Giftanschlag auf Kölner ArztNach Ankündigung des Richters: Angeklagte bricht in Tränen aus

Angeklagte und Anwalt unterhalten sich im Gericht.

Die Angeklagte und ihr Anwalt im Landgericht Köln. Das Foto wurde am 2. September aufgenommen.

Es ist ein Mammutprozess vor dem Landgericht. Es geht um einen mutmaßlichen Mordversuch in besten Kölner Kreisen. Angeklagt ist eine Arzt-Gattin (41).

von Iris Klingelhöfer  (iri)

Köln. Der Fall ist mysteriös und tragisch zugleich. In besten Kölner Kreisen soll ein betagter Mediziner einem Giftanschlag seiner Schwiegertochter zum Opfer gefallen sein. Für den Prozess, der am 30. Juli begann, sind insgesamt 29 Verhandlungstage vorgesehen. Am Dienstag (5. Oktober 2021) verkündete der Vorsitzende Richter etwas, das die Angeklagte in Tränen ausbrechen ließ.

Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet, erklärte der Vorsitzende Peter Koerfers, dass die Richter die Absicht hätten, die sechsjährige Tochter der Angeklagten als Zeugin zu vernehmen. Die Ankündigung war überraschend. Zuvor war erneut der Ehemann (54) der Angeklagten gehört worden. Auf die Frage der Verteidiger, ob er seiner Frau die Tat zutraue, antwortete er mit einem entschiedenen „Nein“.

Giftanschlag in Köln: Fiel Arzt seiner Schwiegertochter zum Opfer?

Die 41-jährige Angeklagte bestreitet die Vorwürfe. Und die sind heftig. Ihr wird vorgeworfen, am 5. Juli 2020 versucht zu haben, ihren damals 80-jährigen Schwiegervater mit einer Überdosis Insulin zu ermorden. Sie soll an jenem Tag gemeinsam mit ihrer Tochter gegen 16 Uhr zu ihrem Schwiegervater gefahren sein. Sie hatte Muffins mitgebracht. Schließlich soll sie dem Arzt laut Anklage über ein Getränk heimlich das Schlaf- und Beruhigungsmittel Tavor eingeflößt haben, um ihn zu betäuben.

Anschließend soll es ihr ein Leichtes gewesen sein, ihrem Opfer 1000 Einheiten der Insulinmittel NovoRapid und Protaphane zu verabreichen. Nachdem sie wieder gefahren war, soll der 80-Jährige einen hypoglykämischen Schock erlitten haben. Dabei sank der Blutzuckerspiegel ins Bodenlose. Er wurde bewusstlos. In dem Zustand fand die Haushälterin den Mediziner tags drauf. Er kam sofort in die Uni-Klinik. Laut Anklage bestand für ihn zeitweilig akute Lebensgefahr.

Köln: Ehemann (54) der Angeklagten als Zeuge vernommen

Der Ehemann der Angeklagten (54) hatte bereits am 24. September 2021 umfangreich ausgesagt. Seine Aussage war mit Spannung erwartet worden, schließlich handelt es sich bei dem mutmaßlichen Opfer um seinen Vater. Mehrfach musste der Richter ihn wieder in die Spur bringen, weil er abschweifte. Er begann mit dem 22. Juni 2020. Sein Vater sei in die Praxis gekommen und habe angegeben, sich schlecht zu fühlen, erzählte er. Es sei dann unter anderem ein EKG gemacht worden, um einen Infarkt auszuschließen. Die Untersuchungen hätten nichts Wesentliches ergeben, so der Zeuge.

Am 3. Juli sei dann der Geburtstag seiner verstorbenen Mutter gewesen. „Unsere Tochter hatte die Idee, die Oma 'zu besuchen'“, so der 54-Jährige. Als er von der damals Fünfjährigen spricht, wischte sich die Angeklagte Tränen aus den Augen. Der Besuch am Grab sei auch mit seinem Vater so abgesprochen gewesen, erzählte der Zeuge weiter. Doch der habe es vergessen, hatte für den Tag Gäste eingeladen. Es sollte Quiche und Champagner geben. Auch ein Buffet war bestellt. Die Verabredung sei dann auf den 5. Juli, 16 Uhr, verschoben worden.

An dem Tag seien seine Frau und Tochter, die zuvor gemeinsam Muffins gebacken hätten, losgefahren. Er sei gemeinsam mit dem kleinen Sohn (damals 2) zu Hause geblieben, weil er sich einem großen Gartenprojekt widmen wollte. „Ich war dann verblüfft, wie schnell die beiden wieder zurück waren“, erklärte er vor Gericht.

Laut Kölner Staatsanwaltschaft lenkte Angeklagte ihre Tochter mit Video ab

Seine Frau habe ihm erzählt, dem Schwiegervater gehe es nicht so gut. Er habe die Tür erst nach langem Schellen geöffnet – zerknittert, so, als habe er geschlafen. Die drei seien dann auch nicht auf den Friedhof gegangen, sondern hätten die Muffins im Wohnzimmer gegessen. Die Tochter sei etwas enttäuscht gewesen.

Laut Staatsanwaltschaft soll die Angeklagte ihre Tochter bei dem Besuch vor das Handy gesetzt haben, damit sie Netflix-Videos guckt. Die Zeit soll sie dann genutzt haben, um ihren Schwiegervater mit Tavor ruhig zu stellen und ihm eine Überdosis Insulin zu spritzen. Die 41-Jährige ist selbst Diabetikerin und soll am gleichen Tag „Überdosis Insulin“ gegoogelt haben. Den Verlauf in ihrem Handy löschte sie später. Ermittler konnten ihn jedoch später wiederherstellen. Der Ehemann vor Gericht: „Meine Frau und ich googeln ständig etwas. “

Kölner Arzt überlebte, ist seitdem aber ein Pflegefall

Was könnte ein mutmaßliches Motiv der 41-Jährigen gewesen sein? Ein anderer Zeuge, der Schwager, hatte im Vorfeld von „einer gewissen Geldnot“ bei der Familie der Angeklagten gesprochen. Das schöne Haus in Top-Lage, in dem die Familie wohnt, gehört dem heute 81-jährigen Senior, wie sein Sohn am Freitag selbst vor Gericht erklärte. Das Opfer hatte überlebt, ist seitdem ein Pflegefall.

Jürgen Graf, Verteidiger der Angeklagten, hält die Vorwürfe für haltlos. Vor Prozessbeginn hatte er gegenüber EXPRESS.de erklärt: „Meine Mandantin ist völlig unschuldig, es gibt kein Motiv, auch hat die Staatsanwaltschaft alle entlastenden Aspekte nicht in Betracht gezogen.“