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„Eine Frechheit“Knöllchen-Posse um zehn Euro: Kölnerin nimmt Bürokratie-Kampf mit der Stadt auf

Ein Knöllchen klemmt hinter den Scheibenwischern eines Autos.

Wenn der kleine Zettel hinter den Scheibenwischern klemmt, flattert für die Autofahrerinnen und Autofahrer demnächst ein Knöllchen ins Haus. Das Symbolfoto wurde am 26. März 2022 aufgenommen.

Ein Knöllchen ist immer ärgerlich – wenn es dann aber wegen 10 Euro auch noch zu einer schier nicht enden wollenden schriftlichen Auseinandersetzung mit der Stadt Köln kommt, ist das Dilemma perfekt.

von Philipp Meckert  (pm)

In Köln wird immer mehr gebaut, immer mehr Wohnsiedlungen entstehen. Für die Verkehrsüberwachung wird das Jagdgebiet auf Falschparkerinnen und Falschparker immer größer. Im ersten Quartal 2024 wurden bereits 136.853 Anzeigen erfasst.

Doch ist jedes Knöllchen gerechtfertigt? EXPRESS.de erzählt den Fall einer Kölnerin, die sich dem monatelangen Druck des Ordnungsamtes, das 10-Euro-Bußgeld zu zahlen, beharrlich widersetzte. Bis der Fall vor Gericht landete.

Park-Posse in Köln: Ordnungsamt zeigt auf Privatwegen keine Gnade

Der Fall: Eine kleine Straße in einer Wohnsiedlung. Die ansässigen Hauseigentümer zahlten für den Bau der Zuwegung viel Geld und – da sie anteilig zu ihrem Grundstück gehört – seit Einzug entsprechend hohe Grundsteuern. Die Stadt kümmert sich nicht um die Straße. Es gibt keine Straßenreinigung und keinen Winterdienst. Mülltonen müssen – teils mit längerem Fußmarsch – an die nächste Straßenecke gerollt werden. Klar, es ist ja auch Privatbesitz. Könnte man denken, oder? Leider nein...

Denn offenbar hat es sich das Ordnungsamt zur Aufgabe gemacht, auch in privaten Wohnsiedlungen unaufgefordert und verstärkt nach dem Rechten zu schauen.

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Der Türöffner: Das blaue, eckige Schild „Verkehrsberuhigte Zone“, das in immer mehr Straßen der aus dem Boden schießenden Siedlungen hängt. Das dient auf den ersten Blick der Sicherheit der spielenden Kinder. Doch auf den zweiten Blick räumt es der Stadt Befugnisse ein – da jetzt nur noch auf speziell ausgewiesenen Flächen geparkt werden darf.

Und so kann es sich lohnen, mal abseits des alltäglichen Kölner Verkehrschaos zu checken, ob auch in den verschlafenen Privatwegen jedes Auto korrekt auf den zugewiesenen Plätzen steht. Und wenn nicht: Gibts ruckzuck ein Knöllchen unter den Wischer. So ist es in Köln geschehen, in der Straße von Petra Kohlmeyer (Name geändert).

Mal, weil ein Auto nur mit der Stoßstange über die gepflasterte Fläche vor der Garage ragte. Mal, weil das Auto ein paar Meter neben der angelegten Parkfläche stand, etwa um Kinder oder Einkäufe ein- oder auszuladen. Oder um da einfach und ohne jemanden zu behindern, zu parken. Es ist ja das eigene Grundstück. Könnte man denken, oder? Leider nein...

