Kurios, Mann wohnt in KneipeZwangsräumung droht – das sorgt für Protest in Köln

Wolfgang Bergmann wohnt in der ehemalige Veedelskneipe „Kaminstube“.

Wolfgang Bergmann wohnt in der ehemalige Veedelskneipe „Kaminstube“. Hier ein Foto vom 18. April 2023.

Mehreren Kölnerinnen und Kölnern droht die Zwangsräumung. Seit Monaten warten sie darauf, dass die Hauseigentümerin ihnen zur Seite springt. Jetzt fand erneut eine Demo statt.

Dieser Fall sorgt in Köln für viel Aufsehen. Mieterinnen und Mieter des Hauses Wallstraße 31 in Köln-Mülheim haben Ende März durch einen Brief vom Bauaufsichtsamt erfahren, dass sie dort illegal wohnen – und das zum Teil bereits seit 13 Jahren!

Grund: Es gibt für das Haus keine Baugenehmigung. Daher sollen alle raus, eine Zwangsräumung droht. Ihre einzige Hoffnung: Die Eigentümerin stellt einen Bauantrag, um die bauliche Situation so zu verändern, dass die Mieterinnen und Mieter in dem Haus wohnen bleiben können. Doch bis heute liegt dieser der Stadt nicht vor.

Drohende Räumung: Stadt Köln mit klarer Ansage

„Bei der Stadt Köln ist in diesem Jahr kein Bauantrag eingegangen“, erklärt Robert Baumanns vom städtischen Presseamt am Donnerstag (29. Juni 2023) gegenüber EXPRESS.de.

Dass die Eigentümerin einen Bauantrag stellt, könne von der Verwaltung nicht gefordert oder erzwungen werden, so Baumanns weiter. Im Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner stehe die Stadt der Eigentümerin jedoch jederzeit für beratende Gespräche zur Verfügung. Robert Baumanns stellt klar: „Die Stadt Köln hat großes Interesse daran, dass die Menschen in dem Haus wohnen bleiben können.“

Wichtig sei es zu betonen, so der Stadtsprecher, dass die Mieterinnen und Mieter nicht aufgefordert wurden, ihre Wohnungen zu räumen. „Die Stadt hat sie nur angehört und damit, wie gesetzlich vorgeschrieben, ein Verfahren gestartet“, erklärt er. Man handele mit sehr viel Fingerspitzengefühl. Baumanns: „Ziel ist, dass die Stadt Köln die Mieterinnen und Mieter nicht irgendwann auffordern muss, die Nutzung einzustellen, also ihre Wohnungen zu räumen.“

In einem Anwaltsschreiben der Eigentümerin an die Mieterschaft, das EXPRESS.de vorliegt, heißt es jedoch, dass es voraussichtlich dauerhaft nicht möglich sei, das Objekt in einen genehmigungsfähigen Zustand zu versetzen. Den Mieterinnen und Mietern wird nahegelegt, sich zeitnah nach Ersatzwohnungen umzusehen.

Haus in Köln-Mülheim: Drohende Räumung Thema in Bezirksvertretung

In der Sitzung der Bezirksvertretung war die drohende Zwangsräumung bereits am 22. Mai 2023 Thema in einer Aktuellen Stunde. Am Ende stand der einstimmige Beschluss, dass die Mülheimer Bezirksvertretung die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker bittet, ihren verwaltungsmäßigen Einfluss auf das zuständige Bauamt auszuüben und alle Möglichkeiten – wie zum Beispiel Verhandlungen mit dem Vermieter – ausschöpft.

Auch Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs wandte sich am gleichen Tag in einem Schreiben, das EXPRESS.de vorliegt, an Reker. Darin erklärte er, dass für die Betreffenden die Situation schockierend und existenziell bedrohlich sei, zumal diese in dem Gebäude seit über zehn Jahren mit gültigen Mietverträgen leben würden.

„Aus den Gesprächen mit den Bewohnerinnen und Bewohner stellt sich die Situation für mich so dar, dass die Hauseigentümer seit Jahrzehnten versäumt haben, eine Nutzungsänderung von Hotel- und Gaststättennutzung auf Nutzung zu Wohnzwecken zu beantragen“, schrieb Fuchs weiter. Dies könne aber nicht zulasten der derzeitigen Mieterinnen und Mietern gehen.

