„Mein Lohn ist ihr Lächeln“Kölner Chirurg hilft armen Kindern – was er berichtet, rührt zutiefst

Dr. Ziah Taufig operierte kleines Mädchen in Bolivien

Die Kleine wird die Hand wieder benutzen können. Für ein strahlendes Lächeln wie dieses lohnen sich für Dr. Ziah Taufig die Einsätze, egal, wie hart sie sein mögen.

Der Kölner Chirurg Dr. Ziah Taufig (66) operiert im Ruhestand ehrenamtlich Kinder in armen Regionen. Was er berichtet, geht ans Herz. 

von Andrea Kahlmeier  (ak)

Dr. Ziah Taufig (66) scrollt gerne durch seine Handyaufnahmen. Dilan, Leila, Mohammad ... Das Lächeln dieser Kinder ist für ihn das schönste Geschenk. Der Kölner war einer der bekanntesten Schönheitschirurgen in unserer Region – und ist seit zwei Jahren im (Un-) Ruhestand. Zweimal im Jahr ist er nach wie vor ehrenamtlich im Einsatz und gibt allen, die Brand- oder Kriegsopfer wurden oder von Geburt an gehandicapt sind, ein neues Leben zurück.

Ziah Taufig war elf Jahre alt, als er aus Afghanistan mit seinen Eltern nach Deutschland kam. Er nutzte die Chance, die ihm die Gesellschaft hier bot, wurde Schönheitschirurg, war Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie.

Kölner Chirurg kümmert sich um die Ärmsten der Armen

Aber seine Wurzeln haben ihn geprägt. „Mein Leben spielte sich in zwei Filmen ab. Du kommst aus dem einen Film mit Brustvergrößerungen, Fettabsaugungen und Co. – hat auch viele glücklich gemacht. Dank der Einnahmen konnte ich es mir leisten, meine Firma ab und an zu schließen, die Angestellten weiterzubezahlen, um in den anderen Film einzutauchen“, sagt er schmunzelnd im EXPRESS-Gespräch.

Seit Mitte der 90er kümmert der Facharzt sich um die Ärmsten der Armen (vor allem Kinder) in Afghanistan, Pakistan, Namibia, heute am liebsten in Bolivien. „Die Menschen dort sind so lebensfroh und dankbar“, sagt er. Vor allem die Patienten mit schlimmsten Verbrennungen. „Meist sind in ihren Zelten, in denen sie lebten, Kerosinkocher explodiert und die Kleinen saßen direkt daneben“, weiß er. So war es auch bei Dilan. Drei Jahre war der kleine bolivianische Junge alt, als die Feuerwalze seinen Oberkörper, Hände, vor allem sein Gesicht zerstörte.

Dr. Ziah Taufig operierte Dilan in Bolivien

Der kleine Dilan aus Bolivien, dem Dr. Taufig das Gesicht rekonstruierte, schickte dem Kölner Mediziner vor Ostern eine Sprachnachricht: „Mir geht es gut. Möge Gott Sie segnen und gut auf Sie aufpassen. Ich schicke Ihnen eine Umarmung. Ich liebe Sie sehr.“

„Die Haut hört ja nicht auf, Narben zu bilden, und die ziehen sich zusammen, die Haut wird dann hart wie Beton. Hier mussten wir die Narben lösen, das Gesicht rekonstruieren, Augenlider, Nasenlöcher formen, den Mund wieder öffnen.“ Dilans Lippen können wieder die Andeutung eines Lächelns zeigen. Doch zur Schule schicken seine Eltern ihn nach wie vor nicht. Sie wissen: Kinder können grausam sein, er würde sicherlich gemobbt werden und leide doch schon genug. „Da habe ich mit Helfern vor Ort, die uns Ärzte während des Einsatzes beherbergen, überlegt, wie seine Zukunft aussehen könnte. Dilan bekommt jetzt Geld für Kühe von uns, damit er später auch mit wenig Außenkontakt eine sichere Einnahmequelle hat“, sagt Taufig.

Solche positiven Erlebnisse sind es, die im Kopf bleiben, die Strapazen, Hitze, schwierige hygienischen Bedingungen vergessen lassen. Und dass die Einsätze nicht ganz ungefährlich sind. Nahe Kabul wurden er und sein Team Ende der 90er, als die Taliban das erste Mal an die Macht kamen, auf dem Weg zum Flughafen verhaftet und saß 24 Stunden im Gefängnis fest. Danach wurde es zwar sicherer, doch auch der nächste Besuch war ein Schock.

„Bin Arzt, kein Richter“: Für Dr. Taufig steht der Mensch im Vordergrund

„Wenn die Menschen wissen, dass wir da sind, warten sie in langen Schlangen vor der Klinik“, erklärt Taufig. „Dass da so ein armer Pförtner schon mal die Hand aufhält und jemanden vorlässt, kann ich ja noch verstehen. Aber dass Ärzte bestechlich sind, arme, schwerstkranke Kinder nach Hause schicken und stattdessen die Kinder von reichen Eltern vorziehen, das hat mich wütend gemacht. Wir Mediziner haben doch einen Eid abgelegt.“

Und dieser Eid, so Taufig, ließ ihn auch nicht eine Sekunde darüber nachdenken, ob er vor vielen Jahren Mohammad operieren sollte oder nicht. Ein Taliban. Ihm war das Gesicht weggeschossen worden. Taufig zeigt grauenvolle Bilder: Kein Mund, keine Nase, das linke Auge fehlt, von einem Bein ist nur noch der Stumpf zu sehen.

„Ich habe ihm im Laufe der Zeit einen Nasenlappen gemacht, das Auge und die Nasenlöcher rekonstruiert und seine Prothese finanziert. Ich bin kein Richter, ich bin Arzt. Mit diesem Aussehen ist er sowieso für immer gestraft. Aber wie ich jetzt gehört habe, ist er mittlerweile gemäßigt, setzt sich innerhalb der Taliban dafür ein, dass Mädchen wieder zur Schule gehen dürfen. Gut so.“

Auch nach dem ersten schweren Erdbeben in Herat hatte der Arzt sich gemeldet, um in Afghanistan zu helfen – denn er versteht die Landessprache, spricht Farsi. Doch Taufig hätte seinen Einsatz fast mit dem Leben bezahlt. „Selbst schuld“, grinst er. „Während alle Einheimischen aus Angst vor einem Nachbeben draußen schliefen, musste der Arzt aus Deutschland sich ja ein Hotelzimmer leisten. Da haben nachts um vier Uhr mächtig die Wände gewackelt, Tisch und Bett flogen durch die Gegend, es gab keinen Strom und das Handy war natürlich auch weg.“

Der Chirurg hat seine Dienste „Interplast“ (siehe auch Infobox) zur Verfügung gestellt. Pro Einsatz haben Taufig und sein Team rund 70 Operationen – 15.000 dürften da im Laufe seines Lebens schon zusammengekommen sein. Und eines ist gewiss: Mit 66 Jahren ist noch lange nicht Schluss. „Nur so auf dem Sofa sitzen und lesen, das wäre nichts für mich.“ Er könne diese Einsätze übrigens jedem Arzt hierzulande empfehlen. „Man tut nicht nur anderen etwas Gutes. Es ist ein befreiendes Gefühl, wenn du als Chirurg irgendwo hingehst, die Leute an die Hand nimmst, einfach operierst und nicht 10.000 Zettel und Dokumente ausfüllen musst, die überhaupt nicht nötig sind und die später keiner mehr liest.“