Der Haushaltsstreit auf Bundesebene hat Auswirkungen auf die Stadt Köln – und zwar ziemlich negative. Eine langjährige Anlaufstelle für Jugendliche muss dicht gemacht werden. Das sorgt für Unverständnis.
„Wegen Haushaltskrise geschlossen“Kölner Einrichtung macht dicht – deutliche Worte nach Berlin
In der Haushaltskasse des Bundes herrscht Ebbe – und die daraus resultierenden Sparmaßnahmen betreffen auch Kölner Jugendliche!
Der Grund: Das Kalker Jugendbüro, das seit 2005 vom Jobcenter und somit aus Bundesmitteln finanziert wird, muss zum Ende des Jahres mit hoher Wahrscheinlichkeit schließen. Hier werden Jugendliche und junge Erwachsene, denen eine berufliche Perspektive fehlt, auf ihrem Weg ins Arbeitsleben begleitet.
Köln: Kalker Jugendbüro macht dicht
Zwar hat sich die Ampelkoalition intern mittlerweile auf einen Bundeshaushalt geeinigt, eine rechtsgültige Verabschiedung des Haushalts noch in diesem Jahr ist aber mehr als unwahrscheinlich. Bedeutet: Das Jobcenter kann dem Kalker Jugendbüro entsprechend keine finanzielle Unterstützung für ein weiteres Jahr garantieren.
Die Leitung des Kalker Jugendbüros, das von der Katholischen Jugendagentur Köln (KJA) getragen wird, geht deshalb fest vom Ende der Beratungsstelle aus. Am Freitag (15. Dezember 2023) wurde das Büro in der Martha-Mense-Straße symbolisch abgeriegelt und mit einem Schild versehen, auf dem „Wegen Haushaltskrise geschlossen!“ prangt. Anschließend ließen Verantwortliche, Mitarbeitende und Klientinnen schwarze Luftballons in den Himmel steigen.
Für die Jugendlichen, die dort berufliche und persönliche Hilfestellungen erhalten, fällt eine essenzielle Anlaufstelle weg. Daniel Könen, Pressesprecher der KJA, bezeichnet dies als „alarmierende Entwicklung“. Er sieht „die Zukunft junger Menschen in Köln – und vor allem in Kalk – massiv bedroht.“
Wie Andreas Hildebrand, Fachbereichsleiter Jugendsozialarbeit der KJA, gegenüber EXPRESS.de verrät, belaufen sich die jährlichen Gesamtkosten des Jugendbüros auf 280.000 Euro: „Der größte Teil fließt in die Gehälter der Mitarbeitenden.“ Drei der fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden bereits zum Ende des Monats Dezember gekündigt, ebenso der Vertrag für die Räumlichkeiten.
Sollte zu Beginn des Jahres 2024 der neue Bundeshaushalt rechtskräftig beschlossen werden, müsste die Trägerschaft für das Kalker Jugendbüro neu ausgeschrieben, neues Personal eingestellt und neue Räumlichkeiten gesucht werden.
Die KJA Köln hat erst sehr kurzfristig von der Lage des Jugendbüros erfahren. KJA-Geschäftsführer Georg Spitzley sagt: „Uns als Träger trifft diese Entscheidung sehr hart. Das Kalker Jugendbüro besteht, um jungen Menschen Zukunft zu ermöglichen. Dieser Grundlage werden wir nun beraubt.“
„Im Sinne der Jugendlichen fühlen wir uns von der Politik und im Speziellen von der Bundesregierung im Stich gelassen“, sagt Spitzley.
Ute Esser leitet das Kalker Jugendbüro. Sie war es, die vor 26 Jahren das Konzept für die Einrichtung geschrieben hat. „Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass Jugendliche ganzheitlich unterstützt werden auf ihrem Weg in eine Arbeit, in eine Ausbildung, in ein Studium.“ Die Integration der jungen Menschen in die Gesellschaft sei das Ziel des Jugendbüros, erklärt Esser. „Jeder, der Unterstützung brauchte, konnte zu uns kommen.“
Etwa 65 Prozent aller Jugendlichen, die beraten wurden, konnten in ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis vermittelt werden. Dass die erfolgreiche Arbeit nun endet, findet Esser bitter: „Eine Einrichtung, die gut läuft, wird geschlossen. Die Jugendlichen werden stehengelassen.“
Zuspruch bekommt Esser auch von ihrer langjährigen Wegbegleiterin Hannelore Bartscherer. Sie hat das Jugendbüro Ende der 1990er-Jahre mitbegründet. „Wir haben unendlich vielen Menschen einen Weg ins Leben ermöglichen können, weil es engagierte Mitarbeitende gab, die sich dafür mit Herzblut eingesetzt haben“, sagt Bartscherer: „Ich will nicht glauben und hinnehmen, dass das endet. Denn: Wir brauchen die Einrichtung nach wie vor!“
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Einer derer, die im Jugendbüro Halt gefunden haben, ist Orhan Bayraktar (43). Vor über 20 Jahren wurde der damals arbeitssuchende Abiturient auf das Angebot aufmerksam gemacht – und kam fortan regelmäßig ins Kalker Jugendbüro. „Hier habe ich mich gut aufgehoben gefühlt“, sagt Bayraktar. Teils dreimal die Woche traf er sich mit den Mitarbeitenden, um Bewerbungen zu schreiben und sich auf Vorstellungsgespräche vorzubereiten.
Über einen Zeitraum von drei Jahren verschickte Bayraktar 180 Bewerbungen. Zunächst ohne Erfolg. Letztlich ist Bayraktar dann aber doch vermittelt worden, konnte eine Ausbildung zum Mechatroniker beginnen. Den Job führt der Familienvater noch heute aus. Ein Paradebeispiel, was eine Beratungsstelle wie diese für Jugendliche leisten kann.