Er hatte mal Haus mit PoolKölner Projekt rettet obdachlosem Gabriel (39) das Leben

Der Kölner Gabriel Schmidt (39) beim Tag der offenen Tür des Projekts OMZ, das ihm von der Obdachlosigkeit zurück zu einem geregelten Leben geholfen hat.

Der Kölner Gabriel Schmidt (39) beim Tag der offenen Tür des Projekts OMZ am Sonntag (27. Juni).

von Adnan Akyüz  (aa)

Köln. Licht und Schatten stehen selten so nah beieinander wie im Leben von Gabriel Schmidt (39). Der Kölner hatte mit gutem Einkommen in einem Haus mit Pool gelebt, bevor er vier Jahre als Obdachloser auf der Straße verbrachte. Heute steht er wieder in Lohn und Brot und führt ein geregeltes Leben. Zu verdanken hat er das dem Kölner Projekt „Obdachlose mit Zukunft“ (OMZ), das am Sonntag (27. Juni) zum Tag der offenen Tür eingeladen hatte, und sich selbst. Im EXPRESS erzählt Gabriel Schmidt seine bewegte Lebensgeschichte, die ihn um die Welt führte.

Köln: Projekt „Obdachlose mit Zukunft“ hilft Gabriel zurück in ein geregeltes Leben

Der gebürtige Kölner Gabriel Schmidt führte bis 2015 ein ziemlich normales Leben: In Pulheim aufgewachsen, machte er nach der Schule eine Lehre zum Zierpflanzengärtner. Später seinen Meister in dem Beruf, den er sehr liebt. Er arbeitete etwa am Lehrstuhl der TU München in Weihenstephan. Zwischenzeitlich hatte er genug Geld für eine neunmonatige Weltreise, bei der er etwa Kambodscha oder Neuseeland, wo er sechs Monate verbrachte, gespart. Zurück in Deutschland kehrte er am Niederrhein in seinen Beruf zurück.

Köln: Ehemaliger Obdachloser Gabriel schafft den Sprung zurück in die Arbeitswelt

Heute lebt er im OMZ, einem von der Stadt geförderten und bundesweit einzigartigen Projekt. Dabei leben ehemalige Obdachlose in Selbstverwaltung in einem von der Stadt zur Verfügung gestellten Gebäude an der Gummersbacher Straße in Köln-Deutz. Zuvor hatten die Bewohner ein leerstehendes Haus an der Marktstraße am Kölner Großmarkt besetzt, das mittlerweile abgerissen wurde.

Dass Gabriel heute in dem Gebäude lebt, hat mit seiner Entscheidung, nach Mexiko zu gehen, zu tun. Ein Entschluss, der sein Leben auf den Kopf stellen sollte.

„Es gab ein cooles Stellenagebot eines Herstellers für Schädlingsbekämpfungsmittel, auf das ich mich beworben habe. Ich war schon immer auf der Suche nach exotischen Arbeitsplätzen und wurde angenommen“, erinnert sich Gabriel im Gespräch mit dem EXPRESS.

Der Kölner Gabriel Schmidt an denMaya-Ruinen in Mexiko

Gabriel Schmidt (39) hat ein bewegtes Leben geführt. Hier ist er 2015 an den Maya-Ruinen in Teotihuacán – nahe Mexiko-Stadt zu sehen.

Wenn er von seiner Zeit in Mexiko erzählt, hört es sich nach einem tramhaften Leben an. „Ich verdiente 4000 US-Dollar im Monat, hatte ein großes Haus mit eigenem Pool. Ich habe innerhalb von drei Monaten Spanisch gelernt und habe super lustige und korrekte Mexikaner kennengelernt, mit denen ich auch abends um die Häuser gezogen bin“, schildert er. Deutschland habe er in der Zeit nicht besonders vermisst, wie er sagt.

Köln: Ehemaliger Obdachloser ist heute Meister der Zierpflanzenzucht

Schnell merkte Gabriel aber, dass an seinem Arbeitsplatz bei einem der weltweit größten Produzenten von Stecklingen, der Firma „Syngenta“, einiges im Argen liegt. „Ich habe gesehen, wie Mitarbeiter schutzlos Unmengen von Schädlingsbekämpfungsmitteln ausgesetzt waren, von dem auch noch extrem viel in die Umwelt gelangte. Mir war schnell klar, dass ich nur eingestellt worden war, weil die Firma von meinem Fachwissen profitieren wollte, um noch günstiger und mit noch mehr Chemie aus deren Sicht effektiver zu produzieren. Das hat mich sehr belastet“, erzählt Gabriel.

