Extrem-Alpinist Jost Kobusch will alleine auf den Mount Everest – im Winter, ohne künstlichen Sauerstoff. Im Kölner Dom brennt dann für ihn vermutlich wieder eine Kerze.
Im Winter, ohne SauerstoffBergsteiger will alleine auf den Mount Everest – was der Kölner Dom damit zu tun hat
Die Welt denkt jetzt an das 70-jährige Jubiläum der Erstbesteigung des Everests durch Edmund Hillary. Extrem-Alpinist Jost Kobusch, der aus NRW kommt und den Dom im Herzen trägt, will ihm folgen. Nicht im Sommer, sondern im riskanteren, kommenden Winter.
Nicht abgesichert in einer Seilschaft, sondern alleine, ohne künstlichen Sauerstoff in der Todeszone. EXPRESS.de sprach mit dem 30-Jährigen, der am Mont Blanc täglich acht Stunden trainiert, um das Dach der Welt zu erobern.
Jost will alleine auf den Mount Everest: „Ein bedeutungsloser, eisbedeckter Steinhaufen“
EXPRESS.de: Vor 70 Jahren bestieg Edmund Hillary den Everest. Wie sehr bewegt Sie dieses Jubiläum? Was löst dies in Ihnen aus?
Jost Kobusch: „Aufzubrechen ins Unbekannte, etwas zu versuchen, von dem man nicht sicher ist, ob es überhaupt möglich ist, genau diese Exploration ist die Essenz des Alpinismus. Das ist es, was Tenzing Norgay und Edmund Hillary angetrieben hat und genau dieselbe Neugierde treibt mich auch heute an. Mein Versuch, den Everest im Alleingang im Winter zu besteigen, gleicht diesem Aufbruch ins Unbekannte. Es ist ein Projekt, das in den Augen vieler unmöglich scheint.“
Was muss man eigentlich für ein Schlag Mensch sein, wie muss man geschaffen sein, um auf den Everest zu steigen?
„Der Everest ist ein bedeutungsloser, eisbedeckter Steinhaufen. Was ihm Bedeutung verleiht, sind die persönlichen Grenzen, die ein jeder dort versucht zu überwinden. Unser Leben ist so komfortabel wie nie geworden, der archaische Kampf ums Überleben und der damit verbundene Schmerz ist etwas, das wir in unserer westlichen Welt nun bewusst suchen, damit wir uns lebendig fühlen. Ohne Risiko kein Abenteuer.“
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Warum reizt Sie der Mount Everest derart, dass Sie da im dritten Anlauf unbedingt hoch wollen? Und warum gerade im Winter und das alleine?
„Im Winter habe ich den Berg für mich, in seiner Ursprungsform. Der Jetstream kann mit bis zu 250 Kilometern pro Stunde auf den Berg treffen, der niedrigere Luftdruck verleiht ihm eine gefühlte Höhe von etwa 9134 Meter, die Temperaturen sind eisig. Ich bin neugierig. Neugierig darauf, was mich dort oben in der unberührten Wildnis erwartet. Neugierig darauf, was ich als Athlet, als Mensch zu leisten vermag.“
Was ist das generell für ein Gefühl, den Everest zu besteigen?
„Einen so hohen Berg zu besteigen ist, als würde ich mit jedem Schritt Richtung Himmel die Erde ein kleines Stückchen weiter verlassen. Das Blau des Himmels wird immer dunkler, als würde ich in den Weltraum schreiten. Die Umgebung verliert jedes Leben, jeden Geruch, schreit geradezu, dass wir Menschen hier nicht hingehören.“
Bergsteiger Jost: „Meine Mutter zündet immer eine Kerze im Dom an“
Wie gehen Sie mit der endlosen Einsamkeit um?
„Ich bin allein. Aber nicht einsam. Am Berg erzeugt mein Fokus einen meditativen Zustand, in dem ich Ereignisse als Daten wahrnehme. Der Sturm verbiegt mein Zelt so, dass ein Liter Wasser aus meinem umgekippten Kocher im Schlafsack landet. Okay, das ist jetzt halt passiert, was kann ich tun, um die Situation am besten zu lösen? Meine Emotionen sind ausgeblendet. Ich spüre weder Leid noch Freude, ich existiere einfach nur.“
Was machen Sie, wenn Sie da oben sind? Ein Selfie? Ein Jubelschrei? Wie lange wollen Sie da oben bleiben?
„Sollte ich den Gipfel irgendwann erreichen, werde ich dort so wenig Zeit wie möglich verbringen. Denn der Gipfel ist erst die halbe Strecke, der wahre Gipfel ist im Basislager. Wir Alpinisten begeben uns in Gefahr, um nicht in dieser Gefahr umzukommen. Das ist der schmale Grat, auf dem wir uns bewegen. Mein Ziel für die kommende Expedition ist es, die 8000-Meter-Marke zu knacken. Das wäre schon ein Riesenerfolg, da die bisher größte erreichte Höhe im Winter auf dem Westgrat bei 7500 Metern liegt. Ich fokussiere mich bewusst auf dieses Zwischenziel, damit ich Fähigkeiten aufbaue und nicht zu krampfhaft versuche, den Gipfel zu erreichen.“
Man weiß, dass Everest-Expeditionen relativ teuer sind. Was kostet eine Besteigung und wie finanzieren Sie Ihr Leben?
„Die Kosten sind mit einem Kleinwagen vergleichbar. Wenn man, so wie ich, ohne Träger und Sauerstoff unterwegs ist, dann kostet der Kleinwagen natürlich weniger, als wenn man sich für die Luxus-Variante entscheidet. Ich finanziere mein Leben durch Partnerschaften mit Sponsoren, Vorträgen und den Buchverkauf. Mit meiner „Altitude Academy“ unterrichte ich einmal pro Jahr Fähigkeiten für das Höhenbergsteigen.“
In NRW sind Ihre Wurzeln. Haben Sie noch Beziehungen nach Nordrhein-Westfalen?
„Ich bin in Borgholzhausen im Herzen des Teutoburger Waldes aufgewachsen und dort bin ich auch noch häufig. Meine Eltern und meine fünf Schwestern wohnen alle in der Region.“
Waren Sie schon mal in Köln und haben den Dom bestiegen?
„Ich bin mehrfacher erfolgreicher Dombesteiger (lacht). In den hohen Bergen unterwegs zu sein, gibt einem dasselbe Gefühl von Demut, das der massive Dom einem vermittelt. Tatsächlich pilgert meine Mutter vor jeder großen Expedition zum Dom, zündet eine Kerze für mich an. Bisher hat es immer funktioniert.“