Viermal war Thomas Haensgen fast tot, kämpfte sich zurück ins Leben. Doch seit Monaten hat er einen neuen „Gegner“: das Jobcenter.
„Seit Tagen nichts mehr gegessen“Kölner verzweifelt seit Monaten am Jobcenter – das reagiert überraschend
„Dann beantrage doch Bürgergeld...“ – wenn Thomas Haensgen (53) den Satz hört, wird er wütend. Der Kölner, der vier Gehirnentzündungen durchlitten und dabei viermal dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen ist (EXPRESS.de berichtete), „kämpft“ seit Monaten mit dem Jobcenter.
Den Erstantrag auf Bürgergeld hat er am 5. April gestellt und bis heute keinen Cent gesehen. „Wenn es sich einen Monat mal verzögert, da habe ich Verständnis. Aber das sind ja jetzt schon fünf Monate!“, erzählte er gegenüber EXPRESS.de.
Kölner will Bürgergeld beantragen und erlebt Desaster
Nach dem Erstantrag habe er wochenlang nichts vom Amt gehört, dann mehrfach telefonisch und per E-Mail nachgehakt. Zum Beweis machte er davon Screenshots. „Am 9. Juli, also mehr als drei Monate später, bekam ich dann endlich ein Schreiben vom Jobcenter“, erklärte Thomas Haensgen.
Darin wurde ihm mitgeteilt, dass man ihn telefonisch nicht erreichen konnte. Laut Haensgen habe sein Telefon aber keinen Anruf angezeigt. Das Amt weiter: Weil er das Geburtsdatum nicht angegeben habe, sei eine Bearbeitung seines Bürgergeldantrags nicht möglich.
Am 23. Juli marschierte der Kölner, für den es aufgrund seiner Krankheit lebensbedrohlich ist, sich unter Menschen zu begeben, zum Jobcenter und gab seine Unterlagen persönlich ab. Acht Tage später erhielt er für den 5. September einen Termin zum Erstgespräch, dazu die Bitte, aufgrund der Dringlichkeit vorab bereits am nächsten Tag persönlich vorbeizukommen.
„Das habe ich am 1. August auch gemacht, habe eine E-Mail-Adresse erhalten, die ich bereits kannte, und circa 60 Seiten Formulare. Diese habe ich zu Hause ausgefüllt und am 2. August gemailt“, schilderte Haensgen. Endlich schien es zu fluppen. Denn am 5. August sei ihm, so der Kölner, während eines Anrufs seitens des Jobcenters bestätigt worden, dass alle Unterlagen vorliegen würden.
Der 53-Jährige: „Wir sind gemeinsam am Telefon die Unterlagen durchgegangen und mir wurde erklärt, dass ich einen Freischaltcode für den Online-Zugang erhalte.“ Doch er freute sich zu früh.
Bei einem Telefonat am 9. August sei ihm plötzlich mitgeteilt worden, dass lediglich ein Notfallantrag vorläge. „Meine Gesprächspartnerin wunderte sich, dass die Unterlagen offenbar gar nicht weitergeleitet worden waren“, so Thomas Haensgen.
Kölner Jobcenter: Erst fehlt angeblich die Hälfte der Unterlagen, dann alle
In einem Telefonat am 13. August erfuhr er dann von einer Jobcenter-Mitarbeiterin, dass die Hälfte seiner Unterlagen fehlen würden. „Das Skurrile ist“, so der 53-Jährige, „ich habe alle Unterlagen als ein PDF verschickt. Dass also Teile vorliegen, andere aber nicht, kann nicht sein.“
Am selben Tag schickte der das Ganze nochmal, diesmal via Online-Zugang direkt beim Jobcenter hochgeladen. „Aktuell habe ich keine Kraft mehr“, schrieb er dazu. Er habe seit Tagen nichts mehr gegessen.
Denn die vier Hirnentzündungen haben den selbstständigen Texter und Fotograf, der wegen Ansteckungsgefahr kaum mehr das Haus verlassen darf, auch finanziell völlig aus der Bahn geworfen. Nachdem er erst seine Ersparnisse aufgebraucht, dann sogar Kredite aufgenommen hatte, musste er schließlich den schweren Weg zum Jobcenter machen.
Dort hatte er am 5. September endlich den Termin für das Erstgespräch. Was er dabei erfuhr, schilderte der 53-Jährige so: „Man sagte mir, es lägen keinerlei Unterlagen vor! Man habe nichts ‚veranlassen‘ können. Ich solle bitte nochmal alles ausfüllen!“
Sein Hinweis, dass er über das Handy ja sogar Zugriff auf die geschickten Unterlagen habe und die vorzeigen konnte, sei angeblich überhört worden. „Ich kann die Unterlagen über meinen Online-Account beim Jobcenter-Portal heute noch abrufen, aber die Mitarbeitenden finden sie nicht“, erklärte er fassungslos gegenüber EXPRESS.de.
Kölner fertig mit den Nerven – Jobcenter entschuldigt sich
Fertig mit den Nerven, hat er am 6. September schließlich noch mal alle Unterlagen eingereicht. „Ich war zeit meines Lebens weltweit als Reisefotograf unterwegs, ich war an Orten, die unglaublich schwer zugänglich waren – aber so schwer, wie jetzt in der Not an Bürgergeld zu gelangen, war bislang noch nichts“, sagte er schockiert.
EXPRESS.de hakte beim Jobcenter nach. Das reagierte prompt und überraschend. „Leider ist das mit dem Antrag auf Bürgergeld hier bei uns im Jobcenter nicht gut gelaufen und dafür möchte ich mich entschuldigen“, sagte Geschäftsführerin Martina Würker.
Sie brach aber eine Lanze für ihr Team. „Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten bei uns sehr engagiert, damit die Menschen ihr Bürgergeld bekommen. In Ferienzeiten oder wenn viele Anträge gestellt werden – wie es gerade im Sommer der Fall war – kann es auch schon mal länger dauern. Und es können auch Fehler passieren. Das wollen wir nicht und arbeiten daran, dass das möglichst vermieden wird“, erklärte Marina Würker.
Am Donnerstag (12. September 2024) hatte Thomas Haensgen erneut einen Termin beim Jobcenter. Die Geschäftsführerin versprach im Vorfeld: Wenn er möglichst alle Unterlagen mitbringt oder zeitnah besorgt, dann „sollte es im guten Sinne“ weitergehen. EXPRESS.de bleibt dran!