Wie im Kölner „Tatort“Darum schnappt die Schuldenfalle zu – und was darf Inkasso wirklich?

Dietmar Bär als Freddy Schenk im Kölner Tatort "Restschuld"

Freddy Schenk (Dietmar Bär) geht im „Tatort - Restschuld“ vom 5. Januar 2025 in einem Inkasso-Büro auf Spurensuche.

Zwangsversteigerung, Lohnpfändung, kein Strom - der „Tatort“ aus Köln zeigt die bittere Realität von Schuldnerinnen und Schuldnern.

von Andrea Kahlmeier  (ak)

Wer hat auf den Inkasso-Manager eingestochen? Vielleicht Jost, dem der Schuldeneintreiber mit der Zwangsversteigerung seines Hauses gedroht hatte? Oder Stefanie, die wegen der Ausstände ihres Ex-Mannes mit einer Lohnpfändung rechnen muss? Oder gar der Masseur, der früh in die Kreditfalle getappt ist und nicht mal mehr seinen Strom zahlen kann? Max Ballauf (Klaus J. Behrend) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) haben es am 5. Januar 2025 im Kölner „Tatort“ mit Überschuldung und eiskalten Inkasso-Mitarbeitern zu tun. Das TV-Thema ist für immer mehr Menschen in Deutschland leider längst bittere Realität.

Inkasso-Post, ohne jegliche Berechtigung, inspirierte Karlotta Ehrenberg zum Drehbuch für die „Tatort“-Folge „Restschuld“. „Ich war über den Ton des Absenders und seine unverhohlenen Drohungen zutiefst erschrocken“, erinnert sich die Autorin. Schuldeneintreiber ein Angstgespenst. Da haben viele immer noch Schlägertrupps vor Augen oder Männer mit großen Geldkoffern. Und wirklich: Wenn der „Cobrador del Frac“ (der Schuldeneintreiber mit Frack und Zylinder) in Spanien vor der Haustür auftaucht, weiß jeder Nachbar sofort: Hier hat jemand seine Rechnung wohl nicht bezahlt. Öffentlich so bloßgestellt, zücken viele die Kreditkarte oder kratzen das letzte Bargeld zusammen. So etwas gibt es hierzulande gottlob nicht.

Wie im „Tatort“: Immer mehr Menschen in der Schuldenspirale

Aber Fakt ist: Geschäftsinhaber und selbst Privatmenschen schalten „leider immer früher Inkasso-Unternehmen ein, um Außenstände einzufordern. Da werden dann Kleinstforderungen direkt teurer, erst recht, wenn man nicht auf das erste Schreiben reagiert hat“, erklärt Marcus Köster, als Jurist bei der Verbraucherzentrale NRW für Kredite und Entschuldungen zuständig. Und prompt wird eine Spirale in Gang gesetzt, aus der immer mehr Menschen aus eigener Kraft kaum noch herauskommen.

„Das Thema ist ein gesellschaftliches Problem. Mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland sind überschuldet. Leichtsinn, Krankheit, Arbeitslosigkeit, persönliche Schicksalsschläge. Eigentlich kann es fast jeden treffen“, resümiert Klaus J. Behrend nach den Dreharbeiten. „Auch die Mittelschicht ist mittlerweile längst Klientel der Schuldnerberatungsstellen“, so Karlotta Ehrenberg. Zwangsversteigerung des Häuschens, Lohnpfändung, neue Kredite, um alte zu decken.

Die drei geschilderten Fälle im „Tatort“ sind typisch für Menschen, die in Not geraten sind. Und das sind laut Schuldner-Atlas vor allem in NRW nicht wenige. Allein in Gelsenkirchen ist jetzt schon jeder Sechste nicht mehr in der Lage, seine Verbindlichkeiten zu decken. Bei den großen Städten liegen Duisburg, Essen und Dortmund landesweit ganz vorn. Auffällig: Vor allem bei jüngeren Menschen ist die Überschuldung angestiegen. Köster macht dafür unter anderem die zunehmende Nachfrage nach Ratenkrediten und sogenannten „Buy now, pay later“-(kaufe jetzt, bezahle später)Angeboten verantwortlich.

„Meist weiß man ja, worum es sich handelt, wenn man eine Rechnung innerhalb der nächsten 30 Tage zahlen wollte und dann verschlampt hat“, sagt er. „Aber wenn es zu viele Konsumkäufe sind, dann verliert so mancher den Überblick.“ Köster rät, nicht zu lange zu warten, sondern sich so schnell wie möglich an die nächste kostenlose Schuldnerberatung vor Ort zu wenden und sich vor allem nicht auf Drohgebärden der Inkasso-Unternehmen einzulassen. „In dieser Branche gibt es schwarze Schafe“, weiß Köster von vielen Beschwerden, „da gibt es Inkasso-Unternehmen, die nicht nur Mahnungen mit drohendem Unterton schreiben oder ihre Kunden mit Drohanrufen bombardieren, sondern schnell vor der Haustür stehen“.

Inkasso-Mitarbeiter muss man nicht in die Wohnung lassen

Aber: Auch wenn die Inkasso-Leute ihren Besuch angekündigt hätten, müsse man sie gar nicht in die Wohnung lassen, weil sie im Gegensatz zu Gerichtsvollziehern keine hoheitlichen Aufgaben ausführen würden. Im „Tatort“ kommt auch die andere Seite zu Wort. „Die Gläubiger haben ein Recht darauf, ihr Geld zurückzubekommen“, erklärt eine Mitarbeiterin im Krimi, warum sie diesen Job ausübt. So sieht es auch Sandra Hartung, die im wahren Leben ein Inkasso-Büro leitet und kürzlich im TV selbstbewusst eine Lanze für ihren Berufsstand brach.

Ihr Job? „Wir müssen sehen, wie wir die Kuh vom Eis bekommen“, erklärte sie. „Ich muss zum Beispiel wissen, ob eine gute Lösung für beide Seiten möglich ist, etwa Ratenzahlung, deshalb vollstreckungsrelevante Informationen über den Mandanten erhalten.“ Dass das nicht immer einfach ist, gibt sie gerne zu. „Wenn mir jemand erzählt, dass die Post nicht angekommen, man umgezogen oder die Mahnung längst gezahlt sei, sage ich: ‚Das können wir abkürzen, ich kenne alle Ausreden‘.“