Die Kölner Schaustellerin Jenny Weber stand mit ihrem Autoscooter immer auf der Deutzer Kirmes. In diesem Jahr ist das anders.
Flammender Appell an die StadtKölner Schaustellerin verzweifelt: „Bin froh, wenn 2024 vorbei ist“
An der Deutzer Werft rollen zehn Tage vor dem Start der Herbstkirmes (26. Oktober bis 3. November 2024) so langsam die Fahrzeuge für den Aufbau an. Das wäre normalerweise auch für Jenny Weber Routine. Die Schaustellerin betreibt den letzten verbliebenen Autoscooter-Betrieb in Köln. Allerdings bleibt ihr Mikrofon im Verkaufshäuschen, wie schon zur Osterkirmes in Deutz, auch bei dem Volksfest im Herbst stumm.
Jenny Weber ist Mitglied der Gemeinschaft Kölner Schausteller (GKS), ihr Mann Otti ist Vorstandsmitglied. Die GKS hat die Deutzer Kirmes im vergangenen Jahr an den Leverkusener Schausteller Wilfried Hoffmann verloren – und ihre Mitglieder mussten in diesem Jahr zum großen Teil ohne die Einnahmen der Deutzer Kirmes über die Runden kommen.
Kölner Schaustellerin: „Finanziell und mental eine Katastrophe“
„Die beiden Spielzeiten auf der Deutzer Kirmes sind für mich gleichbedeutend mit meinem halben Jahresumsatz“, sagt Jenny Weber im Gespräch mit EXPRESS.de. Da Veranstalter Hoffmann selber einen Autoscooter betreibt und das Verhältnis zwischen dem Schausteller und der GKS nicht gerade gut ist, hat sich Jenny Weber erst gar nicht für einen Standplatz auf der Deutzer Kirmes beworben: „Das hätte nichts gebracht, außer eine Absage. Wir mussten uns in diesem Jahr anderweitig behelfen.“
Sechs Veranstaltungen mehr als im Vorjahr habe die Kölnerin angenommen, um die Verluste wettzumachen – hauptsächlich Schützenfeste. „Man kann ungefähr sagen, dass sechs kleinere Veranstaltungen eine Spielzeit auf der Deutzer Kirmes ausgleichen können“, sagt sie. Also hätten es weitere sechs sein müssen, um die zweite Deutzer Kirmes auch irgendwie finanziell noch abfedern zu können.
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„Allerdings ist das zeitlich dann auch irgendwann nicht mehr möglich. Ich bin wirklich ausgebrannt, fühle mich wie Madonna nach einer Welttournee. Es ist finanziell und mental für mich und viele Kölner Kolleginnen und Kollegen eine Katastrophe“, sagt Jenny Weber.
In den vergangenen Jahren war das Volksfest in Deutz regelmäßig der Kirmes-Abschluss eines jeden Jahres – dieser wird für Jenny Weber und viele Mitglieder der GKS nun vorgezogen. „Wir spielen am kommenden Wochenende noch auf der Kirmes in Vingst, danach wären wir eigentlich direkt nach Deutz gefahren. Der einzige Kölner Autoscooter geht dieses Jahr aber bereits frühzeitig in den Winterschlaf, da blutet mir wirklich das Herz“, sagt die Schaustellerin.
Sie habe Angst, durch den Verlust der Deutzer Kirmes und des baldigen Endes der Kirmes-Saison in ein Loch zu fallen: „Sobald wir in Vingst fertig sind, werden wir uns ein paar Tage Auszeit nehmen und wegfahren. Das haben wir lange nicht mehr gemacht, aber mein Mann besteht darauf. Er will mich schützen, gar nicht so sehr auf Deutz zu schauen, um so nicht in einen extremen Winter-Blues zu verfallen.“
Nach der Kirmes-Saison geht es für die meisten Schaustellerinnen und Schausteller dann darum, sich für die Weihnachtsmärkte vorzubereiten. Wenn die dann vorbei sind, beginnt die Saison mit Karneval wieder von vorne.
