Diese Ampel-Bettlerinnen und -Bettler in Köln haben eine neue Lücke entdeckt, wie sie zu etwas Geld kommen. EXPRESS erklärt, warum die Situation inzwischen so drastisch ist.
Immer mehr ObdachloseDie traurige Wahrheit hinter dem Ampel-Betteln in Köln
Früher saßen sie vereinzelt an großen Plätzen und hatten ein Schild vor sich: „Bitte um eine Spende“. Dann schnorrten Obdachlose plötzlich vor den Supermärkten.
Inzwischen sind sie überall. Jetzt sogar auf allen großen Ein- und Ausfallstraßen in Köln. Sichtbar für alle Menschen, die Köln besuchen und vor allem für all diejenigen, die in Köln mit dem Auto unterwegs sind.
Köln: Immer mehr Bettelnde an den Ampeln
Fast jeden Morgen und jeden Abend, eben vorzugsweise im Berufsverkehr, stehen Bettelnde an den Ampeln der Hauptstraßen in Köln. Am Verteiler Köln-Süd, auf der Inneren Kanalstraße, am Rheinufer am Zoo oder auf der Bergisch Gladbacher Straße in Mülheim.
Fast alle diese Punkte sind inzwischen besetzt von den Obdachlosen. Aber dürfen die da überhaupt stehen? Ist das nicht gefährlich, wenn sie da auf der Straße betteln? Warum tun Stadt und Polizei nichts dagegen? EXPRESS fragte bei der Stadt Köln nach.
Sprecher Robert Baumanns erklärt dazu: „Da das Betteln nicht aggressiv ist, besteht hier kein Handlungsbedarf seitens städtischer Behörden. Sollte es dabei zu Störungen des Verkehrs kommen, wäre die Polizei zuständig, weil es sich dann um den ‚fließenden Verkehr‘ handelt.“
Doch von dort heißt es: „Wir haben bislang keine Hinweise, dass der fließende Verkehr beeinträchtigt oder gar behindert wird. Dem würden wir im Zweifel natürlich sofort nachgehen.“
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Aber was ist mit dem Geld, das die Obdachlosen dort möglicherweise steuerfrei kassieren? Da wären dann die Steuerfahndung und die Finanzämter zuständig. Doch der Aufwand, die Obdachlosen der Steuerhinterziehung zu überführen, ist ähnlich wie bei den Ampel-Jongleurinnen und -Jongleuren, die ihre Kunststücke zeigen, sehr aufwendig – und lohnt sich nicht.
Linda Rennings (59), Initiatorin von „H.i.K. - heimatlos in Köln“ lebte selbst auf der Straße und kennt die Obdachlosen-Szene wie sonst wohl niemand. Sie sagt zu den Bettelnden an den Ampel: „Not macht halt erfinderisch. Die Leute müssen ja irgendwie Geld schnorren, um zu überleben. Es ist nämlich so, dass die Obdachlosen-Zahlen nach Corona regelrecht explodiert sind.“
„Die geschätzte Zahl von 8000 Wohnungslosen halte ich für extrem untertrieben. Denn nach Corona sind sogar Menschen aus dem Mittelstand, die sich mit einem kleinen Laden selbstständig gemacht haben, auf der Straße gelandet. Die extrem gestiegenen Energiekosten und die Inflation haben nicht nur die ganz Armen getroffen. Das spüren wir auf der Straße.“
Nach Corona hat sich ein Problem in der Obdachlosen-Szene aufgetan. Rennings: „Viele Obdachlose erhalten nicht einmal Sozialleistungen und müssen also irgendwie an Geld kommen. Da wird in der Bahn geschnorrt, vor den Supermärkten, in Fußgängerzonen oder überall, wo viele Menschen unterwegs sind. Doch diese Plätze sind fest vergeben.“
„Wer da als neue obdachlose Person einen Stammplatz belegen will, der kriegt schnell richtig Ärger, da geht es dann auch körperlich zur Sache. Eine gebrochene Hand ist da noch harmlos. Auch die Orte, wo wer Pfandflaschen sammeln darf, sind fest vergeben. Fremde werden nicht geduldet.“
Also mussten sich die neuen Obdachlosen etwas überlegen – und stellten sich auf die Mittelstreifen der Hauptstraßen. Straßenmutti Linda weiter: „Bei diesen Leuten handelt es sich sowohl um deutsche als auch osteuropäische Menschen. Viele ausländische Menschen leben hier unter Brücken und schicken das Geld in die Heimat, um ihre Familienangehörigen zu unterstützen. Sonst würden diese dort schlicht nichts haben.“
Pro Tag benötigt eine obdachlose Person im Schnitt für Essen, Trinken und Duschen in den Unterkünften der verschiedenen Träger zwischen fünf und acht Euro. Denn im Gegensatz zu den Tafeln, wo Essen kostenlos auf Spenden verteilt wird, kostet es bei den Trägern Geld.
Und: „Die Unterkünfte der Träger sind nicht rund um die Uhr geöffnet. Die meiste Zeit leben die Obdachlosen also auf der Straße. Bei Sonne oder Kälte brauchen sie kalte oder heiße Getränke, sie wollen was essen. Leute aus der Alkohol- oder Drogenszene müssen Geld schnorren, um über den Tag zu kommen. Also muss jeder sehen, wie er täglich auf der Straße überlebt“, so Linda Rennings.
Linda Rennings: „Slums werden entstehen und Kriminalität wird steigen“
Die 59-Jährige ist sicher, dass die Situation sich noch drastisch verschärfen wird. „Wir werden erleben, dass vor allem viele ältere Menschen auf den Straßen landen. Die benötigen dann vor allem pflegerische Hilfe. Aber bislang haben wir noch gar keine Strukturen geschaffen, um diese Menschen aufzufangen.“
„Wir werden erleben, dass regelrechte Slums und Zeltstädte entstehen. Die Kleinkriminalität wird deutlich ansteigen. Die Menschen werden Straftaten begehen, um Essen und Trinken zu beschaffen. Bei den verantwortlichen Behörden will man davon (noch) nichts wissen. Aber das wird so kommen. Darauf sollten wir unbedingt vorbereitet sein.“