„Pleitewelle“ und „Lügner“Steuer-Schock ist fix: Kölner Gastro wütet gegen Scholz-Entscheidung

Bei schönem Wetter sind die Außengastronomien in der Altstadt gut besucht.

Die Kölner Gastronomie-Szene ist geschockt: Die Mehrwertsteuer auf Speisen wird ab dem 1. Januar 2024 wieder von sieben auf 19 Prozent angehoben. Das Symbolfoto entstand in der Kölner Altstadt am 4. Juni 2022.

Es ist passiert: Die Mehrwertsteuer für Speisen in Restaurants steigt ab dem 1. Januar 2024 wieder von sieben auf 19 Prozent. Für Kölner Gastro-Betriebe ist diese Nachricht ein Schock.

von Niklas Brühl  (nb)Oliver Meyer  (mey)

Lange wurde es befürchtet, nun ist der Knall in der Gastronomiebranche Gewissheit: Die reduzierte Mehrwertsteuer auf Speisen in Gastronomiebetrieben wird wieder angehoben. Der reduzierte Satz von sieben Prozent, der wegen der Corona-Krise und der Folgen des Ukraine-Kriegs eingeführt worden war, läuft zum Jahresende aus und wird nicht verlängert, wie die Ampel-Koalition in ihren Haushaltsverhandlungen in der Nacht zum Freitag (17. November 2023) entschied.

Die Mehrwertsteuer steigt damit wieder auf 19 Prozent. Eine Erhöhung der Preise könnte viele Gastronomiebetriebe in die Knie zwingen, die Sorgen sind groß. Was sagen die Gastronominnen und Gastronomen in Köln?

Dehoga NRW spricht von „schwarzem Tag für die Gastronomie“

EXPRESS.de hat bei einigen bekannten Besitzern von Restaurants und Kneipen in Köln nachgefragt. Die Gastronomiebranche hatte auf eine Beibehaltung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes gedrängt. Andernfalls seien „weniger Gäste, weniger Umsatz, weitere Betriebsaufgaben, Umsatzverluste bei Lieferanten und Partnern und Arbeitsplatzverluste“ nicht zu vermeiden, warnte der Branchenverband Dehoga.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte im September 2021 gesagt: „Wir haben die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie gesenkt und das noch mal verlängert, und ich will Ihnen gerne versichern: Ich habe dieser Verlängerungsentscheidung zugestimmt und der Einführung in dem sicheren Bewusstsein: Das schaffen wir nie wieder ab.“ Versprechen gebrochen!

Hier an unserer EXPRESS.de-Umfrage teilnehmen:

Patrick Rothkopf, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Nordrhein-Westfalen, ist entsetzt. „Die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf Speisen ab dem 1. Janaur 2024 auf 19 Prozent bedeutet einen schwarzen Tag für die Gastronomie.“ Der Dehoga NRW befürchtet für Restaurants, Cafés, Gaststätten, Kantinen, Kita- und Schulverpfleger drastische Konsequenzen bis hin zu weiteren Betriebsschließungen.

„Deutlich steigende Preise, weniger Gäste, weniger Umsatz, Betriebsaufgaben, Umsatzverluste bei Lieferanten und Partnern, Preisdruck in der Kita- und Schulverpflegung, Arbeitsplatzverluste und eine Verlagerung der Umsätze hin zu To-Go und Lieferdiensten wie Supermärkten werden die Konsequenzen sein“, sagt Rothkopf.

Der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes warnt: „Im übernächsten Jahr sind Bundestagswahlen. Auch wenn die Ampel-Entscheidung ein bitterer Rückschlag war, bleibt das Ziel richtig und auf unserer Agenda: Sieben Prozent auf Speisen müssen wiederkommen.“

Kölner Gastro ächzt unter Mehrwertsteuererhöhung – „werden sich viele verabschieden“

Auf die Kölner Gastronomiebetriebe kommen ab dem 1. Januar 2024 große Veränderungen zu – wie schätzen die Betreiberinnen und Betreiber die Erhöhung der Mehrwertsteuer selbst ein?

Benedikt Lammers vom Trapas in der Lindenstraße und der Krefelder Straße:

„Wir haben in der Branche natürlich auch untereinander viel diskutiert in den vergangenen Monaten. Als es dann heute Morgen aber offiziell wurde, war es für mich schon ein kleiner Schock. Jetzt macht man sich natürlich seine Gedanken, wie man diese Mehrkosten wieder reinholen soll.“

Treffen mit Benedikt Lammers (rechts) und Marius Tomg im neuen Laden.

Benedikt Lammers (r.) vom Trapas in Köln, hier am 21. Februar 2023 zu sehen.

Und weiter: „Die Gäste werden es spüren, allerdings werden wir die Preise nicht von heute auf morgen exorbitant erhöhen, da die Kundinnen und Kunden mit einem solchen Preisschock eher verprellt werden. Es wird schwierig für viele in der Branche, einige Betriebe werden sich im Laufe der Zeit wohl verabschieden müssen. Es gab viele leere Worte aus der Politik, im Endeffekt stehen wir in der Gastro jetzt im Regen.“

David Stasch von der Gaststätte Em Hähnche in der Christophstraße:

„Diese zwölf Prozentpunkte mehr müssen natürlich irgendwie aufgefangen werden. Unser Schnitzel Wiener Art kostet derzeit 16,90 Euro, ab Januar werde ich dann wohl 18,90 Euro verlangen müssen. Die Gäste werden für das Geld, das sie dann mehr bezahlen, auch insgesamt mehr verlangen. Vom Service, von der Sauberkeit, von der Qualität. Mein Team und ich werden alles dafür geben, dass es den Kundinnen und Kunden auch weiterhin bei uns gefällt.“

Laura und David Stasch stehen in ihrer Gaststätte Em Hähnche.