Deutzer Kirmes 2025: Vergabeverfahren noch nicht gestartet
Ob die GKS dann 2025 als Veranstalter für die größte Kölner Kirmes zurückkehrt, steht noch in den Sternen. Das von der Stadt vor einigen Wochen angekündigte Bewerberverfahren ist bislang noch nicht gestartet worden. Wenn es von der Verwaltung das Go gibt, haben die Bewerber ab dem Zeitpunkt 40 Tage Zeit, ihre vollständige Bewerbung einzureichen.
Laut Jenny Weber habe es von der Stadt Signale gegeben, dass es bis zum Ende des Jahres Klarheit geben soll: „Die GKS ist gut aufgestellt und wartet praktisch nur auf den Startschuss, um das stehende Gerüst zu vervollständigen. Allerdings ist dieser Leerlauf auch ziemlich zermürbend. Wir sitzen auf heißen Kohlen und warten.“
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Laut EXPRESS.de-Informationen bereitet auch der jetzige Veranstalter Wilfried Hoffmann auf eine Bewerbung für die Vergabe der nächsten fünf Jahre vor. Für viele Kölner Schaustellerfamilien steht enorm viel auf dem Spiel, sagt Jenny Weber: „Viele Kolleginnen und Kollegen aus Köln wissen nicht mehr, wie es weitergeht. Nicht alle haben Plätze auf den Weihnachtsmärkten. Herr Hoffmann setzt auf Betriebe aus Düsseldorf, Wuppertal oder den Niederlanden. Es ist wirklich ein Desaster und ein Armutszeugnis.“
Wäre eine Zusammenarbeit der GKS und Wilfried Hoffmann denkbar? „Ich denke, die Fronten sind geklärt. Natürlich wäre ein Shakehands irgendwann in Zukunft schön. Aber dafür ist wohl zu viel passiert, auch hinter den Kulissen“, sagt Jenny Weber gegenüber EXPRESS.de.
Kölner Schaustellerin appelliert an Stadt: „Lass uns nicht fallen“
Für Jenny Weber heißt es nun, am Wochenende auf der Vingster Kirmes ihren Gästen noch ein letztes Mal in diesem Jahr eine Freude zu bereiten, Spaß zu verbreiten. „Und das werden wir alle wieder tun. Wir sind das einfachste Antidepressivum, ich liebe, was ich mache. Auch wenn es derzeit so zermürbend ist wie niemals zuvor.“
Ein besonderes Highlight soll in Vingst der Sonntag werden, wenn der bekannte Kölner Pfarrer Franz Meurer eine Messe an Jenny Webers Autoscooter abhält, bei der auch der Weihbischof aus dem Kölner Erzbistum Rolf Steinhäuser dabei sein soll. „Darauf freue ich mich. Denn es mögen nicht alle glauben, aber ich bin streng katholisch erzogen worden und sehr gläubig. Und mit Pfarrer Meurer habe ich auch schon lange regelmäßigen Kontakt. Er ist ein toller Mann, der uns immer dann unterstützt, wenn es möglich ist“, sagt Jenny Weber.
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Und sie ergänzt: „Ich habe auch schon mal zu ihm gesagt: ‚Trinken Sie doch bitte mal ein Kölsch mit dem da oben.‘ Vielleicht hilft es uns ja, im kommenden Jahr wieder nach Deutz zurückkehren zu können.“
Abschließend wendet sich die Kölner Schaustellerin mit einem Appell an die Stadtverwaltung: „Wir haben über Jahrzehnte mit der Deutzer Kirmes Spaß, Freude und Menschen nach Köln gebracht. Ich bin froh, wenn dieses Jahr vorbei ist und hoffe darauf, dass die Politik und die Verwaltung uns Kölner Schaustellerinnen und Schausteller nicht komplett fallen lassen.“