„Offen antisemitisch“Guerilla-Aktion im Herzen von Köln: Wird Name von berühmtem Künstler bald entfernt?

Pianist Chilly Gonzales singt bei einem Konzert.

Der Kölner Künstler Chilly Gonzales bei einem Konzert am 25. Juli 2024 auf dem Roncalliplatz in Köln.

Irrer Zoff in Köln um ein Straßenschild. Jetzt ist es zu einer Aktion gekommen, bei der die Stadt einschreiten muss.

von Ayhan Demirci  (ade)

Tristan und Isolde oder Steamy Windows? Lohengrin oder Notbush City Limits? Götterdämmerung oder Private Dancer? Die Frage lautet: Richard Wagner oder Tina Turner?

Eine der klangvollsten Straßen in der Kölner Innenstadt ist wegen ihres Namenspatrons zum Pflaster eines Konfliktes geworden. Und das ist jetzt vor Ort sichtbar.

Köln: Wird Richard-Wagner-Straße zu Tina-Turner-Straße?

Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer blicken an der Ecke Händelstraße auf ein rot durchgestrichenes Richard-Wagner-Straßenschild. Darunter springt den Betrachterinnen und Betrachtern ein inoffizielles, aber echt wirkendes Schild an, ebenfalls weiße Schrift auf blauem Grund: „Tina-Turner-Straße“. Wow!

Vor wenigen Monaten hatte der Musiker Chilly Gonzales (52) dem Komponisten Richard Wagner (1813–1883) öffentlich die Eignung als Namensgeber abgesprochen.

Grund: Wagners judenfeindliche Ansichten. Gonzales hat eine Petition zur Umbenennung der Straße gestartet und die Soul- und Popqueen Tina Turner als Nachfolgerin vorgeschlagen. Der Weltstar (starb im Mai vergangenen Jahres) hatte mehrere Jahre in Köln gelebt.

Chilly Gonzales alias Jason Charles Beck, in Montreal (Kanada) geborener Sohn aus Ungarn stammender aschkenasischer Juden, hatte mit Blick auf Wagner, einen der weltgrößten Schöpfer klassischer Musik, argumentiert: „Mit der Zeit werden die Leute verstehen, dass es mir sehr ernst damit ist. Als jemand mit jüdischen Wurzeln bin ich persönlich besorgt darüber, dass jemand, der so offen antisemitisch war, heute noch eine Straße weniger als einen Kilometer von meinem Wohnort entfernt hat.“

Zwei Straßenschilder hängen an einer Wand.

Das Straßenschild mit dem Namen von Richard Wagner wurde mit einem roten Band überklebt, darunter wurde ein echt anmutendes Straßenschild mit dem Namen von Tina Turner angebracht.

Entweder waren es Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die die Kampagne von Gonzales unterstützen, oder gar der Musiker selbst, der mit der eigenmächtigen symbolischen Aktion das Ziel einer Umwidmung der Straße womöglich unterstreichen möchte. Eine entsprechende Anfrage des EXPRESS an Chilly Gonzales blieb bislang unbeantwortet.

Und wie ordnet die Stadt die Guerilla-Aktion ein? Ein Stadtsprecher teilte mit: „Es liegt eine Ordnungswidrigkeit vor und die Beschilderung Tina-Turner-Straße wird durch die Stadt Köln entfernt. Durch den Anschein eines offiziellen Straßenschildes liegt eine Gefahr für die allgemeine öffentliche Ordnung vor.“

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Das korrekte Verfahren für eine mögliche Umbenennung läuft indessen. Am 15. April des Jahres wurde ein entsprechender Bürgerantrag bei der sogenannten Geschäftsstelle für Anregungen und Beschwerden eingereicht.

Die städtische Abteilung hat ihrerseits das Zentrale Namensarchiv beim Amt für Liegenschaften, Vermessung und Kataster um eine Stellungnahme gebeten. Dieses hat vorgeschlagen, eine Prüfung Richard Wagners durch den Historischen Beirat „zwecks Überprüfung des Straßennamens“ zu veranlassen.

Hier mehr lesen: „Empfinde Wut und Scham“ - Kölner Musiker fordert neuen Namen für bekannte Straße in der Stadt

Die Angelegenheit wird auf die Tagesordnung für die nächste Sitzung des Historischen Beirates genommen. Diese Sitzung sei aber noch nicht terminiert, heißt es von der Stadt.

Es werde voraussichtlich einige Wochen bis Monate dauern, bis eine Prüfung abgeschlossen ist und ein Gutachten vorliegt. Im Anschluss daran entscheidet die zuständige Bezirksvertretung über die Umbenennung und den eventuell neuen Namen.