„Was kommt als Nächstes?“Kölner Redner trifft mit Zeilen zu lauten Sälen im Karneval einen Nerv

Jörg Runge am Mittwoch (11. Januar) auf der ZDF-Mädchensitzung im Theater am Tanzbrunnen.

Jörg Runge alias „Tuppes vom Land“ bei der ZDF-Mädchensitzung.

Klare Worte zum Thema Respekt in der Bütt im Kölner Karneval: Jörg Runge alias „Tuppes vom Land“ hat mit einem Post für Aufsehen gesorgt.

von Bastian Ebel  (bas)

Sie waren eine Stütze im Corona-Karneval: Die Riege der Rednerinnen und Redner im Kölner Karneval sorgten zum Beispiel in vielen Kneipen dafür, dass die Menschen ihre Sorgen vergessen konnten. Das Publikum hing an ihren Lippen.

Und ein Jahr später? Ist eine Diskussion darüber entstanden, ob das Publikum in Teilen nicht doch zu unaufmerksam ist und den Auftretenden etwas mehr Respekt entgegenbringen sollte.

Jörg Runge hat sich dazu Gedanken gemacht: Als Reimredner „Tuppes vom Land“ gehört er längst zur Bütt-Elite und ordnet ohne Schaum vor dem Mund die Dinge ein.

Mit einem Post auf Facebook hat er nun einen Nerv getroffen. Im Gespräch mit EXPRESS.de sagt er: „Ich hoffe, dass ich meine Liebe zum Fastelovend ausdrücken konnte und warum ich die eine oder andere Diskussion für übertrieben halte“. Das hat er geschafft!

Köln: Tuppes vom Land über Respekt im Karneval

„Diese Diskussion halte ich für überhitzt und geht für mich am eigentlichen Thema vorbei. Ich habe dazu, und das wird manche nun vielleicht erstaunen, eine etwas andere Sicht auf die Dinge. Auch wenn ich mit meiner Reimrede zu den leisen Vertretern im Fastelovend gehöre, erlebe ich die Säle weitestgehend als aufnahmefähig, wertschätzend und bespielbar“, so Runge auf Facebook.

Der Redner sagt, er sei auf vielen unterschiedlichen Sitzungsformaten. „Darauf gilt es sich einzustellen. In manchen Sälen geht es lebendig zu und da musst du als Redner ziemlich hart arbeiten, um dein Publikum zu begeistern bzw. gehört zu werden. In den allermeisten Fällen gelingt dies jedoch, selbst auf die Gefahr hin, dass nicht alle im Publikum davon was mitbekommen. Aber das geht völlig in Ordnung. Ein Festzelt ist kein Schweigekloster und ein Sitzungssaal kein Ort zum Meditieren.“

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Runge weiter: „Darüber hinaus wird heute so getan, als sei es früher in den Sälen mucksmäuschenstill und für Redner geradezu ein Paradies gewesen. Da sollte man sich nur mal die Aufzeichnungen alter Sitzungen anschauen und einmal bewusst auf die Geräuschkulissen achten. Leise war das auch da schon nicht.“

Aber woran liegt der Eindruck, dass es heutzutage angeblich besonders laut ist? Jörg Runge versucht, sich das so zu erklären: „Wenn ich auf ein Sitzungsplakat hauptsächlich nur Bands schreibe, dann ziehe ich damit automatisch ein Publikum in die Säle, was genau darauf abfährt. Wenn das Line Up einer Sitzung einem kölschen Musikfestival gleicht, dann darf man es dem Publikum doch nicht verübeln, wenn es genau ein solches erwartet.“

Damit vergraule man diejenigen, die auf die Rede im Kölner Karneval stehen würden. „Wenn etwas nicht mehr zeitgemäß ist, dann sind das definitiv nicht die klassischen Sitzungsformate, sondern der immer noch nicht ausgestorbene Weinzwang in manchen Sälen. Menschen, die das ganze Jahr über keinen Wein trinken, werden das nicht ausgerechnet am Sitzungstag ändern, sondern sich ihr Kölsch im Foyer holen. Ergebnis: Rennerei im Saal.“

Lesen Sie hier das komplette Statement auf Facebook:

Und er geht auf Handys in Sitzungen ein: „Unsere Gesellschaft ist zwar ständig in Kontakt, aber immer seltener in Verbindung. Oftmals noch nicht einmal zu sich selbst. Wie soll da ein schönes Gemeinschaftsgefühl am Tisch entstehen, wenn jeder permanent und parallel zum Sitzungsgeschehen mit anderen Dingen beschäftigt ist? Lasst doch die Smartphones einfach mal zu Hause und kommt mit anderen Gästen ins Gespräch. Nirgendwo geht das so leicht, wie im Karneval“.

Jörg Runge nennt noch mehrere Punkte, die man einfach abstellen könnte. Zum Beispiel die Sitzungsleitung, die ihr eigenes Programm nicht kennt oder die Technik: „Ein lautes Zelt ist kein Problem, wird aber zu einem, wenn man am falschen Ende spart und ein Mikrofon auf die Bühne stellt, das aus den Tiefen eines Kinderzimmers entsprungen zu sein scheint. Alles schon erlebt.“

Köln: Jörg Runge sieht Problem in der Gesellschaft

Und dann sei da noch die „sicher gutgemeinte Aktion“ Ruhe im Saal – mehr Respekt für Redner. Runge dazu: „Was kommt als Nächstes? Helfen Sie Ihrem Redner über die Straße? Ich bremse auch für Redner? Wie wäre es mit: Mehr Respekt füreinander?! Für alle! Respekt ist außerordentlich kostbar und es täte unserer Gesellschaft insgesamt gut, wenn wir diesen einander wieder mehr entgegenbrächten.“

Er schließt seine Zeilen so: „Es ist Karneval und ich empfinde tiefe Dankbarkeit, dass das Leben endlich zurück ist. Und wenn es mal lauter ist in den Sälen: Genießt es doch einfach. Es gab schließlich eine Zeit, da war es nämlich unerträglich still und die nannte sich Lockdown. Das möchte ich persönlich nie wieder erleben. Da setze ich mich lieber auf den Bühnenrand und schaue mir die Menschen an, die endlich wieder da sind, wo sie sein sollen. Und wenn sie noch so laut sind.“