Die Mitglieder des Kölner Brauerei-Verbands geben im EXPRESS-Interview Antworten auf die sinkenden Absatzzahlen unseres Kölschs.
Kölsch-AbsatzKölner Brauereien nehmen Stadt in die Pflicht
Köln. Sie kümmern sich um die einzige Sprache, die man auch trinken kann: Der Kölner Brauerei-Verband spricht im EXPRESS-Interview über die Entwicklung der Absatzzahlen und schaut nach vorne, wie dieser Trend umgekehrt werden kann. Geschäftsführer Christian Kerner sowie die Vorstandsmitglieder Alexander Rolff (Früh) und Heinrich Phillip Becker (Gaffel) blicken trotz Corona wieder optimistischer in die Zukunft.
Die aktuellen Zahlen sind auf den ersten Blick alarmierend. Wie kann man sich als Brauerei dagegen stemmen?
Alexander Rolff: Die Brauereien müssen zwangsläufig in allen Bereichen dagegen steuern, das heißt Kosten überprüfen, geplante Investitionen gegebenenfalls verschieben. Aber auch an neue Konzepte und Strategien denken. Die Pandemiegesetze werden hierzulande so schnell nicht gänzlich aufgehoben.
Heinrich Phillip Becker: Es ist klar, dass bei dem hohen Gastronomieanteil von Kölsch, ein sieben monatiger Lockdown negativ auf die Zahlen wirkt. Zudem fehlten Großveranstaltungen, wie Karneval, Konzerte oder Sportveranstaltungen. Dabei handelt es sich aber nicht um ein strukturelles Problem; mit steigender Impfquote und den damit verbundenen Lockerungen hat das Fassbier-Geschäft bereits wieder spürbar angezogen. Nichts desto trotz müssen die Brauereien sich mehr öffnen, mehr im Portfolio denken, als an der Monomarke zu hängen. Einige Brauereien haben in diesem Sinne schon sehr erfolgreich gearbeitet. Innovative Gastro- und Eventkonzepte sind gefragt, nicht nur während der Corona-Restriktionen, sondern auch darüber hinaus. Wir müssen uns den Kundenbedürfnissen anpassen, Trends mit gestalten, ohne das starke Fundament der Tradition zu verlassen.
Bedeutet die Entwicklung, dass wir uns auf Kurz oder Lang mit dem Abschied traditionsreicher Marken befassen müssen?
Rolff: Nein. Traditionsreiche Marken verschwinden in der Regel nicht so schnell vom Markt, zumal die aktuellen Herausforderungen eher der Pandemie und dem Umgang damit geschuldet sind.
Becker: Das Bekenntnis der Rheinländer zur Sorte Kölsch ist nach wie vor da. Das Fundament steht. Die Kölner lieben die Vielfalt der Kölsch-Marken, jede Brauerei hat ihre Fans. Das ist es, was Köln und Kölsch so besonders macht. Die Kölner Brauereien haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie Herausforderungen meistern können. Das wird zweifelsohne auch jetzt gelingen.
Kerner: Hinzu kommt: Die Strahlkraft des Kölsch ist sehr, sehr stark. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass wir jedes Jahr zahlreiche Verfahren führen müssen wegen unberechtigten Nutzungen der Marke Kölsch.
Heimatliebe ist in aller Munde. Warum schafft Kölsch es nicht, diesen „Hype“ mitzugehen?
Becker: Das Gegenteil ist der Fall! Man denke nur an unsere einzigartige und weltweit geschätzte Brauhauskultur. Regionale Produkte sind nicht nur wegen Nachhaltigkeit und ökologischem Fußabdruck gefragt. Vor allem ist die Sorte Kölsch ist wie kaum ein anderes Produkt mit der Stadt und dem dazugehörigen Lebensgefühl verbunden.
Rolff: Sie sagen es, der Begriff ist in aller Munde und in allen Medien, man sollte das sehr differenziert betrachten. Kölsch hat schon immer eine sehr hohe Wertschätzung bei den Kölnern und im Umland der Stadt genossen, diese Wertschätzung hat auch in der Krise nicht gelitten. Die aktuellen Absatzzahlen sind erkennbar durch die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen und Verbote verursacht, beziehungsweise ganz aktuell auch durch die furchtbaren Flutschäden.
Gibt es Strategien vom Brauerei-Verband, die Entwicklung aufzuhalten?
Kerner: Aus Sicht des Kölner Brauerei-Verbandes können spezielle Kampagnen oder gemeinsame Werbeaktivitäten umgesetzt werden. Wir hatten für 2020 und 2021 großes Kölsch-Fest auf dem Heumarkt geplant, konnten dies aber coronabedingt nicht umsetzen. Dies planen wir nun für 2022.
Rolff: Wir sind im ständigen Dialog zu diesem Thema und haben auch Ideen dazu. Faktisch lassen sich aber Projekte in Köln nicht so einfach umsetzen wie in anderen Städten. Hier wäre eine deutlich bessere Unterstützung von Verwaltung und Politik notwendig.
Was macht Sie optimistisch, dass der Trend wieder umgekehrt werden kann?
Rolff: Die Liebe der Kölner zu unserem einmaligen Bier wird bestehen bleiben, die Kölner sind weltoffen und feiern gern, wenn sie wieder dürfen. Kölsch zu trinken ist da das Nachhaltigste was man machen kann, das wird wieder belebt, ganz sicher!
Becker: Vom Trend zur Regionalität wird unsere Bierspezialität profitieren. Kölschkultur hat immer noch Konjunktur. Das werden wir spätestens dann merken, wenn wir zu früheren Bedingungen zurückkehren können.
Ganz konkret: Die Rheinländer müssten also wieder vermehrt die Kneipen bevölkern und der Wettergott mitspielen?
Becker: Die Lust auf das Brauhaus, die Veedelskneipe oder das Event war nie weg. Sieben Monate Abstinenz hat die Wertschätzung der Gastronomie enorm gesteigert. Das könnte zu einem neuen Boom führen und letztendlich zu einem höheren Kölsch-Absatz als vor dem Lockdown. Die Menschen wollen feiern, rausgehen und soziale Kontakte pflegen.
Rolff: Das ist gut für die Wirtschaft und noch viel besser für die Psyche nach all den ganzen Widrigkeiten.
Machen Sie doch mal an dieser Stelle richtig Werbung für Kölsch!
Rolff: In einer alten Kölsch-Werbung heißt es so schön: „Wirbt für sich selbst!“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Kerner: Kölsch ist eine nach EU-Recht geschützte geographische Angabe, wie Champagner oder Parma-Schinken, also eine Spezialität, die nur hier gebraut werden darf. Kölsch - ein Schluck Heimat.
Becker: In erster Linie ist Kölsch natürlich ein erstklassiges Produkt! Was man nicht außer Acht lassen darf, ist das große Engagement und der positive Beitrag, den die Kölsch-Brauereien in puncto Unterstützung von Kultur, Sport und gesellschaftlichem Leben für die Menschen in dieser Stadt leisten. Wir sind Arbeitgeber für hunderte Menschen in der Stadt und wir zahlen unsere Steuern hier in Köln. Im Gegensatz zu den nationalen Groß-Brauereien. Daher mein Apell: Support your local brewery!