsch an und wollte seine Tochter sprechen. Ich hatte ihn am Telefon – war mir eine Ehre!
Das ist 20 Jahre her – mittlerweile wird an allen Ecken und Enden gedreht. Nicht allen gefällt das.
Klar – früher haben Leute noch stolz erzählt, dass ihr Auto wegen Dreharbeiten abgeschleppt wurde. Es gibt eine Geschichte, die erzähle ich heute noch vielen.
Einmal kam ich morgens an, und mein Aufnahmeleiter sagte: Als erstes brauchen wir Strom für die Maske. Ja, habt ihr denn ein Kabel? Nö, haben wir vergessen. Dann bin ich nebenan zur Baustelle gegangen, hab mir eine Kabeltrommel geliehen, den Jungs versprochen, dass sie einen Kaffee kriegen, habe das Kabel 50 Meter ausgerollt, und bin zu einem Haus gegangen und habe gefragt: Kann ich Strom haben? Ist für eine Filmproduktion mit Mariele Millowitsch.
Dann hat man mich auf einen Kaffee eingeladen und mir die Steckdose gezeigt. Das wurde mit der Zeit – jetzt ist Köln Deutschlands Serienstandort Nummer 1 – natürlich anders.
Gibt es Grund zur Klage?
Wir haben sicherlich Gründe zu klagen, aber das hat jeder. Es wird halt immer schwieriger für uns. Wir werden eingeklemmt zwischen der Herausforderung, dass wir als Filmunternehmen immer unter dem Kostendruck leiden, weil vor allem die privaten Sender die Programmbudgets immer weiter heruntergefahren haben.
Auf der anderen Seite haben wir als Fiction-Produzenten, die „on location“ drehen, also auf der Straße, in der Innenstadt, auf der Domplatte – tagtäglich den Bürger vor uns. Und der sieht die Stadt vor allem als seinen Lebensraum und nicht als Arbeitsort an.
Auf der nächsten Seite spricht Kay Niessen über „Alarm für Cobra 11“ und den Kino-Deal.
Sie sind seit dem Jahr 2000 bei „action concept“ und lassen dauernd was in die Luft fliegen.
Wir haben einen guten Ruf, weil wir zwar viel kaputt machen, es aber vorher ankündigen und dann auch reparieren. Wir haben inzwischen mehr als 300 Folgen von „Alarm für Cobra 11“ produziert.
Was die Auslandsvermarktung angeht, hat „Cobra“ alle anderen deutschen Formate überholt. Wir laufen in über 150 Ländern, China, Indien, Japan, dazu in jedem kleinen Inselstaat, überall läuft Cobra. In Polen und Tschechien sogar täglich.
Wie kam es zum internationalen Kino-Deal?
Wir waren durch Cobra bekannt wie ein bunter Hund. Irgendwann haben wir angefangen zu überlegen: Was können wir aus dieser Stärke und Qualität, die in Köln über Jahre gewachsen ist, dieser Produktionsmuskel – was können wir daraus machen? Wem können wir das anbieten?
Über acht Jahre lang haben wir in den USA versucht zu akquirieren. Was uns schließlich geholfen hat, war, dass es zu einer Phase kam, in der Hollywood das Geld ausging. Dort gibt es natürlich noch die Megablockbuster, die das Geld noch haben. Aber vielen Produktionen, vor allem den Medium-Budget-Geschichten, gehen die Mittel aus.
Unser Einstieg gelang mit „Rush“ mit Daniel Brühl und Regisseur Ron Howard, wo wir als Coproduzenten angefragt wurden.
Rush, die Verfilmung des Lebens von Niki Lauda....
Ja, nach anfänglichen, sehr kleinen Schritten, waren wir am Ende sehr groß beteiligt. Als Howard nach Köln kam und gemerkt hat, welche Qualität hier vor Ort ist, war er überzeugt und hat uns auch viel machen lassen. Das war der erste große internationale Kontakt in der Liga.
Mit „Rush“ hatten wir den Credit, worauf es in Hollywood ankommt. 2013 haben wir dann während der Filmfestspiele in Cannes „Collide“ akquiriert.