Park-Posse in Köln wegen 10-Euro-Knöllchen

Vier Tage nachdem also der Ordnungshüter sein Knöllchen unter den Wischer von Petra Kohlmeyer gesteckt hatte, kam am 6. Februar schon Post vom Amt für öffentliche Ordnung/Bußgeldstelle. Anlass: Anhörung zur Ordnungswidrigkeit/Schriftliche Verwarnung mit Verwarnungsgeld. Höhe: 10 Euro. Grund: Der Wagen stand „in einem verkehrsberuhigten Bereich verbotswidrig außerhalb der zum Parken gekennzeichneten Flächen.“

Kohlmeyer war schon vom Knöllchen verdutzt, aber angesichts des Schreibens der Stadt nun verärgert. Dabei waren sich die zusammengetrommelte Nachbarschaft schnell einig: Beim Kauf hatte niemand zugestimmt, dass der eigene Grund und Boden zur verkehrsberuhigten Zone wird.

Und in einer kleinen privaten Straße könnten die Regelungen einer normalen verkehrsberuhigten Zone mit Durchgangsverkehr ja nicht gelten. Kohlmeyer legte also Widerspruch ein. Sie dachte, dass die Stadt gesunden Menschenverstand hätte und das 10-Euro-Knöllchen kurzerhand zurücknimmt. Könnte man denken, oder? Leider nein...

Am 27. Februar schrieb die Bußgeldstelle, dass es sich – auch wenn es entsprechende Eigentumsverhältnisse gebe – um einen „tatsächlich-öffentlichen Verkehrsgrund“ handele. Deshalb gelte die Straßenverkehrsordnung „uneingeschränkt“. Darum könne die „Kontrolle des Verkehrsdienstes“ hier einschreiten. Man gebe „nochmals Gelegenheit“, innerhalb von einer Woche die 10 Euro zu zahlen. Ansonsten ergehe ein „kostenpflichtiger Bußgeldbescheid“.

Doch da sich Kohlmeyer im Recht sah, zahlte sie nicht und legte erneut Widerspruch ein. Und was passierte? Am 22. März flatterte als „Förmliche Zustellung“ durch den Postboten der offizielle Bußgeldbescheid zu. Neben der 10 Euro Geldbuße kamen nun 25 Euro Gebühr für die Kosten des Verfahrens hinzu, plus 3,50 Euro Auslagen. Gesamtsumme: 38,50 Euro.

Dabei weist die Bußgeldstelle unter dem Stichwort „Zahlungsaufforderung“ deutlich darauf hin, dass „der fällige Betrag zwangsweise beigetrieben“ werden könne und das Gericht eine „Erzwingungshaft bis zur Dauer von 6 Wochen anordnen“ könne. Was also tun?

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Um Schlimmes abzuwenden, überwies Petra Kohlmeyer die 38,50 Euro mit dem Vermerk „Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ – und suchte rechtlichen Beistand. Wozu hat man denn eine Rechtsschutzversicherung? Könnte man denken, oder? Leider nein...

Denn die Rechtsschutzversicherung weigerte sich direkt, sich bei Auseinandersetzungen mit Behörden in Verkehrssachen zu engagieren. Und ein Anwalt für Verkehrsrecht teilte auf Anfrage mit, dass die Kosten für eine Erstberatung bei rund 190 Euro plus Mehrwertsteuer liegen. Also 226 Euro. Für das erste Gespräch zur Lageeinschätzung ...

Köln: 10-Euro-Knöllchen löst Papier-Wust aus – so ging es weiter

Immerhin: Dank ADAC-Mitgliedschaft war ein kostenloses Telefonat drin. Der Rat: Man solle erneut förmlich Widerspruch einlegen, aber schnell, sonst verstreiche die Frist. Das könne auch der Anwalt machen. Das koste aber 239,79 Euro. Uff! Man könne aber auch selbst ein Fax schicken. Puh... Aber wo gibts noch Fax?

Also klapperte Kohlmeyer schnell diverse Geschäfte ab und bat schließlich einen Kiosk-Inhaber, ein Fax mit dem erneuten Einspruch an die Stadt zu senden. Kostete 2,20 Euro.

Allerdings: Die Begründung des Einspruchs, die sie ja bereits mehrmals der Bußgeldstelle mitgeteilt hatte, führte sie diesmal nicht weiter aus. Sie glaubte, dass das Amt dies ja zur Genüge wisse. Könnte man denken, oder? Leider nein...

