Sie ist eins der bekanntesten TV-Gesichter: Tina Hassel (59), die in Köln geboren wurde, leitet das ARD-Hauptstadtstudio in Berlin. EXPRESS.de sprach mit ihr.
Kölnerin leitet ARD-HauptstadtstudioEXPRESS.de sprach mit Tina Hassel – das würde sie Putin fragen
EXPRESS.de: Wenn Sie an Köln denken – welches Gefühl haben Sie dabei?
Tina Hassel: „Heimat. Fröhliches Chaos. Offene Menschen. Und das Lebensmotto „es hätt noch immer jot jegange“. Geht natürlich nicht immer gut, ist aber dennoch sympathisch. Gerade, weil wir in einer immens krisenreichen Zeit leben. Krieg, Klimakrise und Inflation lassen sich nicht einfach ausblenden. Aber eine optimistische Lebenshaltung kann helfen, die Zuversicht nicht zu verlieren.“
Wo haben Sie in Köln gelebt?
„Ich bin in Sülz geboren und habe dort auch gelebt. Wir haben noch viele, sehr liebe Freunde dort.“
Was vermissen Sie an Köln? Was kann Ihnen gestohlen bleiben?
„Ich vermisse die Offenheit der Menschen und die fröhliche Grundstimmung. Es heißt ja gern, Köln sei die nördlichste Stadt Italiens. Man hilft sich gegenseitig, man „wurstelt“ sich so durch. Das führt aber auch manchmal zu einer gewissen Selbstbesoffenheit. Und das ist schade. Nur wer wach und kritisch bleibt, hat den Elan, etwas zu verändern und an sich zu arbeiten.“
Was war Ihr schönstes Erlebnis in Köln?
„Zwei unserer drei Kinder sind hier zur Welt gekommen. Etwas Schöneres gibt es nicht. Das ist nicht zu toppen.“
Was halten Sie von Düsseldorf?
„Das fragen Sie jetzt ernsthaft eine Kölnerin? Aber nein, Spaß beiseite, Düsseldorf ist eine tolle Stadt, aber ich persönlich würde immer in Köln leben wollen.“
Tina Hassel: Das war für die Kölnerin besonders spannend
Sind Sie ab und zu mal wieder in der Domstadt?
„Ja, zuletzt gerade Anfang Mai, und das ist immer sehr schön und vertraut. Ich war dienstlich dort, bin aber bei Freunden untergekommen und war mit dem Rad unterwegs. Und da habe ich wieder gedacht, wie lebendig Köln ist. Und vertraute Gesichter trifft man auch noch spontan unterwegs.“
Könnten Sie sich vorstellen, später wieder in Köln zu leben?
„Klar! Aber immer mit einem Koffer in Berlin!“
Apropos Berlin: Sie arbeiten im Zentrum der Macht. Was war Ihr bewegendstes, spannendstes Erlebnis als Politik-Journalistin?
„Nach großartigen Jahren beim WDR in Köln, als Auslandskorrespondentin in Paris, Brüssel und Washington bin ich 2015 nach Berlin als Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios gewechselt. Näher am politischen Geschehen kann man kaum sein. Das ist jeden Tag spannend. Aber besonders intensiv war die Zeit während der Flüchtlingskrise 2015. Und jetzt die „Zeitenwende“ nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Das hat auch die deutsche Politik auf den Kopf gestellt. Zu beobachten, was das konkret bedeutet und wie schwer es ist, den Kurswechsel auch umzusetzen, ist enorm spannend.“
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Was macht Ihnen besonders Spaß an Ihrem Job?
„Orientierung zu geben, in einer immer komplexeren Welt. Zu beleuchten, welche Folgen politische Entscheidungen für das praktische Leben haben. Welche Machtstrukturen und Interessen dabei eine Rolle spielen. Reizvoll finde ich es auch, Lösungsansätze oder Positivbeispiele mit aufzuzeigen. Constructive Journalism, wie es im Fachjargon heißt. Damit sich die Menschen trotz der gefühlten Flut negativer Nachrichten nicht vom aktuellen Geschehen abwenden und nur noch die Decke über den Kopf ziehen.“
Welche/r Politiker/in generell und welche/r Bundeskanzler/in hat Sie am meisten beeindruckt – und warum?
„Faszinierend fand ich Barack Obama, den ich im Wahlkampf, in seiner zweiten Amtszeit in Washington und auf Reisen erlebt habe. Durch sein Charisma begeistert er auch Menschen für Politik, die sich sonst nicht dafür interessieren. Auch wenn Obama trotz seines Slogans „Yes we can“ vieles am Ende seiner Amtszeit nicht geschafft hat, was er sich vorgenommen hatte. In Deutschland haben wir solche charismatischen Personen nicht in der Politik. Trotzdem hat mich Ex-Kanzlerin Merkel oft mit ihrem Humor überrascht, mit dem sie politische Alphatiere in die Schranken wies. Ganz gleich ob Berlusconi, Orban oder Erdogan.“
Wen fanden Sie am langweiligsten?
