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Der Lange Tünn erzähltWie das Zocker-Milieu Autokönig van de Loo ausnahm

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Willi van de Loo starb 1986 mit 56 Jahren an einem Herzinfarkt. Er gilt als größter Zocker der damaligen Zeit.

von Markus Krücken  (krue)

Köln – Das „Chicago am Rhein“ war ab der 60er bis in die späten 80er Jahre auch ein kleines Las Vegas. Denn im Miljö gab es neben der Zuhälterei, Einbrüchen und Hehlerei auch einen weiteren berüchtigten Zweig: die Zocker-Szene. Im heutigen Auszug von seines Werks „Wenn es Nacht wird in Köln“ schildert der Lange Tünn, wie sich die Manipulationsprofis den größten Spieler schlechthin zur Brust nahmen: Auto-König van de Loo.

Info

Das BuchWenn es Nacht wird in Köln“ - ist im Buchhandel, bei Amazon und unter shop.express.de erhältlich. Das Hörbuch gibt es ebenfalls bequem im EXPRESS-Shop.

Ich habe schon viel von der fröhlichen Welt des Zockens erzählt. Köln war die Stadt des Nachtlebens, der Diskotheken und der illegalen Casinos.

Viele Nachtmenschen waren ziemlich verzockt. Es war der Duft nach dem großen Geld. Manchmal ging es um ein paar Hunderter, manchmal um Tausender, manchmal gar um Hunderttausend. Dabei gab es die verrücktesten Wetten.

Unvergessen: Der Schmitze Billa, Friseur-Weltmeister und Werbekönig ist für eine Wette sogar mal zu Fuß nach Bonn gelaufen – und das halbe Miljö marschierte mit. Es ging um 50.000 Mark. Und die Billa schaffte es tatsächlich. Auch wenn er danach tagelang vor lauter Blasen nicht laufen konnte.

Ein Geschäftsmann mit legendärem Ruf

Was das Miljö immer brauchte, war frisches Geld. Von seriösen Leuten. Die waren für uns alle unbezahlbar. So wie zum Beispiel der Willi van de Loo. Ein Autohändler mit legendärem Ruf. Ein Geschäfts-Genie. Er hatte sogar Mercedes in die Knie gezwungen. Der Willi gewann seinen Prozess, als es ihm gelang, die langen Lieferfristen für die Nobelkarossen zu umgehen. Und jeder Stenz von Köln fuhr eine Limousine mit dem silbernen Aufdruck „Autohaus van de Loo“.

Aber so klug er im Geschäft war, so blöd war er beim Zocken. Er war ein regelrechter Anfänger. Aber er spielte um Hunderttausende. Pro Abend. Wenn er am Stammtisch vom „Le Journal“ eintraf, sprach sich das in Windeseile herum. 30 bis 40 Miljö-Größen standen dann um den Tisch herum. „Ich halte fünf Mille, Willi. Für mich zehn.“ Und so weiter und so weiter. Am Ende des Abends standen da manchmal 500.000 Mark zu Buche. Fein säuberlich von einem „Buchhalter“ notiert. Wer da was zu kriegen hatte.

Er hatte auf Dauer keine Chance

Wir alle waren Fans vom Willi. Tagsüber exportierte er Autos in den Iran und scheffelte Geld ohne Ende. Abends kam er zu uns zum Zocken. Meistens ins Le Journal oder ins Romantica. Mehrmals die Woche war das so – nur sonntags zockte er nicht. Das war sozusagen sein „Ruhetag“.

Natürlich waren da auch Falschspieler am Werk, aber meistens wurde der Willi „auf glatt“ weggeputzt. Er war einfach zu schlecht. Als wenn ein Tennis-Amateur Roger Federer zum Duell auffordern würde. Zocken, das war sein Laster. Und auf Dauer hatte er keine Chance.

Sein Lieblingsspiel hieß „Ekartee“. Ein Räuberspiel mit fünf Karten. In Deutschland nach Glücksspielgesetz strikt verboten. Und Willi verlor und verlor. Aber tut das einem Mann weh, der jährlich einen Umsatz von 50 Millionen ranschafft? Dem van de Loo schon, denn er wollte seine Schuld am nächsten Tag immer wieder runterhandeln.

Ich erzähle mal ein Beispiel. Und da bin ich „lebender Zeuge“. Er hatte an diesem Abend insgesamt 188.000 DM verloren. Unter anderem an den Hein Wachendorf und den Tapeten-Toni. Van de Loo schaute in die Runde und sagte: „Wachendorf und Tapete, ihr beide kommt morgen zu mir ins Autohaus, dann gibt es Geld.“

Die anderen durften nicht mitkommen. Toni sagte damals: „Der beißt uns bestimmt was ab.“ Aber anders als alle dachten. Dann sind sie am nächsten Tag zum Van de Loo. Er zählte die baren Scheine vor. 10, 20, bis 180.000.

Dann machte er stop. „Und die 8.000 sind Rabatt“, sagte er triumphierend. Er glaubte damals wohl, dass die beiden Figuren vor ihm jetzt sauer sind. Dabei wären die schon mit 100.000 zufrieden gewesen. Was der alles verzockt hat – da durfte er ruhig mal abbeißen.

Der manipulierte Roulette-Kessel aus Vegas

Der Ablauf war stets identisch. Van de Loo hatte sein Büro am Bonner Wall. Er selbst wohnte nebenan. Bis mittags pennte er. Er lag bis 12 im Kahn, wenn er unterwegs gewesen war. Sein Schwiegersohn, der Günther Koch, musste ihn wegen der Wettschulden dann meistens morgens wachklingeln. Denn die Figuren standen schon da. Wie gesagt: „Der Säbel“. Oder die Glucke. „Ist der Willi da? Der hat mir Geld geliehen“, hieß es dann.

Und dann gab es Zilles. „Ja stimmt, dem leih ich 20.000 DM, stell ihm mal nen Scheck aus“, sagte van de Loo dem Günther dann. Das waren dann sogenannte Darlehen. Er hat das Geld aus der Firma genommen und den Leuten als Spielgeld gegeben. Manche haben auch ´nen Mercedes genommen, aber die meisten wollten Schecks. Der Willi war ein Segen für uns alle. Es wurde sogar mal ein manipulierter Roulettekessel aus Las Vegas eingeflogen, um ihn auszunehmen. Kein Witz.

Aber was soll ich sagen: Der Mann ist einfach zu früh gestorben. Den hätte ich gerne noch ein paar mal weggeputzt. Ich bin ja selbst der Schlimmste. Einmal hab ich in Aachen in einer Nacht 300.000 gewonnen.

Eine Woche später hatte ich’s im Romantica wieder verzockt. Alles weg. Das Mitleid im Miljö hielt sich in Grenzen.

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