Neu-Eröffnung in KölnRiesen-Hype um Primark- doch was ist das für ein Laden?
Köln – „Oh mein Gott!“ Sie schreien, sie kreischen, sie jubeln. „10, 9, 8...“ Tausende von jungen Frauen, Mädchen und Jungen zählen am Freitagmorgen in Köln den Countdown nach unten. Man könnte meinen sie warten auf ihre Lieblingsband. Weit gefehlt.
Die Menge wartet darauf, dass sich die großen Glas-Türen öffnen. Die Massen schieben sich nach vorne, nur noch wenige Sekunden, dann ist es soweit. Dafür haben die meisten stundenlang aufgeregt gewartet. „3, 2, 1!“ Die Pforten öffnen sich. Sie klatschen, drängeln, dann quetscht sich die Menge durch den Eingang.
Diese Szenen stammen nicht von einem Pop-Konzert. Sondern von der Eröffnung des „Primark“-Stores in der Kölner City.
Phänomen Primark
Wozu noch waschen, wenn man neue Kleidung einfach billig kaufen kann? Ein T-Shirt für drei Euro, ein Top für 1,50 Euro oder eine Jeans für sieben Euro! Aufgepasst, Kik und H&M. Denn die Billig-Modekette aus Großbritannien bläst mit Spottpreis-Klamotten zum Angriff. Doch was ist das eigentlich für ein Laden, der (zumeist) weibliche Teenies vor Verzückung quietschen lässt, wie sonst nur Justin Bieber?
Die irische Modekette hat seit 1969 weltweit 282 Filialen eröffnet. „Primark“ ist ein Phänomen: billiger als Kik, trendiger als H&M. Jeder Standort hat mindestens 3000 Quadratmeter. Der Mega-Store in Köln: 8300 Quadratmeter, vier Etagen und 83 Kassen. Damit gehört Köln zu den Top 5 in der Größe. „Wir haben nicht nur Kunden, sondern sogar Fans“, so Geschäftsführer Wolfgang Krogmann (58).
Einkaufen ist für viele Jugendliche zum „Hype“ geworden. Modeexpertin Natasha Binar sieht den Grund für die große Beliebtheit mancher Marken darin, dass sie mehr verkaufen als nur Pullover. „Sie suggerieren einen gewissen Lifestyle“, sagt die Dozentin an der Akademie Mode und Design in München. Auch ein guter Preis spielt bei den Teenies eine große Rolle. Da sich die teuren Labels wie zum Beispiel Abercrombie & Fitch nicht jeder leisten kann kaufen Jugendliche lieber bei Primark ein.
Und gerade Teenager wollen die Sachen ohnehin nicht länger als zwei Wochen tragen - dann hat die ganze Klasse es gesehen. Erwachsene Fashion-Victims sind da oft nicht anders. Die Qualität ist (besonders in Krisenzeiten) dabei vielen ebenfalls nicht so wichtig. „Gerade Teenager, die wenig Taschengeld haben, können sich hier stilistisch austoben und etwas Neues ausprobieren“, sagt Binar.
Doch wer zahlt für die Billig-Klamotten?
Die Klamotten zu Dumping-Preisen lassen die Kunden frohlocken. Und bei den großen Ketten klingeln die Kassen. Doch: „Der Kunde sollte hinterfragen, wie ein Preis von zwei Euro pro T-Shirt zustande kommt“, mahnt Marlies Binder vom Öko-Textilladen „Green Guerillas“.
Und tatsächlich: Die Qualität der Herstellungsbedingungen ist oft mehr als armselig. Wie im Zulieferland Bangladesch, wo Arbeiterinnen oft sieben Tage die Woche, 13 Stunden am Tag für Billiglöhne schuften. Dort kommt es immer wieder zu Katastrophen: Textilfabriken, die einstürzen oder abbrennen - Hunderte Arbeiterinnen in ihrem Trümmern begraben. Vor rund einem Jahr starben bei dem Einsturz der "Rana Plaza"-Fabrik 1100 Menschen. Auch Primark hat dort produzieren lassen.
„Unsere Arbeiter zahlen für die Kleidung - mit ihrem Blut“, klagt eine Arbeiterin in der ZDFZoom-Doku „PRIMARK – Mode für die Tonne“.
Doch wie viel verdienen Arbeiterinnen, wenn ein T-Shirt bei uns lediglich drei Euro kostet? Der Monatslohn für die hart schuftenden Frauen liegt bei mickrigen 30 Euro. „Das Geld reicht nicht zum Leben“, resigniert eine andere Arbeiterin in der Doku.
Rabattschlacht und Primark-Effekt
In Großbritannien macht mittlerweile ein Begriff die Runde: Der „Primark-Effekt“. Und das ist nicht schmeichelhaft gemeint. Denn: Was so billig ist, wird auch schnell weggeworfen. Selbst wenn die Kleidung noch in Ordnung ist. Und so wird der wachsende Berg an Textilmüll immer mehr zum Problem.
Doch auch die Konkurrenz schläft nicht: H&M etwa reagierte im Weihnachtsgeschäft 2013 auf die schnell wachsende Konkurrenz von Primark mit einer riesigen Rabattschlacht. Ob der Moderiese aus Schweden auf Dauer so mithalten kann? Immerhin erwartete Primark in Köln zu Eröffnung des Megastores 2500 „Fans“ - allein am Morgen. Ob Primark auch im Rheinland den Siegeszug antreten kann? Die Zeichen stehen gut. Doch das letzte Wort in der Preisschlacht der Moderiesen ist noch lange nicht gefallen.
(sp/dpa)