Wie ist die Session 2023 im Kölner Karneval verlaufen? „Viel heiße Luft“, sagt unser Autor. Eine Analyse von EXPRESS.de.
Karneval 2022/2023„Viel heiße Luft“: Die große Analyse zur Kölner Session
Um die Session 2022/23 zu beschreiben, versetzen wir uns mal kurz ein Jahr zurück: Zugangsbeschränkungen, Mund-Nasen-Schutz, Kriegsausbruch, Unplanbarkeit. Damit können Sie jetzt nichts anfangen? Die Jecken in Köln schon.
Denn die Jubiläumssession 2022/2023 kann getrost unter „Zwischen-Karneval“ in die Geschichte eingehen: Auf der einen Seite konnten viele Vereine noch im Oktober 2022 nicht richtig planen, auf der anderen Seite kehrten viele Menschen wieder zurück zu einer Veranstaltung.
Köln: Karneval ist wieder da, aber gemeckert wird immer
Viel heiße Luft wurde deshalb schon im Vorfeld verschwendet: Kommt der Karneval wieder? Hat uns die Krise so schwer getroffen, dass die Vereine sterben? Klare Antwort: Nein! EXPRESS.de listet an Aschermittwoch die Tops und Flops auf.
Das Dreigestirn: Wer ein Paradebeispiel für Bodenständigkeit und die Liebe zum Kölner Karneval erleben wollte, musste sich Prinz Boris, Bauer Marco und Jungfrau Agrippina ansehen. Mut zu einem offenen Wort, Lust auf Karneval machen, die Schattenseiten des Stadtlebens aufzeigen und ganz nebenbei noch die Menschen auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle mitnehmen: Das war das Kölner Dreigestirn der Roten Funken. Tolle Jungs, die Köln begeistert haben.
Leere Säle: Ja, die gab es. Aber was ist denn schon leer, siehe Session 2021/2022? Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation in Sachen Inflation entwickelt. Bei einer Auslastung von 80 Prozent jetzt schon von Krise zu sprechen, ist ebenfalls „heiße Luft“. Klar, die Vereine müssen wirtschaftlich arbeiten und manch einer sein Konzept überdenken. Aber in dieser Zwischensession darf man auch einmal froh darüber sein, dass die Menschen überhaupt zurückgekehrt sind. Diejenigen, die gekommen sind, haben rauschende Abende mit einer ganz besonderen positiven Stimmung erlebt.
Künstlerinnen und Künstler: Zwei Jahre Pause und dann das: Wer geglaubt hat, dass sich die Künstlerinnen und Künstler erst einmal eine Anlaufzeit für den Fastelovend gönnen, hat sich gewaltig geirrt. Vor allen Dingen in der Bütt gab es vom 6. Januar an Höchstleistungen am Stück.
Die Musik tat ihr Übriges, um den Menschen Freude zu bereiten. Besonders schön auch die Rückkehr der Tanzgruppen. Macht bitte alle weiter so, denn die Menschen auf der Bühne prägen dieses Fest – und da hat Köln Champions League zu bieten.
Frauen-Debatte: Immer richtig und wichtig, aber die Brechstange ging vielen Menschen – Männern und Frauen – gewaltig auf den Keks. Die irre Posse um „Blootwosch, Kölsch un e lecker Mädche“ an einer Hotel-Bar oder Frauen im Kölner Dreigestirn: Der Karneval feierte seine erste Session nach Corona – und schon ging die Meckerei los. Das wollten viele nicht, denn für die Mehrheit war der Moment des Augenblicks entscheidend, keine gesellschaftlichen Debatten.
Rosemontagszug: Schade, auch dort viel heiße Luft um nichts. Denn eingefahrene Jecke haben nicht verstanden, dass der Startpunkt in Deutz nichts damit zu tun hatte, dass der Zoch sehr lange unterwegs war. Pannen passieren halt – fernab der geographischen Lage. Anders wird ein Schuh draus:
Das Team des Kölner Rosenmontagszuges und die Menschen am Straßenrand haben dafür gesorgt, dass aus Köln bunte Bilder in die Welt geschickt wurden. Bilder von Frieden, von Zusammenhalt und von einer Stadt, die auf beiden Seiten des Rhein zusammensteht. Gemeckert wird – typisch deutsch, könnte man sagen – naturgemäß immer. Die Zugleitung darf sich trotzdem auf die Schulter klopfen und sollte sich davon nicht beirren lassen.
Das Jubiläum: Mal so, mal so. Es gab Vereine, die haben es übertrieben. Und es gab Vereine, die einen wunderbaren Mix gefunden haben. Grandios zum Beispiel die Idee der Nubbelverbrennung von „Die Große“ und den Roten Funken auf dem Roncalliplatz.
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Zülpicher Straße: Kann man Jugendlichen einen Vorwurf machen, nach Jahren der Entbehrung zu feiern? Nicht wirklich. Der Kölner Karneval war der Anlass, aber nicht der Grund für die Auswüchse. Dass diese Szenen dann überregional immer als Sinnbild des Kölner Karnevals hergenommen werden, ist wieder einmal „heiße Luft“.
So etwas zu behaupten zeugt von null Ahnung. Der Karneval ist bunt und integrativ. Zahlreiche karitative Institutionen würden beispielsweise ohne die Spenden aus dem Karneval das Restjahr gar nicht überstehen. In Sachen „Zülpi“ hat die Stadt gut reagiert und es wurde Personal aufgestockt. Wenn es heutzutage nur durch mehr Sicherheitspersonal geht, dann ist das so. Das kann man traurig finden, aber es waren gute Maßnahmen.
Ehrenamt: Ein Faktor, der einfach permanent unterschätzt wird. Tante Margot schmiert das Mettschnittchen, Opa Helmut besetzt die Abendkasse und Physio Wilfried richtet ohne Geld die Gelenke der Tanzgruppen. Nur drei Sinnbilder, ohne die der sehr kommerzielle Kölner Karneval nicht einen Tag überleben würde. Menschen hinter den Kulissen tragen dieses Fest auf ihren Schultern. Sie machen das ohne Aufsehen, aber mit ganz viel Herzblut. Bravo!
Jecke: Sie haben die Session zu dem gemacht, was sie war. Einzigartig! Ohne die Menschen, die bunt verkleidet den Kölner Karneval feiern, ist das Fest so langweilig wie nur irgendwas. Dass sie wieder da sind, hat ein buntes Bild ergeben. Es wird vielen Menschen so ergehen: Die Gesellschaft ist in einer schwierigen Lage, aber vielleicht war es der Kölner Karneval, der sie wieder ein bisschen näher zusammengeführt hat. Es wäre uns zu wünschen. Tschö Karneval 2023, do wors jot!