„Wie die Nazis“Kölner Friseur-Legende wettert gegen Fußballer-Haarschnitte

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Top-Fußballer und stets top gestylt: Nur die Frisuren von Cristiano Ronaldo und vielen seiner Kollegen gefallen dem Kölner Friseur Heinz Merges überhaupt nicht.

von Jan Wördenweber  (jan)

Köln – Deutschland im Lockdown. Das sieht man auch – von Woche zu Woche. Die Haare werden wieder länger. Vereinzelt auch ungepflegter. Nur bei den Fußball-Profis ist das anders: „Auf'm Platz“, wo es bekanntlich wichtig ist, sitzt alles. Vor allem der Scheitel.

Und es ist ein ganz besonderer. Historisch vorbelastet, könnte man sagen – und genau das sagt ein Fachmann wie Heinz Merges (85). Die Kölner Friseur-Legende stört weniger, dass sich viele Kicker offensichtlich von Profis die Haare stutzen lassen – trotz des momentanen Arbeitsverbots für seine Zunft – sondern die Art und Weise.

Kölner Friseur-Legende Heinz Merges: Kritik an „Hitler Youth Cut"

Es geht um so genannten den Undercut. Es ist die englische Bezeichnung jener Frisur, bei der die Haare der unteren Kopfhälfte stark rasiert werden, das Deckhaar des oberen Teils aber bestehen bleibt.

Was seit ein paar Jahren ist wieder in Mode ist, war es schon vor 80 oder 90 Jahren. Eine Zeit, in der Deutschland für Gräuel-Taten, unermessliches Leid, Tod und Vertreibung stand.

Im englischsprachigen Raum wird der Undercut daher auch „Hitler Youth Cut" genannt. Und genau hier liegt das Problem für Heinz Merges.

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Die Frisur-Mode der 40er Jahre, der sogenannte Undercut, ist heute wieder modern: Das Foto im Konzentrationslager Auschwitz aus dem Jahr 1944 zeigt Nazi-Schergen wie Dr. Josef Mengele (ganz links).

„Ich habe den Krieg in Brauweiler überlebt. Da haben die Deutschen 1945 einen desertierten Soldaten an einem Laternenmast aufgehängt Wir wurden gezwungen, das anzusehen", erzählt der Kölner. „Ich kann und werde das niemals vergessen: Die Leute, die den armen Mann da hingerichtet haben, hatten alle diese Frisuren, wie sie heute so viele Fußball-Profis tragen."

Friseur Heinz Merges: Königin Beatrix begab sich in seine Hände

Merges ist Kölns berühmtester Haareschneider. Ein Meister hoher Friseurkunst, die im Zeitalter von Haartrimmern und anderen Maschinen auszusterben droht.

Ob einst Kanzlergattin Rut Brandt, Mildred Scheel, Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Walter Scheel, oder gar Königin Beatrix, die sich früher in Köln heimlich mit einem deutschen Diplomaten traf – schon damals begaben sich viele Promis in Merges' Hände. Heute zählt unter anderem Alice Schwarzer zu seinen Stammkundinnen.

Kölner Heinz Merges: Weltmeister der Friseure 1956 in Wien

1956 wurde der Kölner in Wien gar Weltmeister in der Kategorie Phantasie: Ein Kunstschnitt mit einer nach vorne stehenden langen Tolle. Heute würde man Punk dazu sagen.

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Heinz Merges, 2015 in seinem Salon an der Streitzeuggasse in Köln.

Merges zum EXPRESS: „Mein Vater war auch Frisör, der musste im Krieg unter anderem den Leuten bei der SS die Haare stutzen. Als er zurückkam, hat er immer gemeint, es sei zum Kotzen, was er da hätte schneiden müssen."

Undercut: Stars wie Cristiano Ronaldo, Marco Reus oder Toni Kroos stehen auf die Frisur

Heute sind die Undercuts wieder in Mode: Zig Top-Fußballer, ob Cristiano Ronaldo, Marco Reus oder Toni Kroos schwören auf den Look.

„Ich glaube, den meisten Spielern ist all das von früher heute gar nicht bewusst. Denen mache ich gar keinen Vorwurf. Und den Teenagern erst Recht nicht.“ Merges sei es nur wichtig, junge Leute aufzuklären, was es mit der aktuellen Haar-Mode auf sich hat. „Gerade Fußballer sind ja Trendsetter. Aber viele sehen derzeit für mich aus wie die Nazis. Schrecklich!"

Kölner Heinz Merges: Keine Nazi-Frisuren in seinem Salon

Merges möchte nicht missverstanden werden und betont: „Nazi ist man im Kopf, nicht auf dem Kopf." Aber seine eigene Vergangenheit holt ihn ein, wenn er Cristiano Ronaldo und Co. auf dem Fußballplatz sieht.

Der Kölner Coiffeur ist noch heute im Salon an der Streitzeuggasse nahe der Nord-Süd-Fahrt aktiv, wäre da zurzeit nicht der Lockdown. Seine Mitarbeiter und er weigern sich, Kunden den Wunsch nach einem Undercut zu erfüllen. „Das gibt es bei mir nicht. Ich erkläre den Kunden dann, warum ich mich weigere, auch wenn sie danach aufstehen und gehen. Ich bin mein ganzes Leben lang Überzeugungstäter gewesen – und bleibe es.“

Und so wird Heinz Merges auch weiterhin Kunden erst mal den Kopf waschen, wenn sie nach einem Undercut fragen oder womöglich nur sagen: „Einmal den Kroos bitte...“