Wie lief das erste Treffen mit den Hauptdarstellern?
Es gab ein allererstes, großes offizielles Essen im Kölner Restaurant Daitokai mit allen Hauptdarstellern, alles von uns organisiert. Auch der größte Action-Produzent aller Zeiten, Joel Silver – er war ja unser Mitproduzent, berühmt für „Matrix“, „Die Hard“, „Unknown Identity“ – flog ein.
Nach dem Essen sind Anthony Hopkins und Ben Kingsley zurück ins Hotel. Joel Silver meinte dann plötzlich, mit den jungen Leuten müssten wir noch was machen. Ich weiß nicht, wie es genau geschehen ist: Auf jeden Fall standen wir plötzlich in der Karaoke-Bar am Ring. Erste Etage, ganz viel Bambus, Thailand-Style. Nicholas Hoult hat auch gesungen! Irgendwann haben die Leute verstanden, wer es ist…
Und dann gab es die Geschichte mit Jennifer Lawrence, noch ein Superstar.
Wir haben zusammen ein Kölsch im „Stiefel“ getrunken. Zu der Zeit hat sie „Hunger Games“ („Die Tribute von Panem“) in Paris gedreht und kam mehrmals hierhin an den Set, um Nicholas Hoult, der damals ihr Freund war, zu besuchen. Sie ist ein ganz natürliches Mädchen.
Im Stiefel kamen irgendwann ein paar Kiddys zu uns und später jemand, der nach einem Foto fragte – mit Nicholas! Also: Sie hat es total genossen, dass sie da einfach in einer Kneipe in Köln mit 200 Leuten stand, die Kölsch trinken.
Auf der nächsten Seite spricht Kay Niessen über kritische Momente beim Dreh.
Gab es kritische Momente beim Dreh in Köln?
Es gab eine sehr heikle Szene, als wir für den Dreh im „Stiefel“ mit allen Stars die KVB an der Zülpicher Straße lahmlegen mussten. Ein massiver Eingriff ins öffentliche Leben.
Wir haben uns damals entschlossen, das auf sehr offenem Weg zum machen, es anzukündigen, die Hintergründe zu erklären. Über die damalige Bürgermeisterin Frau Spizig hatten wir den KVB-Vorstandschef Jürgen Fenske kontaktiert.
Das Schöne ist: Es ist dann zu einem Volksfest geworden. Wir hatten eine Wahnsinnsstimmung am Set, die ganzen Anwohner waren auf der Straße und haben das einfach miterlebt.
Wie viel Hollywood steckt jetzt in Ihnen?
Wir sind Kölner Jungs! Daniel Hetzer, mit dem ich das zusammen mache, war Senior Vice President bei Fox für Internationale Coproduktionen, er ist jetzt aus LA zurückgekehrt. Und auch wenn wir nach China fahren, machen wir das, um die Leute hier hin zu holen.
Mein Lieblingslied ist: „Ich will nicht nach Berlin“. Das trifft’s irgendwie. Denn wenn ich an meine Karriere denke und das, was ich gerade international mache, frage ich mich: Muss ich raus aus Köln?
Köln ist keine Stadt des internationales Kinos. Aber anstatt zu sagen: ich verlasse die Stadt, habe ich mir zur Aufgabe gemacht, das große Kino hierhin zu holen.
Von „Cobra 11“ zu den ganz großen Blockbustern
Nach seinem Studium startete Niessen mit Jobs bei „Colonia Media“, „Zeitsprung“ und „Network Movie“. Im Jahr 2000 stieg er bei „action concept“ ein.
Niessen ist verantwortlich für „Alarm für Cobra 11“, „Der Clown“, „Wilde Engel“ sowie „Lasko – Die Faust Gottes“.
Mit der Schwesternfirma „hands-on producers“ steht Niessen für internationale Produktionen wie „Rush“ und „Collide“ .
Die Projekte „Decoy“, „Mr. & Mrs. Montague“ und „Coolman“ sind in der Vorbereitung.