Günter Wallraff gehört zu den wichtigsten Enthüllungsjournalisten in Deutschland. Am Samstag wird er 80 Jahre alt.
„Wurde in Psychiatrie eingewiesen“Kölner Investigativjournalist Günter Wallraff wird 80
Köln im Jahr 1946. Ein kleiner, kräftiger Junge dreht seine Runden durch die Stadt. Genauer: Er fährt in der Hildebrandtstraße in Mauenheim um den Häuserblock. Sein Blick ist fest. Eines Tages, wenn er groß ist, werden ihn manche fürchten. Und sehr viele sehr schätzen: als Inbegriff des Investigativjournalismus.
Heute feiert Günter Wallraff seinen 80. Geburtstag und aus ganz Deutschland – und von Freunden aus aller Welt – landen Glückwünsche in Ehrenfeld.
Kölner Investigativjournalist Günter Wallraff wird 80
Auch EXPRESS.de sagt: Glückwunsch, Günter! Und geht der Frage nach: Wie hat sich der Junge auf dem Vierrad damals eigentlich so gemacht?
Auf dem Gymnasium in Nippes bekommt er schlechte Noten in Latein, Altgriechisch und Mathematik, der einzige Sohn von Johanna und José, aber in Sport hat er eine Eins (und in Deutsch und Kunst). Um Geld für den Haushalt zu verdienen (der Vater starb früh) trägt er mit dem Fahrrad zwischen Longerich und der Agneskirche Zeitschriften wie den katholischen „Feuerreiter“ aus, aber auch Illustrierte wie „Stern“ und „Hörzu“.
Trinkgelder bekommt er meist von den kleinen Leuten in der Laubenkolonie Nippes. „Die Ärmsten waren am großzügigsten.“ Als Schüler arbeitet er außerdem an Samstagen bei „Eklöh“ auf der Neusser Straße, einem Vorläufer der späteren Supermärkte.
Dort schleppt er schwere Kisten und füllt Regale auf. Sein Look als Jugendlicher war durchaus an James Dean orientiert, sagt er. Er war schüchtern und introvertiert.
Der Sport übrigens wurde zwar nicht sein Lebensmittelpunkt, aber ihn hatte der Ehrgeiz gepackt, vor allem beim Laufen. Eine Anekdote erzählt er von seinen Anfängen als Zwölfjähriger auf dem Trainingsplatz. Er hatte sich eine Stoppuhr von Junghans gekauft („sie kostete mich damals ein Vermögen“).
Günter Wallraff: Sport, Bundeswehr und Psychiatrie
Auf dem Aschenplatz drehte er dann seine 25 Runden und „nach 10 000 Metern“ stoppte er die Zeit – und war glückselig: „Es war eine fantastische Zeit. Ich war im absoluten Rausch“, lacht er im Rückblick, „bis ich später erfuhr: Es war keine genormte 400-Meter-Runde, sondern eine 333-Meter-Bahn.“
Trotzdem: Er wurde Mitglied beim ASV Köln und sogar 3. der Deutschen Jugendmannschaftsmeisterschaft über die 1000-Meter-Distanz und lief noch als 50-Jähriger den Marathon in 2 Stunden 50. Seine Berufung fand er, als er sich in der Zeit bei der Bundeswehr weigerte, ein Gewehr in die Hand zu nehmen und über die Erlebnisse als Unruhestifter Tagebuch führte – die Zeitschrift „Twen“ veröffentlichte es später in mehreren Teilen.
„Um mich unglaubwürdig zu machen, wurde ich in die geschlossene Abteilung der Psychiatrie des Bundeswehrlazaretts Koblenz eingewiesen und später mit dem Ehrentitel ‚abnorme Persönlichkeit, für Krieg und Frieden untauglich‘ nach zehn Monaten wieder in die Freiheit entlassen“, erzählt er.
Diese Geschichte sollte der Beginn einer einzigartigen Karriere werden. Günter Wallraff wurde zum Mann mit den Hundert Gesichtern, zum Undercoverjournalisten Nummer Eins. Er hat’s allen gezeigt: So wie er als Vierjähriger schon schaute, war ihm das schon damals zuzutrauen.