Denn nun schrieb ein neuer zuständiger Sachbearbeiter des Ordnungsamtes, dass der Einspruch nicht begründet sei und sich Frau Kohlmeyer noch einmal zur „Beschuldigung äußern“ solle. Verbunden mit der Warnung, dass ohne Antwort der „Vorgang an die Staatsanwaltschaft Köln zur Entscheidung“ weitergeleitet werde.

Da der Grund des Einspruchs aber schon doppelt und dreifach mitgeteilt wurde, wollte Kohlmeyer dem Sachbearbeiter kurzerhand eine E-Mail schicken. Vorher rief sie ihn aber höflich an und fragte mal nach. Und was hörte sie? Ja, dies gehe auch per Mail. Ein digitales Amt? Klasse!

Also schrieb Kohlmeyer am 15. April eine E-Mail. Und dachte, damit wäre sie im Dschungel der Kölner Bürokratie schon mal einen großen Schritt weiter. Könnte man denken, oder? Leider nein...

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Denn zwei Tage später schrieb der Sachbearbeiter der Bußgeldstelle per Post, dass Einsprüche mit der vorhandenen E-Mail „nicht wirksam“ seien. „In ihrem eigenen Interesse“ solle man die „zugelassenen Übermittlungswege“ nutzen. Ja was denn nun? Kohlmeyer atmete tief durch, griff schon wieder zu Umschlag und Briefmarke und schickte nun die E-Mail ausgedruckt am 20. April an das Amt für öffentliche Ordnung.

Zwei Tage später prüfte also derselbe Sachbearbeiter erneut den kompletten Sachverhalt. Er sah aber immer noch keine Gründe, das Knöllchen zurückzunehmen. Und leitete den „Bußgeldvorgang“ an die Staatsanwaltschaft Köln weiter.

Am 7. Mai landete nun förmliche Post vom Amtsgericht Köln in Kohlmeyers Briefkasten. Der zuständige Richter schrieb, dass das Gericht „erwägt, das Verfahren einzustellen, da es eine Ahndung nicht für geboten hält“. Und: „Die Kosten des Verfahrens soll die Staatskasse tragen.“

Allerdings müsse sie alle anderen Kosten, etwa für den Schriftverkehr oder sonstige Auslagen selber tragen. „Eigentlich eine Frechheit“, so Kohlmeyer. „Man kämpft um sein Recht, das Gericht stellt ein und dann bleibt man auf den Kosten sitzen.“ Und was ist mit den bereits gezahlten 38,50 Euro? Gibts die noch zurück? „Das sagt einem vom Amt keiner.“

EXPRESS.de fragte also bei der Stadt Köln nach, wie es nun weitergeht. „Eine trotzdem gezahlte Geldbuße wird nach Übermittlung der gerichtlichen Entscheidung in der Regel ohne Antrag zurückgezahlt“, teilte Katja Reuter vom Presseamt mit. „Oftmals erhält die betroffene Person die gerichtliche Entscheidung allerdings einige Zeit vor der Bußgeldstelle, sodass es hier unter Umständen zu Verzögerungen kommen kann“. Und sie weist darauf hin: „Nach einem form- und fristgerechten Einspruch ist es nicht erforderlich, das Bußgeld unter Vorbehalt zu bezahlen.“

„Immer wieder Widerspruch einzulegen lohnt sich offenbar. Und unter Vorbehalt Knöllchen zu bezahlen, ist unnötig. Gut zu wissen für weitere Fälle.“ Weitere Fälle? Ihr Anwalt wies noch darauf hin, dass die Einstellung „keine präjudizielle Wirkung“ auf weitere Knöllchen habe, die Anwohnerinnen und Anwohnern verpasst wurden – und noch werden. Könnte das nächste Knöllchen in der kleinen privaten Straße also einen neuen Papierkrieg anzetteln? Leider ja...