Vor 100 JahrenKarnevals-Verbot in Köln: Als das Jeck-Sein als „Psychose“ galt

Historische Aufnahme des Rosenmontagszugs in Köln.

Der Kölner Rosenmontagszug am 11.Februar 1929, Hohe Pforte Ecke Mühlenbach

Karneval ist aus Köln nicht wegzudenken. Es gab aber eine Zeit, in der das nicht so gewesen ist.

von Ayhan Demirci  (ade)

Köln am Rhein vor 100 Jahren, die Metropole des Westens in den Wirren der Weimarer Republik: Wie war das damals, in den aufregenden Zeiten des Umbruchs und Aufbruchs, die sich mit demokratischen Hoffnungen verbanden, aber letztlich in die Nazi-Diktatur und den Untergang führten? Mit einem neuen historischen Buch legt der Greven-Verlag eine umfassende und pointierte Erzählung vor.

Es ist der mittlerweile zwölfte Band der Reihe „Kölner Stadtgeschichte“ im Auftrag der Historischen Gesellschaft zu Köln. Mit „Köln in der Weimarer Republik – 1918 bis 1933“ hat Christoph Nonn, Professor für Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, ein gerade in dieser politisch angespannten Phase deutscher Politik bedeutsames Buch geschrieben (492 Seiten, 60 Euro).

Köln vor 100 Jahren: Karneval galt als „Verfall der Zivilisation“

Es überrascht auch mit bunten Episoden – ein kleiner Auszug! Thema Karneval: Die im Ersten Weltkrieg über das deutsche Kaiserreich siegreichen Briten hatten als Besatzer in Köln ihr Hauptquartier bezogen – jeckes Treiben duldeten sie nicht.

Und das ganz im Sinne der damaligen Kölner Kirchenspitze. Denn als Mitte der 1920er Jahre Sitzungen und Kostümbälle wieder zugelassen wurden, so schreibt Autor Nonn, wandte sich der Kölner Erzbischof Karl Joseph Kardinal Schulte strikt dagegen.

In einem „geharnischten Schreiben“, das Sonntag nach Weihnachten 1924 „von allen Kanzeln katholischer Kirchen verlesen wurde“, forderte Schulte von den Gläubigen, Karneval solle nicht gefeiert werden. Der „Kirchliche Anzeiger“ erläuterte die Gründe: Karneval sei eine „Psychose“, stehe für den Zerfall der Zivilisation, sei ein „Bolschewismus der Straße“, ein Feiern, dem „Geist und Inhalt“ abgehe.

Tatsächlich überwachten Stadt und Polizei eine Zeit lang Karnevalsveranstaltungen. Letztlich blieb die Geschichte aber eine Episode. Ab der Session 1927/28 fanden wieder Umzüge und Straßenkarneval statt.

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Thema Konrad Adenauer: Der prägte als Oberbürgermeister seit 1917 maßgeblich die Entwicklung der Stadt. Das Buch macht deutlich: Adenauer war ein Rastloser, eine absolute Führungskraft – einerseits.

Autor Christoph Nonn lässt aber auch einige scharfe Spitzen gegen den späteren deutschen Bundeskanzler. Der habe sich „pingelig“ um „völlige Kontrolle“ der 20.000 Beschäftigten der Stadtverwaltung bemüht, habe selbst wegen Unkraut an Bahngleisen oder einem im Dienst rauchenden Rathauspförtner „umfangreiche Schriftwechsel“ geführt. Angesichts der gegenwärtig in Köln beklagten Verwahrlosung würde sich heute wohl mancher Bürger genau so einen Adenauer wünschen!

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Die Schwerpunkte der Betrachtung liegen auf dem Modernisierungsschub, der die Stadt erfasste, dem Glanz der „Goldenen Zwanziger“, aber natürlich auch auf der eintretenden Inflation, der Wirtschaftskrise und der zuletzt immer stärker werdenden NSDAP, die mit der Machtergreifung 1933 auch Adenauer aus dem Amt jagte.

Für Interessierte: Am Donnerstag (20. Februar, 19 Uhr) reden Autor Christoph Nonn und Richard Bessel, Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der University of York (England) in einem Podiumsgespräch über die Gefährdung der Demokratie in Weimar wie heute in der Bundesrepublik, in der wir den Aufstieg des Rechtspopulismus erleben (Karl-Rahner-Akademie, Jabachstr. 6, Eintritt: sechs Euro)