„Kölner Zeitreise“Narrenkrieg um eine Nackte

Narrenkrieg_um_eine_Nackte

So titelten wir am 20. Januar 1971: FK-Präsident Ferdi Leisten hat gerade Nacktauftritte im Kölner Karneval verboten.

Köln – Skandal bei der Herrensitzung der Großen KG von 1823! Am 16. Januar 1971 legt Bauchtänzerin Semiramis zur Freude der anwesenden Herren einen Striptease hin.

Am Tag danach tobt in Köln der Sturm der Entrüstung: Festkomitee-Präsident Ferdi Leisten sieht das kölsche Brauchtum in Gefahr. Sogar der amtierende Bürgermeister Theo Burauen schaltet sich ein in diesen „Busen-Skandal“.

Bei nackten Tatsachen hört der Spaß auf! Hermann Forstbach, Präsident der Großen KG von 1823 hat zu seinem Herrenabend die Tänzerin aus dem Kölner Nachtclub „Chez Nous“ eingeladen.

„Ich wollte meinen Narrenbrüdern mit der gut gewachsenen Bauchtänzerin einen ästhetischen Genuss bereiten“, erklärt er später in unserem Blatt. „Die Herren waren begeistert!“

Schnell erregt das Thema Aufmerksamkeit

Der Kater kommt drei Tage später: Beim Präsidenten-Vorstellabend des neuen Kölner Dreigestirns wird Semiramis’ blanker Busen zum Politikum.

Wir berichteten am 20. Januar darüber, dass Festkomitee-Präsident Ferdi Leisten die Geschichte um die nackten Brüste eilig auf die Tagesordnung gesetzt hat.

„Der kölsche Karneval ist ein altes Brauchtum. Da haben Striptease und Frauenbusen nichts verloren“, wettert er. Hansgeorg Brock, Präsident der Roten Funken, widerspricht: „Davon wird doch unser beliebter Karneval nicht bedroht.“

Forstbach bricht noch mal eine Lanze für seine „Chez Nous“-Entdeckung: „Sie hat doch eine so schöne Figur!“

Heinz-Helmut Simon, Präsident der Großen Kölner, sieht neben der Brauchtumsbedrohung indes sogar noch eine andere, nicht zu unterschätzende Gefahr: „Wir dürfen dem Nachtgeschäft keine Konkurrenz machen.“

Dies war nicht das erste Mal

Bereits ein Jahr zuvor hat es einen „Nackt-Angriff“ auf den kölschen Fasteleer gegeben: Das Altstädter-Tanzmariechen Christel Gogoll hatte sich mit nacktem Busen ablichten lassen.

Getreu dem Motto „Von Zoten frei die Narretei“ wurde sie samt ihrem Mann, dem Tanzoffizier, von Präsident Fritz Figge gefeuert.

„Trotzdem wünsche ich dem ehemaligen Tanzmariechen Christel alles Gute auf dem weiteren Lebenswege, denn sie hat ja, ehrlich gesagt, keine schlechte Figur“, diktiert Figge noch schnell in die Blöcke der Journalisten.

Christel Gogoll steht wenig später im Senftöpfchen auf der Bühne und spielt im Stück „Der Mustergatte“ das Kammermädchen Mary. Oben ohne. Und nicht wenige der Herren Präsidenten sind um eine persönliche Inaugenscheinnahme bemüht.

FK-Präsident Leisten erinnert an ebenjene blamable Geschichte und schreibt seinen KG-Kollegen folgenden Satz ins Stammbuch: „Nacktauftritte darf es im Fasteleer in Zukunft nie, nie, nie wieder geben.“

Bauchtänzerin Semiramis indes versteht die ganze Aufregung nicht. „Die Herren waren doch so begeistert.“

Oben_oder_unten_ohne_Skandal

Am 21. Januar schreibt OB Burauen in unserem Blatt.

Auch Kölns Oberbürgermeister Theo Burauen ist entsetzt und schaltet sich nach dem Herrenabend ein. Im Blatt vom 21. Januar schreibt er an die „lieben Mitbürger“: „Wenn ich jetzt höre, der Busen sei ja nur für drei Sekunden zu sehen gewesen, möchte ich gerne mal das Echo wahrnehmen, wenn ein Mann in die Bütt steigt, sein nacktes Hinterteil dem närrischen Publikum entgegenstreckt und Kölle alaaf ruft – und das auch nur für drei Sekunden. Meine Frage: Sind solche Einlagen deshalb tragbar, weil es sich um Sekundenblitze handelt? Man nehme zur Kenntnis, dass der OB jede Veranstaltung sofort spontan verlässt, wenn sich solche oder ähnliche Dinge zeigen sollten.“