Interview

KlartextEinheitsbrei und zu viel Party – „Köln ist nicht der Nabel der Welt“

Sänger Sepp Ferner von der Band Die Cöllner.

Auf der Bühne fühlt sich Sepp Ferner wohl. Der Frontmann der Cöllner blickt auf 20 Jahre Karnevalserfahrung zurück.

Seit zwei Jahrzehnten tritt der gebürtige Österreicher Sepp Ferner im Kölner Karneval auf. Mit seiner Band Die Cöllner landete er einige Hits. Im Interview blickt er auf die Veränderungen in der jecken Szene.

2007 erfüllte sich der gebürtige Österreicher Sepp Ferner aus Saalbach-Hinterglemm einen Traum – er gründete eine kölsche Band mit dem Namen Die Cöllner. Und direkt der erste Titel „Die Winzerin vom Rhein“ wurde ein Hit und über die Grenzen von Köln bekannt.

EXPRESS.de sprach mit dem Musiker, den es wegen der Liebe ins Rheinland verschlagen hat.

Sepp Ferner: Lob von Peter Brings bedeutete mir sehr viel

Wie fing die Geschichte des Österreichers, der bei der Bank in Köln arbeitet und parallel auf der Bühne steht, an?

Sepp Ferner: Angefangen hat alles mit der Liebe zu meiner Frau. Ich wollte immer in einer kölschen Band singen. Das Problem war nur, ich habe weder die Sprache gesprochen noch verstanden. Dank unzähliger Bläck-Fööss-Platten, die ich rauf und runter gehört habe, und einer gehörigen Portion Ehrgeiz, habe ich die Sprache gelernt und gleichzeitig meine neue Heimat gefunden.

Wann fanden die ersten musikalischen Schritte in Köln statt?

Sepp Ferner: Angefangen habe ich 2004 mit Dirk Bräutigam. Da haben wir damals das Mottolied zusammen mit den Klüngelköpp gespielt. 2007 folgte die Gründung der Cöllner. Ich bin damit der perfekte Vorzeigeimmigrant. Peter Brings hat mal zu mir gesagt, dass ich besser Kölsch sprechen würde als so mancher Kölsche. Da bin ich bis heute sehr stolz drauf.

Wie sind die Hits wie „10 Meter geh‘n“, „Angelina“ oder „Die Nummer 1 vom Rhein“ entstanden?

Sepp Ferner: Die meisten Songs von uns stammen aus der Feder von Burkhard Kaiser. Er ist unser ruhender Pol und feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bühnenjubiläum. Unser Kaiser hat in dieser Zeit sehr viel zum kölschen Liedgut und Brauchtum beigetragen.

Sepp Ferner beim Interview mit EXPRESS.de.

Cöllner-Frontmann Sepp Ferner blickte im EXPRESS.de-Gespräch auf die bisherige Karriere der Band zurück.

Hat sich der Karneval in den vergangenen Jahren verändert?

Sepp Ferner: Der Karneval hat sich komplett geändert. Damals gab es gefühlt zehn Bands und heute gibt es unzählige gute kölsche Bands. Es ist alles jünger und wilder geworden. Nichtsdestotrotz sind wir traditionell geblieben und haben uns nicht verbiegen lassen, obwohl uns viele gesagt haben, wir müssten Musik wie Cat Ballou oder Kasalla machen.

Wie sieht es mit den Sitzungsprogrammen aus?

Sepp Ferner: Wenn du in Köln auf fünf Sitzungen gehst, hast du Kasalla, Cat Ballou, Brings, Höhner, Bläck Fööss, Paveier, Domstürmer und Klüngelköpp. Die bucht jeder, was zur Folge hat, dass, egal welche Sitzung man besucht, die Programme gleich sind. Wir spielen auch in Köln, aber nicht bei den großen Traditionskorps, sondern bei den kleineren Gesellschaften und natürlich bei all den vielen Vereinen außerhalb von Köln.

Ärgert es eine Band wie die Cöllner, dass immer nur die gleichen Bands gebucht werden?

Sepp Ferner: Nein, ich kann es ja nicht ändern. Ich habe zwar schon vor Jahren gesagt, dass die Literaten mutiger werden müssen, aber es ändert sich nichts. Was wäre so schlimm daran, wenn neben zwei, drei Zugpferden auch mal eine andere Band oder eine Nachwuchsband auf der Bühne stehen würde. Hinzu kommt, dass heute jede Band 30 Minuten spielt, das gab es vor ein paar Jahren noch nicht. Da haben wir 15 Minuten gespielt, Zugabe und dann kam ein Redner. Mir geht es nicht darum, ob ich jetzt in Köln spiele, denn wir spielen überall gerne. Unsere Devise ist einfach: Ein Jeck in Erftstadt, in Bonn oder Bergisch Gladbach ist genauso viel wert, wie ein Jeck in Köln.

Bandfoto der Gruppe Die Cöllner.

Die Cöllner treten seit 2007 im Kölner Karneval und über die Grenzen hinaus auf.

Wenn eine Band oder ein Redner sagt, dass er viel im Umland auf der Bühne steht, heißt es direkt, dass er für die Kölner Bühnen nicht gut genug sei.

Sepp Ferner: Das Umland ist nicht weniger wert als Köln. Gehen die großen Bands ins Umland, dann sagen alle, oh toll, dass die da auch hinfahren. Bist du eine Band, die in Köln nicht ganz so viel stattfindet, wird der Begriff Umland sofort abwertend benutzt. Allein das Wort Umland, als wenn die Menschen ausgesiedelt worden wären und irgendwo im Ghetto leben würden. Wir spielen alle im Rheinland und nicht im Umland. Köln ist nicht der Nabel der Welt.

Was hat sich noch im Karneval geändert?

Sepp Ferner: Meiner Meinung nach ist das Zuhören in den letzten 20 Jahren verloren gegangen. Du wirst heute von einem Literaten nur danach bewertet, ob die Leute bei deinem Auftritt auf den Stühlen stehen und Rambazamba machen. Wenn die Leute nur zugehört haben, bist du schlecht. Alle Bands, egal ob die kleinsten oder die ganz großen, lassen sich jedes Jahr neue Songs einfallen. Da ist doch das mindeste, was man erwarten kann, Respekt. Genauso ist es mit dem Nachwuchs. Wenn du den Nachwuchs nur immer unten herumschwimmen lässt, können sie sich nicht entwickeln.