Weil sie ihr Neugeborenes ausgesetzt hat, wurde jetzt eine Mutter (36) vor dem Kölner Landgericht verurteilt. Sie hatte sich ein anderes erhofft.
„Sie verliert jetzt eigentlich alles“Säugling in Köln ausgesetzt: Urteil gegen Mutter (36) gefallen

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Der Säugling wurde am 29. September 2018 in Köln-Porz ausgesetzt. Onur C. fand ihn beim Gassigehen mit seinem Hund. Auf dem Foto hält er das Kind, das in ein Laken gewickelt war, im Arm.
Als das Urteil fällt, gucken sich Angeklagte und Verteidigerin an. Nur ein kurzer Blick, doch der spiegelt fassungsloses Erstaunen wider.
Drei Jahre Gefängnis! So urteilte das Gericht am Freitag (12. Mai 2023) gegen eine 36-Jährige, die Ende September 2018 ihren neugeborenen Sohn in Köln-Porz aussetzte. Die Richterin an die Angeklagte gewandt: „Wir wissen, dass sie sich ein anderes Urteil erhofft hatten.“
Säugling in Köln-Porz ausgesetzt: Verteidigerin nach Urteil mit klaren Worten
Drei Jahre hatte auch die Staatsanwaltschaft gefordert. Die Verteidigung hatte auf eine Bewährungsstrafe von höchstens zwei Jahren plädiert. „Ich werte das Urteil als unverhältnismäßig“, sagte Verteidigerin Harriet Krüger im Anschluss.
Das Gericht habe angeführt, wieviele Milderungsgründe hier vorlagen und noch vorliegen. Es stoße bei ihr auf Unverständnis, dass genau die nicht für das Urteil herangezogen worden seien. Krüger: „Ich finde, man hätte ihr jetzt hier die Hand reichen können.“
Prozess in Köln: Laut Gericht nahm Angeklagte Tod des Babys billigend in Kauf
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die 36-Jährige zwar nicht die Absicht hatte, ihr Neugeborenes zu töten, aber dessen Tod billigend in Kauf nahm. Die Angeklagte hatte ihre vierte Schwangerschaft verheimlicht und ihren Sohn, den sie kurz zuvor im Gäste-WC in der Wohnung ihres Vaters zur Welt gebracht hatte, zunächst auf den Balkon, dann an einem Fußgängerweg unter einen Baum gelegt. Es war kalt, elf Grad. Das Baby war nur in ein Spannbettlaken gewickelt.

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Die Angeklagte sitzt neben ihrer Verteidigerin Harriet Krüger.
Erst zwei Stunden später wurde der Säugling gefunden. Von Onur C. (25) beziehungsweise dessen Hund „Bonez“, der sein Herrchen auf das Bündel aufmerksam machte. Das Baby war stark unterkühlt. Im Prozess sagte eine Gutachterin, dass es an ein Wunder grenze, dass es überlebt hat.
Das Gericht erkannte bei der Angeklagten, die an einer Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline leidet, eine verminderte Schuldfähigkeit an. Dennoch habe die 36-Jährige die Gefährlichkeit ihres Handelns erkannt, so die Richterin.
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Strafmildernd wertete sie, dass die Angeklagte ein frühes und von Reue geprägtes Geständnis abgelegt hatte, sich nach der Tat zu einer Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bereit erklärt hatte und nicht vorbestraft war. „Sie müssen sich aber bewusst sei, dass sie ihrem Sohn eine Bürde auferlegt haben“, sagte die Richterin. „Er wird irgendwann erfahren, dass beide Elternteile ihn nicht haben wollten. Das ist nur schwer zu verkraften.“ Der Junge kam in eine Pflegefamilie.
Strafschärfend wurde gewertet, dass sich die 36-Jährige trotz mehrerer vorheriger ungewollter Schwangerschaften nie um Verhütung geschert hat. Und dass sie, die bereits früh mit Drogen (erst Marihuana, dann Amphetamin und Kokain) anfing, nie eine Therapie in Angriff nahm, weil sie für sich keinen Therapiebedarf sah.
Haftstrafe für Mutter, die ihren Säugling in Köln-Porz an einem Baum aussetzte
Inzwischen ist die 36-Jährige wohl aber auf einem guten Weg, von den Drogen loszukommen. Auch hat sie eine neue Wohnung, zwei Minijobs, einen neuen Freund und laut ihrer Verteidigerin ein super Verhältnis zu ihren Kindern. Seit der Tat, die nun bereits viereinhalb Jahre zurückliegt, hat sich die Angeklagte nie wieder etwas zu schulden kommen lassen. Umso härter jetzt das Knast-Urteil.
Weil der Prozess wegen einer Überlastung der Justiz erst so spät begann, werden der Angeklagten von den drei Jahren drei Monate als vollstreckt angerechnet. Darüber hinaus sieht die Kammer vor, dass die 36-Jährige neun Monate der Haftstrafe im Gefängnis verbüßt, die Verbüßung danach zurückgestellt wird und sie eine Therapie macht.
„Sollte sie jetzt wirklich in Haft gehen, verliert sie ihren Job, wahrescheinlich ihre Wohnung, ihre Beziehung, verliert sie eigentlich alles, was sie sich jetzt gerade aufgebaut hat“, erklärte Verteidigerin Harriet Krüger. Das könne nicht zielführend sein. Ob sie gegen das Urteil Revision einlegt, steht aber noch nicht fest. (iri)