Seit anderthalb Jahren begeistert das Musical „Moulin Rouge“ tausende Besucherinnen und Besucher im Kölner Musical Dome. Über wen dabei kaum gesprochen wird: die sogenannten Swings.
„Moulin Rouge“Der Stress-Job bei Kölner Musical: Sie erfahren erst morgens, wen sie spielen
Sie sitzen hinter der Bühne, warten darauf, kurzfristig einzuspringen, falls sich eine andere Darstellerin oder ein anderer Darsteller verletzt oder krank wird. Klingt für Laien nach einem eher zähen Job mit viel Leerlauf.
Das Gegenteil ist der Fall, erzählen uns Julie Thomas (29) und Patrick Robinson (35). Sie sind sogenannte Swing-Darsteller bei „Moulin Rouge!“ im Musical Dome in Köln und springen ein, wenn Not am Mann – oder der Frau – ist.
„Moulin Rouge“ in Köln: Swings springen für Verletzte ein – „ich bin stresssüchtig“
„Meistens erfahren wir bis um 11 Uhr am Vormittag, ob wir am Abend eingesetzt werden und wen wir spielen“, erklärt Julie im Interview mit EXPRESS. „Im Grunde sind wir das Sicherheitsnetz, um gewährleisten zu können, dass es immer genug Castmitglieder gibt, um die Show spielen zu können. In unserem Job gehören Verletzungen dazu. Es ist also nicht unüblich, dass jemand ausfällt und wir einspringen müssen. Wir vertreten die Kolleginnen und Kollegen aber auch, wenn sie im Urlaub sind“, erklärt Patrick.
Ohne die Swings, die im Notfall einspringen, müssten Aufführungen unter Umständen sogar ausfallen. Patrick: „Das Musical ist wie ein Kartenhaus. Zieht man eine Karte heraus, fällt alles zusammen“, sagt er.
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Die Herausforderung für Swings: Sie müssen theoretisch alle Texte, alle Tänze und Abläufe kennen. „Bei den Proben haben wir beobachtet und so viele Informationen zur Show, wie wir konnten, aufgeschrieben. Wir haben ein Buch – quasi unsere Bibel – in der alles steht, was für uns wichtig ist. Und wir haben viele Videos gemacht, die wir uns immer wieder angucken“, erklärt Patrick.
Richtiger Nervenkitzel komme bei den Darstellerinnen und Darstellern auf, wenn sie für einen Part eingesetzt werden, den sie länger nicht mehr gespielt haben. Wie sie damit umgehen? Patrick: „Ich verlasse mich dann sehr auf meine Kolleginnen und Kollegen. Man kommt meistens aber schnell wieder rein. Wir sind ein guter Cast und helfen einander.“
Julie musste auch schon während einer Show binnen Minuten auf die Bühne, weil eine Kollegin ausgefallen war: „Wir beobachten die Show immer. Wenn ich sehe, dass ich dann spontan einspringen muss, rufe ich mir im Kopf eigentlich schon automatisch den entsprechenden Part auf.“ Gerade diese Unstetigkeit, das man unter Umständen schnell reagieren und immer eine andere Rolle spielen kann, ist das, was viele Swings an dem Job so lieben, wie auch Julie. „Ich mag diesen Stress. Vielleicht bin ich stresssüchtig“, witzelt sie.
„Moulin Rouge“ in Köln: Der spezielle Job der Swings
Eine besondere Chemie herrsche, wenn bei der Show zwei Swings als Partner spielen. „Als Swings haben wir eine andere Sicht auf die Show – irgendwie weitsichtiger als jemand, der immer die gleiche Rolle spielt“, findet Patrick. „Wenn du eine feste Rolle und einen festen Partner hast, stellt sich eine bestimmte Energie, eine Routine miteinander ein. Als Swing bist du freier“, ergänzt Julie.
Patrick kennt da aber auch die andere Seite der Medaille. Er war nicht immer ein Swing, hatte bei vorherigen Arrangements auch feste Rollen: „Ich weiß noch, dass ich manchmal echt genervt war, wenn ich mit einem Swing gearbeitet habe und derjenige etwas nur einen Funken anders gemacht hat, als ich es gewohnt war. Heute weiß ich, wie das ist, und gehe damit entspannter um.“
Swings seien einfach „sensibler für das, was die anderen fühlen und brauchen“, um gut performen zu können, sagt er.
Übrigens: Wer denkt, Swing wird man, weil man nicht in den Hauptcast aufgenommen wurde, der hat weit gefehlt. Bei den Castings stellt man sich speziell für diese Aufgabe vor. „Manche Darstellerinnen und Darsteller wollen keine Swings sein, wollen lieber eine feste Rolle, auf die sie sich einstellen können. Ich liebe es, Swing zu sein. Ich liebe das Adrenalin, dass jeder Abend anders ist und dass ich immer wieder andere Teile des Musicals spielen darf“, erzählt Julie.
Als Musicaldarstellerinnen und -darsteller führen die beiden generell ein sehr stressiges Leben, weit weg von ihren Familien und Freunden. Für neue Arrangements müssen sie oft umziehen. Die 29-jährige Julie kommt aus Paris, ihr Kollege Patrick aus London.
„Es ist hart, so weit weg von der Familie und den Freunden zu sein. Wir führen auch beide Fernbeziehungen. Aber so ist das nun mal in dem Job“, sagt Julie. „Man muss versuchen, sich Zeit für den Partner zu nehmen. Wir haben montags immer frei. Da fahre ich dann für einen Tag nach Paris, mit dem Nachtbus, und bin dann Dienstagmorgen wieder hier.“
Wie gehen die Partnerinnen und Partner damit um? „Unser Glück ist, dass wir mit Menschen zusammen sind, die auch in der Kunst tätig sind. Sie kennen das Leben, das wir führen, haben viel Verständnis dafür, dass man sich eher selten sieht. Eine Beziehung mit jemandem zu führen, der einen normalen Job hat, wäre sicher schwierig.“