Die letzten Bomben auf KölnAn diesem Tag vor 80 Jahren flogen die Engländer den finalen Angriff

Historische Aufnahme vom zerstörten Köln.

US-Truppen rücken nach den Bombenangriffen im März 1945 durch die Trümmer in Köln vor.

Der 2. März 1945 hat sich sprichwörtlich in das Gedächtnis der Stadt gebrannt. An diesem Tag sind so viele Bomben auf Köln gefallen, wie nie zuvor.

Heinz Pettenberg wird noch zwei Tagebucheinträge schreiben. Dann ist der Zweite Weltkrieg für ihn und viele andere in Köln vorbei.

Doch am 2. März 1945 wird es nochmal gefährlich in Pettenbergs Häuschen in Lindenthal. „Schon um acht Uhr Großalarm“, vermerkt er für diesen Tag: „Schwarze englische viermotorige Nachtbomber fliegen gerade auf unser Haus zu.“ Um in den Bunker der Nachbarn zu laufen, ist es jetzt zu spät, selbst für den Gang in den eigenen Keller reicht die Zeit nicht mehr.

Köln: Zeitzeuge schildert Erlebnisse von Bombenangriff in Kriegschronik

Pettenberg, Redakteur beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ und wegen einer schweren Knieverletzung vom Militärdienst verschont, wirft sich flach auf den Boden: „Dann sind Einschläge da. Beim ersten fliegt das Notglas, beim zweiten gibt es ein Chaos im Haus. Die Fenster und Türen wirbeln ins Zimmer. Deckenstücke brechen herunter. Die Türrahmen liegen. Zwei Bände Weltgeschichte sausen in den Raum.“

Pettenberg, dessen Kriegschronik 1985 als Buch erscheint, wird die Bombenteppiche überleben. Er schafft es doch noch in den Bunker. Am nächsten Tag läuft er durch eine Innenstadt, die noch größere Wunden trägt als ohnehin schon.

262 Fliegerangriffe gab es im Zweiten Weltkrieg auf Köln. Den letzten flog die britische Royal Air Force am 2. März 1945. Es war gleichzeitig der verheerendste. Acht Prozent aller auf Köln abgeworfenen Bomben seien allein an diesem Tag niedergegangen, so Matthias Hamann, Direktor des Kölnischen Stadtmuseums. Rund 800 englische Kampfflugzeuge schossen die Stadt etwa eine halbe Stunde lang sturmreif, um den letzten Widerstand zu brechen. Denn die amerikanischen Truppen stehen bereits kurz vor Köln.

An ein normales Leben ist hier nicht mehr zu denken. Die Schulen sind seit Oktober 1944 geschlossen, die Industrieproduktion liegt weitestgehend still, die Wohnungsnot ist groß. Vor allem alte Frauen und Jugendliche sind in der Stadt geblieben. Kinder sind größtenteils in sicherere Gebiete evakuiert worden, die jüngeren Männer sind im Krieg oder schon tot. Nicht eingezogene Männer zwischen 16 und 60 Jahren werden in den letzten Kriegsmonaten zum „Volkssturm“ verpflichtet, der die Wehrmacht unterstützen soll. Viele kommen, mangelhaft ausgebildet und ausgestattet, dabei ums Leben.

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Paul Brandt ist 14 Jahre alt, als Köln ein letztes Mal bombardiert wird. Mit seiner Mutter und seiner Schwester hat er die Stadt schon 1944 in Richtung Bergisches Land verlassen und sieht nun von Bensberg aus die Bomben auf seine Heimat fallen: „Da haben sie die Trümmer nochmal umgewälzt“, sagt der 94-Jährige. Sein Vater war zu diesem Zeitpunkt bereits als Soldat gefallen. An der Mariengartengasse unweit des Doms hatte er ein Geschäft für Automobilzubehör.

Das Haus samt der elterlichen Wohnung wurde am 29. Juni 1943, dem sogenannten Peter-Paul-Angriff, verwüstet. „Jetzt stand meine Mutter da: keinen Mann mehr, kein Haus mehr, kein Geschäft mehr, nur zwei kleine Kinder und zwei Koffer, das war alles.“ Mit Glück fand seine Mutter eine neue Wohnung in Nippes, bis auch diese den Bomben zum Opfer fiel. Ab Oktober 1944 kam die Familie in Heiligenhaus bei Overath unter.

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Rund 85.000 Kölner seien nach dem 2. März 1945 einem Evakuierungsbefehl von Gauleiter Josef Grohé gefolgt und in das Umland geflohen, sagt Matthias Hamann. Der Rest lebt in Ruinen. „An Verkehr ist nicht mehr zu denken“, schreibt Heinz Pettenberg am 3. März, dem Tag nach dem letzten großen Fliegerangriff: „Noch immer liegt Rauch über der Stadt. Bei der Hahnenstraße beginnt für mich Neuland. Gewaltige Trichter haben die Straße aufgerissen und unterbrochen. Häuser liegen quer über die Straße geworfen.“

Der Neumarkt: von Trichtern zerfetzt. Auch das Wachpersonal des Klingelpütz-Gefängnisses verlässt nun den Arbeitsplatz und lässt die Inhaftierten zurück. Als die Amerikaner am 10. März das Gefängnis öffnen, sind in der Zwischenzeit sieben Gefangene an Hunger und Durst gestorben.

Die US-Armee hat sich von Westen genähert. Am 5. März rollen Panzer über die Aachener Straße Richtung Innenstadt. Am 6. März erreichen sie den Dom. „Damit war die Großstadt befreit, fast ohne Widerstand“, so Matthias Hamann.

Allerdings ist der Krieg im rechtsrheinischen Köln noch nicht vorbei. Am 6. März sprengen Pioniere der Wehrmacht die Hohenzollernbrücke, um dem Feind den Weg über den Rhein zu versperren. Deutsche Soldaten beschießen nun von der „Schäl Sick“ aus über den Rhein hinweg den besetzten Teil. Doch Mitte April geht auch dieses Kapitel zu Ende: Die US-Armee rollt das östliche Köln von Süden her auf, war ihnen doch der Übergang über den Rhein in Remagen gelungen.

Paul Brandt hat schon wieder Glück im größten Elend. 1945 bekommt seine Familie eine Wohnung, die der Kirche gehört. Sie liegt unweit des Domes, der scheinbar unversehrt aus der Trümmerwüste ragt. Das Kriegsende habe er als Erleichterung empfunden, sagt der Kölner: „Meine Jugend war eine schlimme Zeit.“ Sie war geprägt von der nationalsozialistischen Indoktrination des Jungvolks, dem er mit zehn Jahren beitreten musste, und den Schrecken des Kriegs. Bis die Zeiten besser werden, dauert es jedoch noch einige Jahre.

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Zunächst müssen Hunger, Kälte und Berge von Schutt bewältigt werden. Paul Brandt hilft mit beim Wiederaufbau. Beim Freischaufeln der Hohe Straße trifft er Willy Millowitsch und entdeckt bei der Arbeit einen Toten. Die Bänke des Doms, zerstört durch heruntergekrachte Deckengewölbe, darf er zersägen und das Holz zum Heizen mit nach Hause nehmen.

Zur Schule geht er erst 1947 wieder. Er und seine Mitschüler müssen jeden Tag einen Ziegelstein mitbringen, damit die Schule repariert werden kann. Dafür gibt es jeden Tag Suppe: „Wir mussten Kochgeschirr mitbringen, dann bekamen wir in der Schule auch etwas zu essen.“