David Stasch mit seiner Frau Laura in seiner Gaststätte Em Hähnche. Das Foto wurde am 18. August 2022 aufgenommen.

Stasch ergänzt: „Ich bin mit meinem Kopf derzeit noch voll beim anstehenden Weihnachtsgeschäft, sodass ich mir noch gar keine Sorgen für das kommende Jahr machen kann. Man soll mich nicht falsch verstehen: Die Mehrwertsteuererhöhung wird definitiv ihre Auswirkungen zeigen, aber ich mache mich jetzt nicht verrückt und wir werden als Team auch für diese Hürde bereit sein, unseren Gästen eine gute Zeit zu bereiten.“

Kölner Gastronom: „Für unsere Branche eine totale Scheiße“

Daniel Rabe von der Bagatelle aus der Südstadt schreibt auf Facebook:

„Olaf Scholz ist ein Lügner, das sollte allen nicht erst seit gestern bekannt sein. Aber gestern hat er es zumindest unserer Branche, der Gastronomie, mal wieder sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Ob die Mehrwertsteuer sieben oder 19 Prozent sein sollte, darüber kann man streiten und da darf es auch zwei Meinungen zu geben. Aber wir hatten das Wort von Olaf Scholz, er hat es versprochen, vor den Wahlen, live im Fernsehen.“

Porträt von Gastronom Daniel Rabe.

Daniel Rabe, hier am 21. Mai 2021 zu sehen, nimmt beim Thema Mehrwertsteuererhöhung kein Ballt vor den Mund.

Daniel Rabe wird deutlich: „Es ist nicht die Tatsache, dass es für euch und uns teurer wird ab Januar, die uns im Moment so sauer macht, es ist eher der Umgang mit uns. Diese lapidare Mitteilung an die Presse, dieses Durchstechen, diese mal wieder fehlende Wertschätzung. ‚Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen‘, das sagt unsere fünfjährige Tochter immer. Und wenn wir dann doch mal etwas nicht einhalten können, dann versuchen wir es wenigstens ehrlich und verständlich zu begründen.“

Dylan Stuka vom Deli Sülz auf der Berrenrather Straße und dem Stukmanns im Gottesweg:

„Ich habe dazu eine klare Meinung: Für unsere Branche ist das eine totale Scheiße. Vor allem für Lokale mit einem hohen Speiseanteil, da wir diese Mehrkosten an unsere Gäste weitergeben werden müssen. Diese Maßnahmen werden viele Betriebe nicht überleben, vor allem kleinere Läden.“

Judith Grazio, Dylan Stuka und Andreas Bartosinski stehen hinter der Bar im Stukmans.

Dylan Stuka (m.) hinter der Bar im Stukmans. Das Foto entstand am 26. Oktober 2023.

Und weiter: „Wir werden versuchen, unsere Gäste langsam an die höheren Preise heranzuführen und bei ihnen ein Bewusstsein zu schaffen, dass es anders nicht mehr möglich wäre. Ich habe sehr wenig Verständnis für diese Entscheidung!“

Pasquale Valisena vom La Cantina da Pasquale in der Marzellenstraße:

„Wir Gastronominnen und Gastronomen werden systematisch von Behörden kaputt gemacht. Mal kommt die Stadt Köln und drangsaliert uns wegen der Außengastronomie, jetzt der Bund. Natürlich muss ich das voll an die Kundinnen und Kunden weitergeben. Ich habe ein kleines Lokal, ich mache keinen Massenumsatz wie ein Brauhaus.“

Gastronom Pasquale Valisena vom "La Cantina da Pasquale" mit Tellern in der Hand.

Gastronom Pasquale Valisena vom La Cantina da Pasquale, hier am 16. Februar 2018 zu sehen, fürchtet um seine Existenz.

Valisena nennt ein konkretes Beispiel: „Ein sehr gefragtes Gericht ist beispielsweise Tagliatelle al Salmone. Das kostet derzeit noch 16,50 Euro, demnächst dann 18,50 Euro. Diese Erhöhung kann dazu führen, dass meine Existenz gefährdet wird.“

Alexander Manek vom Haus Unkelbach in der Luxemburger Straße:


Alexander Manek steht am Tresen vom Unkelbach.

Unkelbach-Chef Alexander Manek, hier am 28. Mai 2020 zu sehen.

„Was der Gastronomie ja immer vorgeworfen wird, seitdem die Mehrwertsteuer im Juli 2020 gesenkt wurde, ist, dass die Senkungen ja nicht bei den Gästen angekommen seien. Was man dabei vergisst: Der Mindestlohn ist seit diesem Zeitpunkt um 28 Prozent gestiegen, die Lebensmittelkosten um 18 Prozent. Also hebt sich das alles gegenseitig auf.“

Alexander Manek kündigt an: „Wir werden ab 1. Januar 2024 alle Speisen erhöhen – und zwar um die gestiegenen zwölf Prozentpunkte. Nicht zu reagieren, wäre fatal. Es werden viele Betriebe draufgehen und eine Pleitewelle ist in meinen Augen bei den Umständen nicht zu verhindern.“