„Ich bin süchtig“Kölner Urgestein (81) erkundet die ganze Welt – 6000-Kilometer-Tour steht an

Wolfgang Hollmer mit seinem Fahrrad vor einem großen Landschaft in Marokko.

Brütende Hitze? Kein Problem, auch die überstand Wolfgang Hollmer in Marokko.

Mit 71 Jahren hat Wolfgang Hollmer das Hobby entdeckt, das heute sein Leben bereichert.

von Horst Stellmacher  (sm)

Er radelt und radelt und radelt, und er findet kein Ende. Jedes Jahr schwingt er sich erneut in den Sattel und dann geht's auf große Tour: Das Nordkap hat er schon erreicht (9000 km), Europa schon umrundet, er war in Georgien (8000 km), Marokko (7000 km), in Neuseeland und Australien (10.000 km). Insgesamt hat er 57.600 Kilometer auf seinem Tacho.

Das Besondere an diesem Hobby: Der Mann im Sattel ist schon 81 Jahre alt!

Wolfgang Hollmer hat sein Hobby zu seinem Leben gemacht

Es ist Südstadt-Urgestein Wolfgang Hollmer, der 40 Jahre als Layouter beim EXPRESS arbeitete und erst mit 71 zur ersten großen Radtour startete: Damals ging es von Köln nach Barcelona, dann an den Atlantik, anschließend kreuz und quer durch Europa und schließlich über England zurück nach Köln! Fünf Monate war er für diese 6000 km unterwegs. In den Jahren danach ist er rund eineinhalbmal um die Welt geradelt.

Seit zehn Jahren auf Radel-Welt-Tournee – wie ist er damals mit schon 71 Jahren auf diese Idee gekommen?

Der Mann mit dem weißen Haarschopf erinnert sich im EXPRESS-Gespräch: „Ich hatte gerade drei Bypässe gesetzt bekommen und besuchte mit meinen Kindern einen Freund in Spanien. Also ging es mit dem Auto durch die wunderschönen französischen Landschaften, wo wir allerdings nicht einmal gehalten haben. Das hat mich so frustriert, dass ich beschloss, die Reise nochmal zu unternehmen – und des Genießens wegen mit dem Fahrrad. Ich kaufte in Köln ein E-Bike und los gings. Seitdem bin ich süchtig.“

Folge dieser Sucht: Jedes Jahr eine große Tour, immer dahin, wofür sein Herz gerade schlägt, immer auf der Suche nach Neuem – neuen Erlebnissen, neuen Landschaften, neuen Menschen.

Wolfgang Hollmer auf Tour

Sichtlich stolz: Wolfgang Hollmer am Gotthardpass auf mehr als 2100 Metern.

Jetzt bereitet er sich auf seine 2025-Tour vor, eine Fahrt entlang der chilenischen Küste, 6000 km von Santiago in den Süden. Wie es von da weitergeht? Das ist für ihn noch nicht raus – mal sehen! Festgelegt wird vorher nichts: „Meine Pläne reichen oft nur bis zur nächsten Kreuzung – dann wird entschieden, ob links oder rechts.“

Warum Chile? „Ich bin Mitglied des internationalen Radfahrer-Netzwerks Warm Showers, dessen Mitglieder sich gegenseitig unterstützen. So kam im März 2023 ein chilenisches Paar zu mir. Die wollten nur eine Nacht bleiben. Aus dieser einen Nacht sind inzwischen fast zwei Jahre geworden. Die Frau ist zwar zurückgereist, dafür ist ein zweiter Chilene gekommen, und so lebe ich in meiner Wohnung in einer Radfahrer-WG. Sie haben mich auf ihr Heimatland neugierig gemacht.“


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Was kaum zu erwarten ist: Hollmers große Liebe zum Fahrradfahren kam erst spät. „Alles, was ich früher mit dem Rad gefahren bin, ist mit heute nicht vergleichbar“, sagt er. „Als ich noch im Verlag in der Breite Straße arbeite, drei Kilometer von meiner Wohnung entfernt, bin ich jeden Tag mit dem Auto gefahren. Mit dem Fahrrad fing ich erst an, als der EXPRESS in die Amsterdamer Straße zog. Das waren dann sieben Kilometer.“

