Eine Alibi-Agentur hat sich auf Tarnen, Tricksen und Täuschen spezialisiert. Merke: Gerade im Karneval ist man schneller mal in eine Affäre geraten als im Alltag ...
Fremdknutschen an KarnevalAlibis auf Bestellung: Das irre Geschäft von Stefan (48)
Da ist ein bekannter Schwimmer, der sich nicht outen möchte und eine Fake-Freundin sucht. Der Fremdgänger, der immer dienstags seine Geliebte treffen möchte, oder die Frau eines extrem eifersüchtigen Ehemannes, die es einfach nur mit ihren Freundinnen rund um den 11.11. in Köln so richtig krachen lassen möchte – Fisternöllche inklusive!
Sie alle geben viel Geld für ein perfektes Lügenkonstrukt aus. Aber in den vergangenen Jahren hat sich das Spektrum für die Mitarbeitenden einer Alibi-Agentur noch erweitert ...
Alibi-Agentur: Fake-Flyer und Tarn-Telefonate
Wenn man mit IT-Spezialist Stefan Eiben (48) spricht, der vor rund 25 Jahren auf die Idee kam, eine Alibi-Agentur zu gründen, glaubt man bisweilen, der Auferstehung von Münchhausen beizuwohnen. So unglaublich klingt es, was er und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gut ein Dutzend feste und rund 3500 Laien-Mimen, in die Wege leiten müssen, um die Wünsche ihrer Kunden und Kundinnen zu erfüllen.
Darüber hat Eiben jetzt ein Buch geschrieben. „Der Alibimanager: Lügen, Tricksen, Täuschen: Wie ich vielen Menschen aus der Klemme helfe“ (19,80 Euro).
Schon Routine: Alibis für Fremdgänger. „Wir suchen einen Bereich, an dem der Partner oder die Partnerin nicht das geringste Interesse hat und keinen Verdacht schöpft. Nehmen wir etwa Maria, 46 Jahre alt. Sie sagt, sie möchte regelmäßig Babysitten gehen, um sich etwas dazuzuverdienen. Dann gibt es zum Beispiel Anrufe und Whatsapps von der Babyfamilie, die sie ihrem Mann zeigen kann. Umgekehrt: Peter, 55, interessiert sich plötzlich für Modellbau und sagt, dass er viele Messen und Kongresse besuchen wolle. Wir faken Flyer, die er seiner Frau zeigen kann.“
Ganz schön mies, oder? Stefan Eiben schüttelt den Kopf. „So bleibt es oft nur eine kurze, leidenschaftliche Affäre. Wer weiß, wie viele Ehen ohne uns auseinandergegangen wären?“
Überhaupt, sieht Eiben sich eher als Helfer denn als Zerstörer. „Durch Instagram hat sich vieles verändert. Wenn du heute prominent bist und zeigst dich nie mit deinem Partner oder deiner Partnerin auf Instagram, wird schnell getuschelt. Wie etwa bei Sportlern. Wir machen deshalb für einen Schwimmer regelmäßig Fotosessions mit einer lesbischen Frau, die bei uns angestellt ist, aber sich ebenfalls nicht outen möchte. So tauchen immer neue Fotos im Netz auf. Eine Win-win-Situation für alle.“
Seine „neuen“ Arbeitsbereiche, die immer größeren Umfang einnehmen, stimmen den Alibi-Manager aber selbst nachdenklich:
- Klingt verrückt, aber „unsere Schauspieler werden jetzt zu Geldeintreibern, wenn jemand sich vom Kumpel Geld – beispielsweise für ein Start-up – geliehen hat und partout nicht zurückzahlt.“ Wie bitte, Schlägertrupps können doch nicht legal sein? Er winkt ab. „Nein. Wir erkunden das Umfeld des Schuldners, stellen ihn dann vor seinen Kollegen, auf dem Fußball- oder Golfplatz, zur Rede. So nach dem Motto: Sie wissen schon, dass Sie Herrn Müller noch 30.000 Euro schulden. Wenn das zweimal passiert, zahlen fast alle.“ Auch an seine Agentur, denn je nach Aufwand lässt Eiben sich den Einsatz mit 30 bis 50 Prozent der säumigen Summe vergüten.
- Schlimm ist auch die Angst um den Arbeitsplatz, der manch einen zu ungewöhnlichen Mitteln greifen lässt. „Es gibt Menschen in Führungspositionen, die nicht zugeben wollen, dass sie über Wochen wegen einer Krebserkrankung oder Burnout ausfallen. Sie nehmen offiziell ein Sabbatical. Dann schicken unsere Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen aus aller Welt Schnappschüsse ins Büro, oft auch mit der Person ins Bild montiert.“
- Manchmal ist aber auch Scham Auslöser für die seltsamsten Aktionen. „Einem Mann, der am Fließband arbeitete und seinen Eltern vorgaukelte, einen tollen Bürojob zu haben, haben wir ein kleines Office mit Mitarbeitenden organisiert samt Arbeitsplatz, als seine Eltern ihn besuchen wollten. Die haben ihn mit Handschlag begrüßt.“
Ein Alibi auch für umtriebige Frauen auf „Onlyfans“
Manchmal seien es zufriedene Ex-Kunden oder -Kundinnen, die bei Aktionen mitspielen.
Es gebe auch immer mehr Frauen, denen man eine „Zweitidentität“ organisiere, weil sie auf der Plattform „Onlyfans“ Unmengen an Followern haben, viel Geld mit erotischen Fotos und Videos verdienen, aber ihrem Umfeld einen seriösen Beruf mit Visitenkarte, Nennung auf der Firmen-Website und Gehaltsnachweisen vorspielen.
Eiben verdient gut daran, lebt in einem Häuschen in Spanien, Blick aufs Meer. Hat er schon mal ein Alibi gebraucht? Er schüttelt den Kopf: „Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass man sich ruhig öfter trauen sollte, die Wahrheit zu sagen.“