EXPRESS-Report WohnenStadt, Land, Flucht – viele Familien ziehen ins Umland
Köln – Obwohl Köln wächst und Jahr für Jahr mehr Menschen in die Domstadt ziehen, gibt es auch eine Gegenbewegung, die immer stärker wird – Stadt, Land, Flucht!
Immer mehr Kölner ziehen ins Umland. Zwei Kölner Familien erzählen EXPRESS, warum es ihnen außerhalb von Köln besser geht.
EXPRESS-Report Wohnen: Wird das Veedel unbezahlbar?
Teuer, knapp, heiß begehrt. Wohnungen werden immer knapper.
In Köln werden jetzt schon die teuersten Mieten im Land verlangt. Und Köln ist eine Stadt der Mieter – drei Viertel der Menschen wohnen so.
Und immer mehr Zuzügler zieht es hierher. Laut einer internen Berechnung müsste die Stadt bis 2019 fast 30.000 neue Wohnungen bauen, bis 2030 sogar 65.000 zusätzliche Wohnungen – eine Mammutaufgabe.
Schlägt der akute Wohnungsmangel in eine neue Wohnungsnot um?
Inzwischen ist jede Wohnung, ist jeder Quadratmeter heiß umkämpft. Die Preise explodieren.
Wird das Veedel unbezahlbar?
Die Verdrängung hat schon eingesetzt. Und sie trifft nicht nur den Rand der Gesellschaft.
Die Zukunftsfrage lautet, ob die Mitte der Gesellschaft noch lange in der Mitte der Stadt leben kann. In der neuen Serie beleuchtet EXPRESS die wichtigsten Aspekte rund ums Wohnen in Köln.
Ein Neubaugebiet in Bergheim. Schmucke Einfamilienhäuser, kleine Vorgärten, größere Gärten hinter den Häusern, Garagen. Und vor beinahe jedem Haus steht ein Auto mit Kölner Kennzeichen.
Von Vogelsang nach Bergheim
Hier wohnen auch Christian (42) und Alexandra Schaper (45) mit Sohn Julian (21 Monate). Sie sind gerade eingezogen.
„Wir haben vorher in Vogelsang gewohnt“, sagt Christian Schaper. „69 Quadratmeter, drei Zimmer, Küche, Diele, Bad und 20 Quadratmeter Dachterrasse für 800 Euro Warmmiete.“
Beim Erbbauverein hatten sie seit eineinhalb Jahren einen Tauschantrag für eine größere Wohnung laufen. Keine Chance.
Kitaplätze ebenfalls schwierig
„Und mit einem Kitaplatz für Julian hätten wir nicht vor August 2017 rechnen können. Und wir hätten ihn gleich für 45 Stunden die Woche dort anmelden müssen. 420 Euro im Monat hätte uns das gekostet.“
Und jetzt? 130 Quadratmeter, fünf Zimmer, Küche, Diele Bad, 120 Quadratmeter Garten. Die Schapers sehen nur Vorteile: „Wir haben sofort einen Kitaplatz bekommen – für 170 Euro im Monat. Selbst die Hundesteuer kostet 36 Euro weniger im Jahr“, erklärt Christian Schaper.
Das Beton-Fertighaus hat 261 500 Euro gekostet: „Dafür hätten wir in Köln eine 70-Quadratmeter-Wohnung bekommen.“ 1130 Euro zahlen die Schapers jetzt monatlich für die Abtragung und die Nebenkosten.
Von Köln nach Brühl
Das Ehepaar Maike Rieger (35) und Reza Reissian (32) ist vor einem jahr mit Sohn Emil (18 Monate) von Köln nach Brühl gezogen.
„In Köln haben wir in Sülz in meiner 55 Quadratmeter großen Eineinhalbzimmer-Wohnung gelebt“, sagt Rieger. „Dafür haben wir 800 Euro warm gezahlt. „Und ich hatte noch eine kleine Ein-Zimmer-Wohnung von 30 Quadratmetern in der Innenstadt, die 480 Euro warm gekostet hat“, fügt Reissian hinzu.
Glücklich mit Garten und viel Platz
Eine Dreizimmer-Wohnung mit Balkon hätte sie in Köln immer mehr als 1100 Euro warm gekostet. Viel Geld für eine Erzieherin und einen Koch.
Und jetzt? Eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mitten in Brühl, drei Zimmer, Küche, Diele, Bad, Balkon, kleiner Garten.
„Plus, Waschküche, Autostellplatz, Keller“, sagt Rieger. „Wir zahlen exakt dieselbe Miete, die wir für die Wohnung in Sülz gezahlt haben.“
Familien ziehen weg
Mehr gemeinsamer Platz und noch Geld gespart. Die Linie 18 vor der Tür. „So geht es vielen“, meint Rieger. „80 Prozent der Leute, die ich mit Emil beim Turnen treffe, sind auch aus Köln hergezogen. Die Leute sind hier nach meinem Eindruck entspannter. Im Meldeamt muss man keine Wartemarke ziehen, kein stundenlanges Warten.“
Und die Hundesteuer koste auch nur die Hälfte, sagt Reissian. Brühl sei eine schöne Stadt, es gebe ein Einkaufszentrum und sogar einen sehr guten Burgerladen.
Beide Familien betonen, dass es ihnen schwer gefallen sei, aus Köln wegzuziehen. Bereut haben sie es nicht.
Zoff um Wohnraum in Wesseling
GAG will 444 Wohnungen an einen privaten Investor verkaufen. Mieter in Sorge, die Linke protestiert
Die Kölner Wohnungsgesellschaft GAG besitzt auch im Umland Wohnungen. In Wesseling gibt es jetzt mächtig Zoff.
„Die GAG will hier noch in diesem Monat 444 Wohnungen an einen privaten Investor verkaufen“, berichtet der Fraktionschef der Linken im Kölner Rat, Jörg Detjen. „Sie sollen an einen Rentenfonds gehen, weitere 152 Wohnungen sollen folgen.“
Unsicherheit und Angst
Die Mieter sind verunsichert. „Was der Verkauf an einen Privatinvestor bedeutet, dürfte jedem klar sein“, sagt eine Mieterin. „Gerade noch hat Wesselings Bürgermeister Erwin Esser gesagt, er werde sich verstärkt um sozialen Wohnungsbau kümmern. Er könnte doch gleich mal damit beginnen, bereits bestehenden günstigen Wohnraum zu erhalten.“
Detjen fordert, dass die Wohnungen im Bestand der GAG bleiben: „Diese häppchenweise Privatisierung muss verhindert werden.“
S-Bahn-Anschluss nach Köln bestimmt den Preis im Umland wesentlich mit
Mit dem Wunsch nach Bezahlbarkeit des Heims in Kombination mit überschaubaren Fahrzeiten zum Arbeitsplatz bzw. in die Kölner Innenstadt erklären Experten den aktuellen Erfolg des sogenannten Speckgürtels.
So habe ein Run auf günstige Randlagen eingesetzt, die gleichzeitig infrastrukturell gut erschlossen sind. Eine Autobahn, besonders die Nähe zum S-Bahn-Anschluss nach Köln bestimmen den Preis mit. Dort ziehen die Kurse an.
Das zeigt der Marktbericht der Bezirksregierung: Ein Reihenhaus mittlerer Lage kostet in Köln 530 000 Euro, in Brühl „nebenan“ 404 600 Euro und in Bergheim 272 927 Euro. In Elsdorf sind 258 210 fällig, in Kerpen 231 883 Euro.