Exklusiver EXPRESS-BesuchSeit 1998 verlassen: Einsamer Colonius, wie geht es Dir?

von Ayhan Demirci  (ade)

Colonius innen

Im ehemaligen Panoramarestaurant: Diesen Ausblick bekommen Kölner nicht mehr.

Köln – Der Colonius – Kölns höchstes Wahrzeichen: seit 20 Jahren war kein Besucher mehr auf dem Fernsehturm. Das Gebäude wird technisch genutzt, ansonsten führt die Kanzel ein Geisterdasein. EXPRESS aber war oben – und führt Sie durch die verlassene, ehemalige Attraktion.

Der Fahrstuhl

Die Meteranzeigen im technischen Fahrstuhl. Zwei weitere ehemalige Besucheraufzüge sind gesperrt.

Dom passt unter die Kanzel

Im damaligen Amtsdeutsch trug der Colonius die Bezeichnung: Fernmeldeturm Köln, abgekürzt Füst (Funkübertragungsstelle) Köln 8. Seit 1981 ist der Turm ein Wahrzeichen der Stadt. Er ist mit 266 Metern das höchste Gebäude von Köln. Der Dom würde bequem unter die bis heute futuristisch wirkende Kanzel passen. Er hätte noch neun Meter Luft.

Warnung im Aufzug

Das Beste ist der Aufzug. Ein Schild warnt Menschen mit Herzschrittmacher: „Vorsicht Hochfrequenzsender“. Der Techniker drückt auf die Taste „174“. Der Fahrstuhl schnauft wie eine Dampflok. Nach einer Minute und acht Sekunden öffnet sich die Tür.

Wir steigen noch einige Stufen im Treppenhaus hoch. Eine Stahltür führt aus der Betonsäule ins Freie. Weil der Wind hier zu stark ist, wird sie mit einer hydraulischen Vorrichtung geöffnet.

Der Techniker macht pumpende Bewegungen. Die Hydraulik drückt die Tür auf. Drei, vier Schritte noch über eine Gittertreppe herab, dann berühren wir ganz besonderen Boden: das Dach des Colonius.

Colonius Teppich

Der Teppich von 1981 ist noch drin. 

Wichtig auch für die KVB

Wir sind jetzt umzingelt von Antennen. Der Colonius ist einer von vier UKW-Senderstandorten in Köln und strahlt ebenso digitales Fernsehen aus.

Die Deutsche Funkturm GmbH ist Eigentümerin des Colonius. Sprecher Benedikt Albers sagt: „Der Fernsehturm spielt bis heute eine zentrale Rolle für die Rundfunkversorgung im Großraum Köln/Bonn. Ohne die Antennen auf dem Colonius würde bei vielen Tausend Kölnern der Fernseher schwarz oder das Radio stumm bleiben.“

Auch die Betriebs-Kommunikation im Streckennetz der KVB läuft über einen Sender, der hier installiert ist.

Das Beste ist die Aussicht – an Sonnentagen wie diesem sieht man am Horizont den Rheinturm. Das ist der 26 Meter kleinere Fernsehturm-Bruder in Düsseldorf.

Womit wir bei der Erklärung sind, was uns Reporter an diesen Ort geführt hat. Die Frage nämlich: Colonius, was ist eigentlich los mit dir?

Der Rheinturm in Düsseldorf ist ein populäres Ziel, er dient als Aussichtsturm, der Besucher kann dort oben schön essen und trinken. 300.000 Menschen machen das im Jahr.

Colonius EXPRESS

Relikt aus einem anderen Jahrtausend: Ein EXPRESS vom April 1999 liegt auf dem Boden.

Und der Colonius? Der hat seit 1998 keinen Gast mehr gesehen. Vor 20 Jahren wurde die Aussichtsplattform geschlossen, vor 24 Jahren das darunterliegende Panorama-Restaurant. „Hier stand mal die Bar“, sagt Benedikt Albers. Ein Umriss ist zu erkennen. Der Teppich ist auch noch da.

Ein Umbau ist nicht in Sicht

Besucher wird der Colonius wohl nie wieder haben. Denn der Aufwand für einen Umbau wäre immens, der Ertrag fraglich. Die Betriebsräume müssten an die Brandschutzbestimmungen angepasst werden.

Das wurde erforderlich, nachdem nach der letzten Geschäftsaufgabe über fünf Jahre verstrichen waren. Damit war der Bestandsschutz aufgehoben. Jeder neue Betreiber ist verpflichtet, die gültigen, deutlich strengeren Auflagen der Feuerwehr zu erfüllen.

Colonius Besucher alt

So war es mal: Besucher des Colonius-Restaurants genießen die Aussicht.

Das Beste kommt noch. Beim Gang durch die Gepensteretage stoßen wir auf ein Relikt aus dem vergangenen Jahrtausend. Jemand hat wohl seine Zeitung liegengelassen: Es ist die EXPRESS-Ausgabe vom 13. April 1999. Sie liegt auf dem Boden. Auf der Titelseite steht: Gerhard Schröder ist neuer SPD-Chef.

Colonius Kanzel außen

Überall Antennen: Der Blick auf die Kanzel des Colonius. Der Fernsehturm gehört der Deutsche Funkturm GmbH, einer Telekomtochter.

Als der Colonius am 3. Juni 1981 eingeweiht wurde, gab es noch einen ebenso sozialdemokratischen Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen (Kurt Gscheidle).

Die Stadt Köln hatte verlangt, dass der Turm Gastronomie bekommt. Für die Restaurantbetreiber ging die Rechnung aber nie auf. Der erste hatte geglaubt, allein durch die Einnahmen für die Aussichtsplattform (3,50 DM) auf der sicheren Seite zu sein.

Auf der Kanzel

Home is, where the Dom is: EXPRESS-Reporter Ayhan Demirci auf dem Dach der Colonius-Kanzel.

Doch Kölner, die den Blick einmal genossen hatten, kamen in der Regel nicht noch ein zweites Mal. Und im Gegensatz zum Rheinturm, der im Hafen- und Regierungsviertel liegt, hatte der Colonius eine „schlechte“ Lage: Es gibt keine Laufkundschaft an der Inneren Kanalstraße. Der Colonius ist einsam...

Auch wir müssen uns jetzt verabschieden. Wir könnten diesmal die Treppe nehmen. Das sind 925 Stufen. Wir nehmen den schnaufenden Aufzug.

(exfo)