„Da gibt es nicht den einen Ausschlag nach unten. Mich langweilen Menschen, die nichts zu erzählen haben. Keine Brüche in der Biografie, keine Niederlagen, an denen man wächst. Kein Leben, außerhalb der Partei und des Bundestags.“
Angenommen, Sie hätten Biden, Putin und Selenskyj in Ihrem Studio. Was würden Sie Biden fragen?
„Bleiben die USA hundertprozentig an der Seite der Ukraine? Auch wenn in den Staaten der Wahlkampf heiß läuft und ein Ende des Krieges noch immer nicht in Sicht sein sollte?“
Was würden Sie Selenskyj fragen?
„Der brutale russische Angriffskrieg dauert nun schon über ein Jahr an. Wie gelingt es Ihnen, den Menschen in ihrem Land noch immer Zuversicht zu vermitteln? Woher nehmen Sie selbst die Kraft?“
Tina Hassel aus Köln: Das würde die beliebte Journalistin Putin fragen
Und was wäre Ihre Frage an Putin?
„Können Sie noch in den Spiegel schauen?“
Was steht Privates auf Ihrem Schreibtisch im Büro?
„Eine Obama-Figur, die ich auf der ersten demokratischen Convention geschenkt bekommen hatte. Sie ist eine Art Talisman für mich.“
Ihr Vertrag läuft bis Mai 2024 – nach neun Jahren an der Spitze des ARD-Hauptstadtstudios. Wie geht es für Sie weiter?
„Über meine Zukunftspläne spreche ich, wenn es so weit ist. Bis dahin mache ich weiterhin mit voller Kraft das, was mich noch immer leidenschaftlich antreibt: guten, kritischen Journalismus.“
Neben Ihrem Top-Job sind Sie verheiratet, haben drei Kinder. Wie bekommen Sie Karriere und Familie unter einen Hut?
„Das ist Teamwork und funktioniert nur, wenn auf Dauer keiner zu kurz kommt. Wie ein Reißverschluss; mal zieht der eine vor, mal die andere, aber am Ende greift es ineinander. Und für uns zählt nicht die Quantität an Zeit, sondern die Qualität.“
Wie finden Sie Ihre Work-Life-Balance und wo können Sie entspannen?
„Bei langen Hundespaziergängen an den Berliner Seen. Ich fahre gerne Rad und schwimme viel. Und ich liebe entspannte Abende mit der Familie oder mit Freunden.“
Was ist Ihr Sehnsuchtsort und warum?
„Ein Bergsee mit türkisem Wasser ist magisch für mich. Morgens schwimmen. Dann ab in die Berge – und den Kopf frei bekommen. Herrlich!“
Was ist für Sie das Wichtigste im Leben?
„Meine Familie.“
Sie lebten lange in Paris und Washington – welchen Lifestyle nahmen sie mit?
„Aus meinen sechs Jahren Paris habe ich die Leidenschaft für guten Käse und hitzige Gespräche über neueste Kinofilme oder Bücher mitgenommen. Aus den Jahren in Washington, dass man groß denken sollte. Und wenn es mal nicht klappt, dass Scheitern kein Desaster ist. Aufstehen, durchatmen, weitermachen: Das wird in den USA geschätzt. Wer dieses Mindset nicht hat, ist dort eher suspekt.“
Welches Buch lesen Sie derzeit?
„Derzeit Natalie Amiri/Düzen Tekkal: ‚Die mutigen Frauen des Irans‘. Der Mut der Frauen im Widerstand gegen das Mullah Regime ist absolut beeindruckend. Sie sind der Motor der gesamten Widerstandsbewegung. Wir müssten sie noch viel mehr unterstützen. Wenn die internationale Aufmerksamkeit nachlässt, wird die Opposition im Iran noch brutaler unterdrückt.“
Haben Sie ein Haustier?
„Oh ja. Trooper, unseren Cockerspaniel. Der ist vor zehn Jahren in Washington Teil unserer Familie geworden und wird seitdem von allen heiß geliebt.“
Werden Sie im Alltag oft erkannt? Wie reagieren Sie?
„Ja, schon. Meistens sind es auch sehr nette Begegnungen. Ich tausche mich gern mit den Menschen aus und freue mich auch über ehrliches Feedback zu unseren Sendungen.“
Sie sind Patin des Kinderhospizes Bethel – was gibt Ihnen diese ehrenamtliche Tätigkeit?
„Wir wissen aus unserem Familien- und Freundeskreis, dass auch Kinder schon sehr schwer erkranken können. Ihnen und Ihren Familien die beste und würdevollste Begleitung zu geben, ist unglaublich wichtig.“