In dem Betrieb im Bundesstaat Morelos verbrachte er 13 Monate. „Ich konnte die Umstände nicht verändern und auch nicht ‚mir doch egal‘ sagen. Ich konnte die Zustände mit dem, was ich in Deutschland gelernt hatte und mit mir selber nicht vereinbaren“, sagt er. Nach seiner Kündigung hatte er noch Mexiko und Nachbarländer für ein gutes halbes Jahr mit dem Motorrad bereist, bevor er zurück nach Deutschland kam.

Doch die Belastung in Mexiko hatte zu einer schweren Depression geführt. So sehr, dass Gabriel hier nicht mehr Fuß fassen konnte und sich auch mit seiner Familie zerstritt, bei der er zwischenzeitlich gewohnt hatte. „Ich haben meinen Job an den Nagel gehängt. Das hat mir den Rest gegeben. Ohne meinen Beruf bin ich tot“, erklärt er sich heute die damalige Situation.

Kölner (39): „Fühlte mich, wie in einem bodenlosen tiefen Fall“

Er hatte bei seiner Rückkehr zwar noch genug Geld, „für das ich aber keinen Sinn mehr gesehen habe“. Mit Unterbrechungen in städtischen Einrichtungen hat er dann insgesamt vier Jahre auf der Straße gelebt.„Da hatte ich das Gefühl, dass ich jetzt allein in der Scheiße stecke. Ich fühlte wie mich in einem bodenlosen tiefen Fall. ‚Man bist du blöd gewesen‘, denke ich mir heute. Ich hätte mich selbstständig machen können oder mir locker ein Stück Land kaufen können, auf dem ich Gemüse angebaut hätte“, sagt er rückblickend.

Kölner Bio-Bauer: Gabriel Schmidt (39) leitet Gärtnerei

Heute leitet Gabriel eine Gärtnerei eines Kölner Bio-Bauern, „wo wir wundervolles Gemüse anbauen“.

Tag der offenen Tür beim OMZ in Köln

Bewohner, Unterstützer und Interessierte hatten sich am Sonntag (27. Juni) am Gebäude an der Gummersbacher Straße, wo das Projekt Obdachlose mit Zukunft zu Hause ist, zum Tag der offenen Tür getroffen.

Das hat er auch dem OMZ zu verdanken. Gabriel erklärt: „Hier haben wir die Möglichkeit, ohne Regeln unser Leben zu führen. Anders als in Hotels für Wohnungslose, die leider keine echte Hilfe darstellen. Es ist gut, wieder die eigenen, abschließbaren vier Wände zu haben. Und so einfache Sachen wie, dass man bedenkenlos seine Sachen irgendwo liegenlassen kann. Auf der Straße musste ich immer meinen schweren Rucksack überall hin mitschleppen. Es ist eine andere Freiheit.“

Genau das sei auch der Schlüssel. Gabriel ist froh, dass er ohne beengende Regeln und vor allem mit ausreichend Zeit eigenständig wieder Fuß fassen konnte. „Menschen, die so etwas erlebt haben, benötigen Zeit. Sie haben teilweise schwere Probleme, die nicht von heute auf morgen zu lösen sind.“

Kölner Gabriel Schmidt mit einem Blumenkohl in der Gärtnerei, in der er arbeitet

Gabriel Schmidt an seinem neuen Arbeitsplatz im April 2021. Das Foto wurde im Betrieb „Der Kölner Bio-Bauer“ in Vingst aufgenommen.

Sein besonderer Dank gilt André Salentin, dem Vorsitzenden des gegründeten Vereins OMZ e.V. „Er hatte die Idee, dass wir hier in Selbstverwaltung leben könnten und hat die Stadt dazu bewogen, uns dabei zu unterstützen. Heute kommen Menschen aus anderen Städten und Ländern und wollen unser Projekt kopieren. Das macht uns alle sehr stolz.“