Schock-Bilder von JunkiesKölner Streetworker mit Appell – „Empörung hilft wenig“

Eine Person sitzt zusammengesunken auf einem Treppenabsatz.

Ein Obdachloser sitzt mit nach vorne gekipptem Kopf auf einem Treppenabsatz am Friesenplatz. 

Der Flucht von Drogen und Alkohol: Die Obdachlosen-Szene bereitet sich in Köln immer weiter aus, oft mit schlimmen Folgen. Streetworker Franco Clemens kennt die Situation nur zu gut.

von Iris Klingelhöfer  (iri)

Nahe der Bahnsteigkante liegt ein regungsloser Mensch, ausgestreckt auf dem kalten Stein. Ein anderen sitzt, der Kopf nach vorne gefallen, zusammengesunken auf einem Treppenabsatz. Es sind Bilder von Armut und Verwahrlosung am Friesenplatz, die fassungslos machen.

Franco Clemens (60), Streetworker bei „Heimatlos in Köln“ und Vize-Vorsitzender bei der „Arche für Obdachlose“ kennt die Situation auch vom Wiener Platz und aus der Innenstadt. „Je nach Zustand ist das für die Öffentlichkeit ein nur schwer zu ertragender Anblick, die Gefühle wechseln zwischen Mitleid und Empörung“, erklärt er am Dienstag (22. April 2025) im Gespräch mit EXPRESS.de. 

Kölner Streetworker: Viele haben eine multiple Drogenproblematik

In den letzten zwei, drei Jahren habe es in der Kölner Obdachlosenszene einen massiven Zuwachs, anteilsmäßig auch von Frauen, gegeben. „Besonders auffällig ist der Zuwachs aus osteuropäischen Staaten“, so Franco Clemens. 

Aber auch Kölsche, erklärt er. „Bei den hier Geborenen wird häufig Crack und Heroin konsumiert, bei den Zuwanderern eher harter Alkohol.“ Viele hätten aber eine multiple Drogenproblematik. 

Sie würden diese Menschen ansprechen. „Zum Beispiel im Winter, wenn wir uns Sorgen machen müssen, dass sie erfrieren könnten oder dass sie kollabiert sind, medizinische Hilfe benötigen“, so der bekannte Kölner Streetworker. „Wenn wir guten Kontakt zu den Menschen bekommen oder durch unsere Streetworkerarbeit bereits haben, dann können wir dafür sorgen, dass sie an einen anderen Platz gehen und Hilfe bekommen.“ 

Er selbst würde es oft schaffen, zu erreichen, dass die Menschen dann nicht in der Öffentlichkeit schlafen, sondern sich zurückziehen. 


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„Viele bräuchten tatsächlich medizinische Hilfe und eine Unterkunft. Aber das ist eine Frage der Freiwilligkeit. Besonders bei psychisch Kranken ist das eine große Hürde“, erklärt der 60-Jährige. 

Es gäbe ja bereits ein breites Angebot an Notschlafstellen und am Wiener Platz ein Ganztagsprojekt, wo sich Obdachlose duschen und waschen können und vor allem kostenlose medizinische Versorgung erhalten. Auch sind Sozialarbeitende für weiterführende soziale Hilfe vor Ort. 

„Aber unter dem Strich reicht das nicht aus“, so Franco Clemens, „solcher Einrichtungen bedarf es auch in anderen Stadtteilen.“ Es sei auch zielführend, Ruheräume zu schaffen, wo sich die Obdachlosen tagsüber aufhalten könnten. 

Der Streetworker fordert niedrigschwellige Angebote. „Dass Obdachlose ohne großes Wenn und Aber irgendwo hineinkommen.“ Auch fehle bezahlbarer Wohnraum. Dabei sei auch das Problem, dass viele Obdachlose ein betreutes Wohnen bräuchten.

Clemens: „Jemand der psychisch krank ist, Wahrnehmungsstörungen oder Paranoia hat – solche Menschen sind ja nicht selbstorganisiert. Die können keine Termine einhalten oder Verbindlichkeiten eingehen.“ Circa 30 Prozent würden auch sozialarbeiterliche Betreuung benötigen. 

Franco Clemens: Bürgerinnen und Bürger sollen mit aufpassen

Einer der Schlüsselpunkte für ihn sei, dass das administrative Angebot sehr hochschwellig ist. „Du sollst Termine beim Amt machen, aber das geht nur online“, erklärt Franco Clemens. Auch ein Termin bei einem Sozialarbeiter zu kriegen, sei schwierig. „Immer mehr Menschen brauchen Unterstützung, weil sie in eine prekäre Situation geraten sind, wie zum Beispiel die Armuts-Rentnerinnen und -Rentner.“ 

Was ihm wichtig, mit Blick auf die schlimmen Bilder von Friesenplatz, ist: „Empörung hilft wenig. Die Bürgerinnen und Bürger sollen mit aufpassen, dass hilflose Menschen im Zweifelsfall auch Hilfe bekommen“, sagt er. Denn diese seien in so einem Rauschzustand, dass sie ihre Situation gar nicht mehr einschätzen könnten. 

So hätten sie bei den Verteilungen von Hilfsgütern immer eine Sanitäterin dabei. „Was wir da zwischenzeitlich sehen, ist unglaublich“, erzählt der Streetworker. Innerhalb eines Jahres habe es drei Fälle gegeben, wo Menschen kollabiert waren oder so stark entzündete Wunden hatten, dass eine Amputation drohte. Er habe sogar in Fleischwunden schon Maden gesehen. 

„Man sollte versuchen, die Menschen anzusprechen und sie nicht einfach in ihrem verwahrlosten Zustand liegenzulassen“, appelliert er. Das passe nicht zu unserer Gesellschaft. Denn Obdachlosigkeit kann jeden treffen. Franco Clemens: „Und wer obdachlos wird, der stürzt nach kurzer Zeit auch ab.“