In Köln leben viele Menschen mit interessanten Lebenswegen. Einer von ihnen ist Kalle Gerigk.
Riesige ProtesteVor zehn Jahren: Kölner Miet-Rebell wird deutschlandweites Thema – das macht er heute
von Adnan Akyüz (aa)
Wie viele Menschen können schon von sich behaupten, ein nach ihnen benanntes Motto zu haben? Der Kölner Kalle Gerigk (64) kann das. Es lautet „Kalle für alle“ und hat eine besondere Geschichte. Am 20. Februar 2024 jährt sich das Ereignis, das dazu geführt hat, zum zehnten Mal. Zeit also für ein Gespräch mit EXPRESS.de.
Der Kölner Kalle Gerigk verkörpert Hilfsbereitschaft wie kaum jemand. Er hilft ehrenamtlich etwa Menschen, denen eine Zwangsräumung aus ihrer Wohnung droht. Mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern organisiert er dann Protestkundgebungen, verhandelt mit den Vermieterinnen und Vermietern, kümmert sich darum, dass die Menschen nach ihrer Zwangsräumung eine Bleibe finden und rückt dabei auch schon mal der Stadt Köln auf die Pelle, damit sie ihren Pflichten nachkommt.
Kölner Miet-Aktivist Kalle Gerigk wurde selbst mal zwangsgeräumt
Das Kuriose dabei: Kalle Gerigk ist selbst städtischer Mitarbeiter, aktuell beim Amt für Statistik, davor über neun Jahre beim Wohnungsamt der Stadt Köln. Während dieser Zeit hat er bei etlichen Hausbesetzungen oder Kundgebungen an leerstehenden Wohngebäuden teilgenommen.
Die Liste an Aktionen von Kalle Gerigk ist fast beliebig lang erweiterbar. Aktuell setzt er sich dafür ein, dass obdachlose Menschen in den leerstehenden Wohnhäusern der GAG in Stammheim untergebracht werden sollen.
Warum er sich so intensiv für dieses Thema einsetzt? Im Gespräch mit EXPRESS.de erklärt er: „Weil ich selbst mal betroffen war.“ Am 20. Februar 2014 wurde die Zwangsräumung von Kalle Gerigk aus seiner Wohnung im Agnesviertel verhindert – und wie! Hunderte Demonstrantinnen und Demonstranten waren zu seiner Adresse gekommen, um sich für ihn einzusetzen. „Das war unglaublich, wie viele Menschen da morgens um 6 Uhr schon standen“, erinnert er sich.
Radio, Fernsehen, Zeitung – in allen Medien war Kalle Gerigk Thema. Kalle Gerigks Vermieter hatte die Wohnung aus Eigenbedarf gekündigt. Als dann die Wohnung im Internet zum Verkauf angeboten worden war, weigerte sich Gerigk auszuziehen. So kam es zum Rechtsstreit. Der Fall sollte unter dem Motto „Alle für Kalle“ bundesweit bekannt werden. Daraus wurde nach seinem Auszug aus der Wohnung, „Kalle für alle“.
So hat er vielen Menschen in Not geholfen, eine Wohnung zu finden. „Das hat schon sehr früh angefangen. Meine Eltern haben damals in Mülheim keine Wohnung bekommen. Als meine Mutter dann schwanger mit mir wurde, haben sie eine bekommen. Da habe ich also auch nachgeholfen“, scherzt er.
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Seinen Humor bringt Kalle Gerigk bei den Demos oft mit ein. Etwa, als er sich mal täuschend echt als SPD-Politiker Martin Schulz für eine Kundgebung gegen schlechte Arbeitsbedingungen verkleidet hatte. In einem angeblichen Brief des Politikers wurde behauptet, dass sich er an einer Demo beteiligt. Da hatte sogar die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn aufgenommen. Das Verfahren wegen Urkundenfälschung wurde aber eingestellt.
Auch mit seinem Lied „Millionär“ nimmt Gerigk die Wohlbetuchten der Gesellschaft auf die Schippe. Seinen Song singt er oft bei Demos. Hier kannst du das Lied hören.
Privat ist Kalle leidenschaftlicher FC-Fan. Er hat mal den zweiten Platz bei der Wahl zum Fan des Jahres erreicht. Unvergessen ist auch seine geplante Saison-Abschluss-Feier am Geißbockheim, nachdem sich der FC fulminant für Europa qualifiziert hatte.
Kalle erstellte auf Facebook eine Veranstaltung und über 11.000 Menschen haben zugesagt. „Ich bin guten Mutes, dass alles friedlich verläuft“, hatte er noch gesagt. Doch das Wetter spielte nicht mit und es kamen nur sehr wenige Menschen. Im Vorfeld hatte es große Aufregung gegeben, da der Verein selbst keine Feier geplant hatte und es Zweifel daran gab, ob Kalle allein so eine Feier bewältigen könnte.
Ein weiterer Meilenstein seines Lebens ist die Kandidatur als Abgeordneter für den nordrhein-westfälischen Landtag. 2016 kandidierte er für die Partei Die Linke – allerdings ohne Erfolg.
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Über die Jahre ist Kalle Gerigk „Demo-Profi“ geworden, hat unzählige Kundgebungen angemeldet. Was sagt er zu den aktuellen Demos gegen Rechtsextremismus und die AfD?
„Wir lassen uns unsere Demokratie nicht kaputt machen. Das Versammlungsrecht und damit auch die freie Meinungsäußerung sind hart erkämpfte Rechte, die es zu schützen gilt. Wer zu einer Demo geht und sich dann fragt, ‚ja und jetzt?‘, sollte wissen, dass es dabei auch um die Erfolge geht, die nicht zählbar sind. Die Probleme lösen sich nicht von heute auf morgen. Am wichtigsten ist dabei, dass die Menschen etwas von den Demos in ihren Alltag mitnehmen.“