Treuer Begleiter auf seinen Reisen ist „Rosinante“, sein Fahrrad. Zwar hat es nach 46 700 Kilometern auf der Fahrt durch Irland den Geist aufgegeben (Motorschaden), doch die Liebe blieb: „Ich konnte sie doch nicht zurücklassen. Ich brach meine Reise ab und brachte mich und „Rosinante“ mit zwei Fähren und 13 Zügen zurück nach Köln. Jetzt hat sie einen neuen Motor und ist flott wie eh und je. Schade nur, dass der Tacho automatisch wieder auf Null gesprungen ist.“

Wie ist es eigentlich – man hört oft, E-Bike-Fahren hat mit dem „echten“ Fahrradfahren nix zu tun, das Rad fährt ja wie von selbst. Wolfgang Hollmer regt sich über diese Meinung auf: „Die das sagen, sollen sich mal auf ein Elektrorad setzen und mit 25 kg Gepäck den Gotthard hochfahren – was ich 2023 gemacht habe. Spätestens dann werden sie merken, was ihre Meinung wert ist.“

Wolfgang Hollmer vor dem Kölner Dom.

Bei der Rückkehr zum Kölner Dom geht auch bei Wolfgang Hollmer das Herz auf.

Natürlich gab es für Wolfgang Hollmer schon ein Reiseleben vor den Fahrradtouren. Das begann, als er 14 war – als er das erste Mal an der Straße stand und den Daumen in den Wind hielt: „Ich war bis dahin in jeden Ferien mit meinen Eltern ins Walsertal gefahren. Doch da habe ich meinen Eltern vorsichtig klar gemacht, dass ich mal was anderes möchte. Das haben sie verstanden. So bin ich vom Walsertal aus über den Brenner nach Sizilien getrampt.“

Mit diesem Tramper-Erlebnis kam das Tramper-Fieber, das jahrelang anhielt: Erst kamen einige Reisen durch Europa, dann die Umrundung des Mittelmeers, schließlich von 1964 bis 1966 die Reise, die sein Leben prägte: In 80 Wochen um die Welt. Besondere Höhepunkte: In Australien traf er seine spätere Frau, mit Neuseeland verband ihn eine lebenslange Liebe und in Sun Valley/Idaho/USA verdiente er sich seinen Unterhalt als Kofferträger. „Hier habe ich Stars wie Cary Grant die Koffer getragen und Bette Davis das Essen gebracht.“

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Doch das Glück währte nur einen Winter: Dann kam ein Telegramm aus Köln: „Komm bitte zurück. Papa hatte einen Herzinfarkt.“ Wolfgang reiste zurück – statt in Sun Valley war er wieder in der Kölner Südstadt.

Ein Leben voller Reisen, voller emotionaler Höhepunkte – doch gab es auch schlimme Augenblicke. Einen erlebte er 2015 auf der Insel Lesbos: „Vom Schiff aus sah ich viele Zelte und freute mich, dass da ein Jugendlager war. Bis ich merkte, dass die Zelte von verzweifelten syrischen Flüchtlingen bewohnt waren.“ Und er erinnert sich an eine Begebenheit kurz vor Wien: „Ich radelte an einem Laster vorbei, der am Straßenrand hielt. Am nächsten Tag erfuhr ich, dass in dem Laster 30 Flüchtlinge erstickt waren.“

Wie ist es eigentlich, wenn er am Ende seiner langen Fahrten wieder Richtung Köln radelt? „Dann setzt der Dom-Magnet ein, mein Herz geht auf, und ich habe feuchte Augen. Tränen des Glücks und der Dankbarkeit dafür, dass ich das alles in meinem Alter noch erleben darf. Wieder vereint mit Familie und Freunden zu sein, ist ein bewegendes Gefühl.“

Am Sonntag, 9. Februar, 11.30, gibt es die Chance, Hollmer und seine Weltreisen näher kennenzulernen: Dann zeigt das ODEON-Kino den Film „Vom Einfachen das Beste“ der Kölner Filmemacherin Sina Sagemüller, in dem es um seine Tramper-Zeit geht. Wie entstand der Titel? „Er ist mein Lebensmotto, er passt zu mir und in eine Zeit, in der es so oft heißt: „Vom Luxus das Billigste“.