Obwohl die Menschen dort Mietverträge haben, leben sie illegal in dem Haus

„Die Mieterinnen und Mieter haben keine Zeit zu warten, denn sonst verlieren sie bald ihr Zuhause und stehen auf der Straße“, hatte auch Kalle Gerigk, der in Köln bekannt ist, weil er regelmäßig auf Leerstände und Geisterhäuser aufmerksam macht, gegenüber EXPRESS.de erklärt.

Am Samstag (8. Juli 2023) gab es erneut eine Protest-Kundgebung – diesmal vor dem Haus der Eigentümerin im Hahnwald. Für alle Betroffenen ist die drohende Zwangsräumung und der Verlust ihres Zuhauses kaum zu ertragen.

Das Haus Wallstraße 31 steht in einer Häuserreihe.

Das Schicksal der Mieterinnen und Mieter des Hauses Wallstraße 31 (Mitte) ist weiterhin ungewiss.

Wolfgang Bergmann (67) lebt mit seiner Partnerin schon seit 13 Jahren in dem Gebäude an der Wallstraße. Der Rentner ist fest verwurzelt in seinem Veedel, ist ehrenamtlich aktiv als Vorstand im Verein „Mütze e.V.“, der etwa das Second-Hand-Möbellager an der Markgrafenstraße betreibt.

Ende März hatte er – wie seine Nachbarinnen und Nachbarn aus dem Haus mit insgesamt zehn Parteien – einen Brief vom Bauaufsichtsamt der Stadt Köln erhalten. Darin stand, dass er in einem Gebäude lebt, das keine Baugenehmigung zu Wohnzwecken hat. Es handelt sich um die ehemalige Veedelskneipe „Kaminstube“.

Obwohl die Menschen dort Mietverträge haben, leben sie rein rechtlich illegal in dem Haus.

Angst, in Köln-Mülheim keine andere bezahlbare Wohnung zu finden

Die Mieterinnen und Mieter wie Wolfgang Bergmann befürchten, bei einem möglichen Auszug keine bezahlbare Wohnung zu finden – erst recht nicht in ihrem Umfeld in Mülheim.

„Hier was zu finden, ist ja illusorisch. Die ganzen Neubauten haben die Preise hochgetrieben. Für uns würde ein Umzug zudem bedeuten, dass wir unser soziales Umfeld verlassen müssen und auch etwa neue Ärzte suchen müssten“, sagte der Bewohner im Gespräch mit EXPRESS.de.

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Bei der ersten Kundgebung im April wurden die Mieterinnen und Mieter von mehr als 50 Nachbarinnen und Nachbarn sowie Leuten aus dem Veedel unterstützt. Auch die Initiative „Recht auf Stadt Köln“ und der Verein „Sozialistische Selbsthilfe Mülheim“ (SSM), der sich für soziale Themen, etwa bezahlbaren Wohnraum, einsetzt, waren vor Ort.

Menschen stehen bei einer Demo vor einem Wohnhaus.

Bei der Demo am Wohnhaus in Köln-Mülheim waren am Samstag (22. April) neben den Mieterinnen und Mietern auch zahlreiche Menschen zur Unterstützung vor Ort.

Die Zukunft der Menschen aus dem Haus an der Wallstraße ist jedoch weiter ungewiss. Wolfgang Bergmann hatte sich auch Hilfe beim Mieterverein Köln gesucht. Dessen Sprecher Hans-Jörg Depel erklärte, dass die Menschen unverschuldet in diese Lage geraten sind.

Er sagte: „Hier stehen sich Ordnungsrecht und vertragliches Schuldrecht gegenüber, denn die Mieter besitzen schon seit Jahren wirksame Mietverträge. Das sollte seitens der Stadt Köln im Rahmen ihrer Ermessensausübung mit ausreichend Fingerspitzengefühl beachtet werden. Liegt denn wirklich eine akute Gefahr vor? Und was bedeutet eine Untersagung der Nutzung für die Mieter? Wo sollen diese ausgerechnet in Köln so schnell eine Wohnung finden? Hier bestünde vielleicht sogar die Gefahr einer unverschuldeten Obdachlosigkeit.“