Das Drama um Willibert PauelsDer Absturz! Wie sich der Büttenstar in die Klinik rettete

Willibert Pauels in seinem Büro: Er schildert die dramatischen Stunden vor seinem Klinik-Aufenthalt.

von Bastian Ebel  (bas)

Köln – Es ist die Lebensbeichte eins Mannes, der anderen Menschen auf der Bühne Spaß vermittelt hat – und in seinem Beruf als Diakon Trost spendete.

Willibert Pauels (60) gewährt in seinem Buch „Wenn dir das Lachen vergeht“, das am Montag erscheint, tiefe Einblicke in seine Seele und erzählt von seinem Kampf gegen die Depression, den „schwarzen Hund“, wie er die Krankheit nennt.

In der großen exklusiven EXPRESS-Serie berichtet der „Diaclown“ dieses Mal über die dramatischen Tage vor seiner Einlieferung in eine Neusser Klinik im Jahr 2012. In diesem Sommer war für Willibert Pauels klar: „Die kommende Karnevals-Session werde ich nicht auftreten können.“

Binnen Stunden mussten über 200 Termine abgesagt werden – der Alltag eines gefeierten Stars in der Bütt musste sich von jetzt auf gleich ändern. Denn mittlerweile hatte er sich vom Karneval abhängig gemacht, bestritt seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit dem Geschäft der fünften Jahreszeit und seinem Solo-Programmen im Sommer.

Damit war es jetzt vorbei, die Grundlage seines Lebens wurde Pauels entzogen: Ein Kraftakt für ihn und seine Familie. Doch die Einsicht, dass sich etwas dramatisch ändern musste gewann Pauels erst, als er sich in die wochenlange Therapie in Neuss begeben hatte. So musste er nach 17 Jahren Karneval ein neues Kapitel aufschlagen.

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„Ich schlug den Kopf an die Wand, wieder und wieder“

Der Urlaub rückte näher. Und wie es der Teufel will: In der Woche vor unserer Abreise griff der schwarze Hund an. Er hatte sich losgerissen, er war nicht mehr zu halten. Ich werde wach, und mir stockt der Atem. Ich ringe um Luft. Ich suche nach einem Grund für meine Panik, nach Unerledigtem, Ärgerlichem, Bedrohlichem, ich durchforste mein Gedächtnis, ich befrage mein Gewissen – nichts. Kein schwelender Konflikt, keine unangenehmen Verpflichtungen, und die Hektik der nächsten Session noch in weiter Ferne. Mithin alles im Lot. Die ganze Panik – selbst gemacht. Und jetzt die Erinnerung, die Gespenster der Vergangenheit. Die Angst vor der Angst.

(...) Wie in einem billigen Horrorfilm hatte ich weinend und schlotternd im Badezimmer gestanden und den Kopf gegen die Wand geschlagen, einmal, noch einmal, noch einmal, immer wieder, bis meine Frau dazugekommen war.

„Was ist denn los?“, hatte sie entsetzt gefragt und den Hausarzt angerufen, was sollte man sonst machen. Der war auch prompt gekommen, aber seine erste Beruhigungsspritze hatte ihre Wirkung verfehlt. Erst nach der zweiten, deutlich höher dosierten Spritze war ich einigermaßen zur Ruhe gekommen.

Ich quäle mich aus dem Bett, ich nehme es mit dem angebrochenen Tag auf, ich tröste mich mit dem Gedanken an den bevorstehenden Urlaub – da werden wir aufleben, Frau Irene, Hund Scarlett und ich, da wird das Gespenst der Depression kapitulieren müssen. (...)

Und da passiert es. Wie heißt es so treffend? Depressionen gibt es auch unter Palmen. Meine Palmen wuchsen in der Nähe von Passau, wo wir mit unserem herrlichen Vierbeiner, mit Scarlett, in einer Pension wohnten, prächtig gelegen.

Aber ich hatte auch meinen inneren Hund dabei, den Höllenhund aus dem Kellergewölbe, der schon seit Tagen frei herumlief. Und jetzt nahm die Depression erst richtig Fahrt auf. Die Panikanfälle wurden heftiger. Die Attacken wurden so schlimm, dass mich der schwarze Hund, wie vor zwanzig Jahren, schon morgens um fünf mit einem gewaltigen Satz aus dem noch dunklen Zimmer ansprang.

Ich wachte auf, und da saßen sie schon auf der Bettkante, die Dementoren, die ungreifbaren Schatten, die einem die Seele aussaugen. Ich konnte fast die Uhr danach stellen: Um fünf Uhr wurde ich wach, den Pyjama von Angstschweiß durchtränkt. (...)

Mitten in der Nacht stöhnte ich laut auf. Was meine Frau natürlich mitbekam. „Willibert, was ist denn los?“ „Ich weiß nicht. Es ist wieder so weit.“(...)

Wir packen die Koffer, wir fahren nach Hause. Daheim schalte ich den Computer ein. Die Mailbox ist randvoll, und sofort stellt sich bei mir der Widerwille gegen die Zumutungen des Alltags ein.

Unüberwindlich, panisch. Jetzt bloß keine Termine, keine Verpflichtungen. Jetzt bloß nicht in Anspruch genommen werden. Jetzt bloß keinen Druck. Trotz Niedergeschlagenheit, trotz Antriebslosigkeit gehe ich daran, ein paar Briefe zu beantworten. Suche in der inneren Leere nach Worten. Quäle mich von Satz zu Satz. Und dann der Zusammenbruch. „Ich kann nicht mehr!“

Mit letzter Kraft wähle die Nummer eines befreundeten Psychiaters – und höre seine Stimme, diese besänftigende, Vertrauen einflößende Stimme eines Menschen, der von Berufs wegen tagtäglich mit solchen Notfällen zu tun hat.

„Willibert“, sagt er, „ich höre deiner Stimme an, was mit dir los ist. Willibert, nochmals: Geh es endlich professionell an. An einem Ort, wo man dir aller Voraussicht nach und mitgrößter Wahrscheinlichkeit helfen kann. Das ist eine Klinik. Die ist dafür gebaut worden.“ Dann nennt er mir mehrere Kliniken. Eine davon ist das Alexianer St. Josef-Krankenhaus in Neuss. Dort will ich hin.(...)

Eine Stunde später gibt er grünes Licht: „Du kannst kommen.“ Irene fährt mich hin. Und zwei Stunden später werde ich eingeliefert. Nein. Eben nicht. Ich werde nicht eingeliefert. Kein Blaulicht, keine Zwangsjacke. Auch kein düsterer wilhelminischer Ziegelbau mit vergitterten Fenstern. Überhaupt nichts, was an den Film mit Jack Nicholson erinnert. „Einer flog über das Kuckucksnest“... Wahrscheinlich gibt dieser Film die Situation in psychiatrischen Anstalten bis in die Siebzigerjahre sogar korrekt wieder. Aber hier spricht nichts für einen Ort des Grauens. Ganz im Gegenteil.